Rz. 6

Diese Gesetzgebungsmaßnahme war und ist, wie kaum ein anderes bei der USt in jüngerer Zeit, Gegenstand massiver Kritik sowohl in der Politik als auch in der Fachwelt – zumal letztlich keinerlei systematische Rechtfertigung für die Begünstigung dieser Umsätze zu finden ist. Das hauptsächlich vorgetragene Wettbewerbsargument überzeugt nicht, denn es besteht kein praktischer Wettbewerb zwischen einer Übernachtung in einem Hotel in Deutschland und einem Hotel in Spanien. Der auf Hotelübernachtungen fixierte Tourismus wird vom Umsatzsteuersatz nicht wirklich beeinflusst, denn die Entscheidung des Kunden, wo er übernachtet, wird von anderen Faktoren wie z. B. Wetter, Landschaft, Sehenswürdigkeiten, allgemeines Preisniveau, Infrastruktur u.Ä. bestimmt. Selbst im Grenzbereich von benachbarten Staaten spielt die Umsatzsteuer bei den Übernachtungspreisen keine ausschlaggebende Rolle. Hinzu kommt, dass die seinerzeitige Regierungskoalition eigentlich die Sinnhaftigkeit von ermäßigten Steuersätzen insgesamt überprüfen wollte.[1] § 12 Abs. 2 Nr. 11 UStG führt gegenüber der bisherigen Besteuerung der betroffenen Umsätze zum Regelsteuersatz von 19 % zu Steuermindereinnahmen von ca. 1 Mrd. EUR im Jahr. Bereits Ende Januar 2010 gab es im politischen Raum – auch aus den Reihen der Koalitionsparteien CDU und FDP – die Forderung, die Vorschrift schnellstmöglich wieder aufzuheben, weil es ein politischer Fehler gewesen sei, sie überhaupt einzuführen. Ein entsprechender Antrag einiger Länder im Bundesrat wurde aber nicht angenommen.[2]

 

Rz. 7

Die völlig berechtigte Kritik an der Schaffung der Vorschrift[3] kann, da sie vom Gesetzgeber erkennbar nicht aufgenommen wurde, zur Auslegung der Vorschrift nicht herangezogen werden. Vielmehr muss ausschließlich der Wortlaut als Grundlage und Grenze der Interpretation dienen. Dabei sind auch die Konkurrenzen zu anderen Vorschriften zu beachten: Die Steuersatzfrage stellt sich nur, weil gem. § 4 Nr. 12 UStG bestimmte Beherbergungsumsätze von der Steuerbefreiung für Grundstücksvermietungsumsätze ausgeschlossen werden. Von der bloßen Vermietung und Verpachtung von Grundstücken mit Einrichtungsgegenständen – steuerfrei gem. § 4 Nr. 12 UStG – unterscheidet sich ein unter § 12 Abs. 2 Nr. 11 UStG fallender Umsatz dadurch, dass die Räume der kurzfristigen Beherbergung dienen.[4]

 

Rz. 7a

Außer zu der Steuerbefreiung gem. § 4 Nr. 12 UStG für Grundstücksvermietungen mit der Ausnahme für Beherbergungsumsätze gibt es zu § 12 Abs. 2 Nr. 11 UStG noch eine Gesetzeskonkurrenz zu folgenden steuerfreien Umsätzen mit Vermietungselementen: Stationäre Krankenhaus- und Heimumsätze gem. § 4 Nr. 14 und 16 UStG; Beherbergungsleistungen gem. § 4 Nr. 18 UStG bei Wohlfahrtseinrichtungen; Beherbergung im Jugend- und Bildungswesen gem. § 4 Nr. 23 UStG; die Umsätze des Deutschen Jugendherbergswerks; Beherbergungen im Rahmen der Jugendhilfe gem. § 4 Nr. 25 UStG.

Diese Steuerbefreiungen sind spezieller als die Ausnahme gem. § 4 Nr. 12 UStG und gehen damit § 12 Abs. 2 Nr. 11 UStG vor.

[1] Widmann, UR 2010, 8.
[2] BR-Plenarprotokoll 866; zur politischen Debatte s. Filtzinger, UR 2015, 952 mit Hinweis auf den Antrag der Länder Schleswig-Holstein, Bremen und Nordrhein-Westfalen im Bundesrat v. 21.8.2012, BR-Drs. 485/12 auf Aufhebung von § 12 Abs. 2 Nr. 11 UStG. Der Bundesrat hat diesem Antrag am 2.11.2012 nicht zugestimmt, s. Bundesrat, Stenografischer Bericht zur 902. Sitzung v. 2.11.2012, 484.
[3] Vgl. die ausführliche Darstellung im Bericht des Finanzausschusses des Deutschen Bundestags zum Wachstumsbeschleunigungsgesetz, BT-Drs. 17/147 v. 3.12.2009, 8ff.
[4] S. Abschn 4.12.1 Abs. 6 UStAE i. d. F. d. BMF v. 8.12.2017, S 7168/8/1005, BStBl I 2017, 1664.

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