Rz. 17

Grundsätzlich sind deutsche Staatsorgane und damit auch die Gerichte wegen der sog. Territorialhoheit nicht befugt, im Ausland tätig zu werden. Sie müssen ausländische Rechts- und Amtshilfe in Anspruch nehmen. Eine innerstaatliche Rechtsgrundlage[1] für das finanzgerichtliche Verfahren gibt es dafür nicht[2]. Eine Inanspruchnahme internationaler Rechtshilfe kommt in Betracht, wenn der Sachverhalt im Inland nicht hinreichend aufgeklärt werden kann. Allerdings ist im praktisch wichtigen Fall eines ausländischen Zeugen zu beachten, dass gem. § 76 Abs. 1 S. 4 FGO i. V. m. § 90 Abs. 2 AO die Beteiligten gehalten sind, ausländische Zeugen dem Gericht zu stellen[3]. Das Gericht genügt regelmäßig dem Untersuchungsgrundsatz, wenn es dem Beteiligten aufgibt, den benannten Auslandszeugen dem Gericht zu stellen. Das gilt auch dann, wenn es sich bei den Zeugen um Bürger der EU handelt[4]. Ein ausländischer Zeuge, der sich weigert, in der mündlichen Verhandlung zu erscheinen, kann als unerreichbar angesehen werden, wenn nur seine Vernehmung in der mündlichen Verhandlung zur Wahrheit beizutragen vermag, weil es besonders auf seine Glaubwürdigkeit ankommt[5].

 

Rz. 18

Die Gewährung von Rechtshilfe ist nur zulässig im vertraglichen Rechtsverkehr aufgrund zwischenstaatlicher Vereinbarungen oder aufgrund von Rechtsvorschriften der EU, die regelmäßig Anwendungsvorrang vor zwischenstaatlichen Vereinbarungen der EU-Mitgliedstaaten haben, und im vertraglosen Rechtshilfeverkehr, für den i. d. R. der Grundsatz der Gegenseitigkeit gilt.

 

Rz. 19

Zwischenstaatliche Vereinbarungen für unmittelbare Rechtshilfeersuchen deutscher Finanzgerichte an ausländische Behörden bestehen nur mit Schweden[6], Finnland[7], Italien[8], Österreich[9] und Dänemark[10]. In allen übrigen Fällen ist mangels vertraglicher Regelung auch im Finanzgerichtsprozess nach § 363 ZPO zu verfahren[11].

Das Haager Übereinkommen v. 18.3.1970 über die Beweisaufnahme im Ausland in Zivil- oder Handelssachen[12] ist grundsätzlich in finanzgerichtlichen Verfahren nicht anwendbar. Dies gilt ebenso für die Verordnung (EG) Nr. 1206/2001 des Rates v. 28.5.2001 über die Zusammenarbeit zwischen den Gerichten der Mitgliedstaaten auf dem Gebiet der Beweisaufnahme in Zivil- oder Handelssachen[13]. Dies schließt jedoch nicht aus, dass Rechtshilfe im vertraglosen Rechtshilfeverkehr gewährt wird[14].

 

Rz. 20

Nach § 363 Abs. 1 ZPO ist die Beweisaufnahme im Ausland nicht durch das Gericht durchzuführen, sondern das Gericht hat die zuständige Behörde um Aufnahme des Beweises zu ersuchen.

Das Ersuchen ist an die ausländische zuständige Behörde zu richten. Welche das ist, muss im Einzelfall ermittelt werden[15]. Ob und ggf. von welcher der in § 363 Abs. 1 und 2 ZPO bzw. § 364 Abs. 2 ZPO geregelten Alternativen der Beweiserhebung das Gericht Gebrauch macht, steht in seinem Ermessen, das revisionsrechtlich nur auf Ermessensfehler überprüft werden kann[16]. Dabei ist es ermessensgerecht und stellt keine unzulässige vorweggenommene Beweiswürdigung dar, wenn das Gericht von einer Beweisaufnahme im Ausland absieht, weil es allein die Vernehmung des Zeugen in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Senat zur Erforschung der Wahrheit als geeignet ansieht[17].

 

Rz. 21

Das Gesetz sieht als Regelfall die Beweisaufnahme durch deutsche Auslandsvertretungen vor[18]. Deren Zuständigkeiten sind im Konsulargesetz v. 11.9.1974[19] geregelt, wobei die Beweisaufnahme nach deutschem Recht erfolgt[20]. Jährlich wird ein Verzeichnis der deutschen Auslandsvertretungen im Bundesanzeiger veröffentlicht. Deren Befugnisse im Ausland richten sich jedoch nach dem Recht des Empfangsstaates. Die Befugnisse lassen sich i.d.R. dem Länderteil der ZRHO entnehmen[21]. Sie sind auch ggf. bei der jeweiligen deutschen Auslandsvertretung, jedoch im innerstaatlichen Verkehr (Post über das Auswärtige Amt), oder beim Auswärtigen Amt zu erfragen.

 

Rz. 22

Generell kann gesagt werden, dass eine Vernehmung von Zeugen durch deutsche Konsularbeamte im Ausland grundsätzlich nur für die Vernehmung von Deutschen, nicht von Ausländern möglich ist, wenn die Vernehmung ohne Zwangsmaßnahmen durchgeführt werden kann[22] und die Gegenseitigkeit gewahrt ist[23].

 

Rz. 23

Das Ersuchen um Rechtshilfe gem. § 363 ZPO ist grundsätzlich auf diplomatischem Weg unter Einschaltung der obersten Dienstbehörde zu stellen, wenn nicht der unmittelbare Verkehr zwischen den jeweiligen Stellen oder der konsularische Weg in Betracht kommen[24].

 

Rz. 24

Führt das Verfahren nach § 363 ZPO zu keiner Beweisaufnahme im Ausland, ist den Parteien nach § 76 Abs. 1 FGO aufzugeben, von sich aus zur weiteren Sachaufklärung beizutragen und etwa schriftliche Äußerungen von Auslandszeugen beizubringen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Finanzbehörden in vielen Fällen auf grund von DBA oder von zwischenstaatlichen Abkommen über Rechts- und Amtshilfe in Steuersachen[25] bessere Möglichkeiten zur Sachverhaltsaufklärung im Ausland haben als die Gerichte. Dass hierbei dem Grundsatz der...

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