Rz. 41

Bei den Ersatzzustellungen erreicht das zuzustellende Schriftstück den Adressaten nicht tatsächlich. Es geht stattdessen entweder einer anderen (Ersatz-)Person zu, an die es ausgehändigt wird, oder es erreicht nicht einmal eine solche andere Person. In diesen Fällen der §§ 178181 ZPO ist es belanglos, ob und wann das Schriftstück dem Zustellungsadressaten zugeht und dieser vom Schriftstück Kenntnis erlangt[1]. Die Zustellung gilt dennoch als bewirkt. Allerdings muss der Zustellende durch eigene Prüfung sorgfältig feststellen, dass die Voraussetzungen der jeweiligen Ersatzzustellung gegeben sind, etwa dass die Ersatzperson eine gesetzlich vorgesehene Person ist. Eine tatsächliche Kenntnisnahme des Adressaten vom zuzustellenden Schriftstück ist in den Fällen der Ersatzzustellung nicht erforderlich.

Fingierte Zustellungen sind außer bei den Ersatzzustellungen auch noch bei der öffentlichen Zustellung[2] und bei der Zustellung durch Aufgabe zur Post[3] vorgesehen.

[1] Hartmann, in Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 70. Aufl. 2012, Einf. §§ 178–181 ZPO Rz. 5.

2.2.4.1 Ersatzzustellungen in der Wohnung, in Geschäftsräumen und Gemeinschaftseinrichtungen

 

Rz. 42

Für den Fall, dass die Zustellung eines Schriftstücks nicht durch tatsächliche körperliche Übergabe an den Adressaten möglich ist, bezieht § 178 ZPO als Ersatz bestimmte Personen in den Kreis der möglichen Empfänger ein. Es handelt sich um Personen, von denen in erhöhtem Maß davon ausgegangen werden kann, dass sie das Schriftstück dem Adressaten zugänglich machen werden. Die in § 178 ZPO aufgeführten Personen halten sich im räumlichen Umfeld des Adressaten auf, in dem die Zustellung an ihn eigentlich geschehen sollte. Wenn § 178 Abs. 1 Nr. 1 ZPO einen erwachsenen Familienangehörigen oder einen erwachsenen ständigen Mitbewohner als geeignet erklärt, so muss es sich nicht um volljährige Personen handeln (vgl. unten Rz. 44). Es ist bei diesen Personen nur eine geistige und körperliche Reife Voraussetzung, die die Ersatzperson befähigt, Bedeutung und Inhalt der Zustellung zu begreifen[1]. Es handelt sich bei dem Ort der Ersatzzustellung um die Wohnung, die Geschäftsräume des Adressaten und Gemeinschaftseinrichtungen, in denen er wohnt. Führt diese Form der Ersatzzustellung nicht zum Erfolg, bleibt regelmäßig nur die Ersatzzustellung nach § 180 ZPO durch Einlage in den Briefkasten.

2.2.4.1.1 Ersatzzustellung in der Wohnung

 

Rz. 43

Für die Ersatzzustellung in der Wohnung nennt § 178 Nr. 1 ZPO die erwachsenen Familienangehörigen, die in der Familie beschäftigten Personen und die erwachsenen ständigen Mitbewohner. In diesem Fall muss die Zustellung in der Wohnung vorgesehen gewesen sein, die dort nicht an den Adressaten geschehen konnte, weil er nicht angetroffen wurde. Dabei ist der Begriff der Wohnung weit auszulegen. Gemeint ist jeder Raum, den der Adressat der Zustellung zzt. der Zustellung für eine gewisse Zeit schon oder noch bewohnt[1] und in dem er regelmäßig schläft. Maßgebend ist das tatsächliche Wohnen[2].

 

Rz. 44

Der erwachsene Familienangehörige muss nicht in der Wohnung wohnen, sondern dort nur angetroffen werden. Die Familienangehörigkeit ist weit auszulegen. Dazu gehören nicht nur Verwandte des Adressaten und die mit diesem Verschwägerten. Auch Verlobte und die sich wieder in der Wohnung aufhaltende geschiedene Ehefrau sind Familienangehörige i. d. S.[3]. Dagegen sollte nach bisher h. M. der gleichgeschlechtliche Lebenspartner nicht zu den Familienangehörigen zählen, auch nicht nach dem Inkrafttreten des LebenspartnerschaftsG v. 16.2.2001[4], und zwar auch nicht im Fall der eingetragenen Lebenspartnerschaft[5]. Das ist inzwischen als überholt anzusehen. Erwachsen ist eine Person i. S. d. § 178 ZPO nicht erst mit ihrer Volljährigkeit. Maßgebend soll die körperliche Entwicklung, also das Erscheinungsbild sein. Die Rspr. zu § 178 ZPO nimmt die Schwelle zum Erwachsensein etwa bei 14 Jahren an[6].

 

Rz. 45

Eine in der Familie beschäftigte Person muss wie der Familienangehörige nicht in der Wohnung wohnen. Sie muss vielmehr nur dort anwesend sein, wenn der Adressat nicht angetroffen worden ist. Diese Person muss mangels einer solchen Forderung in § 178 Abs. 1 Nr. 1 ZPO nicht erwachsen sein. Die Art der Beschäftigung ist belanglos. Es kann eine anspruchsvolle, aber auch eine einfache Tätigkeit sein. Sie muss nur in der bzw. für die Familie geleistet werden.

 

Rz. 46

Auch an einen erwachsenen ständigen Mitbewohner des Adressaten kann die Ersatzzustellung bewirkt werden. Der Mitbewohner muss nicht in der Wohnung selbst, jedoch in unmittelbarer räumlicher Nähe zu dieser wohnen. Das kann z. B. der in der Nachbarwohnung im selben Haus wohnende Vermieter sein. Dieser wird dann nicht als Vermieter, sondern als Mitbewohner herangezogen[7]. Auch der Lebensgefährte, der die Wohnung des Adressaten mitbewohnt, kann ein solcher Mitbewohner sein.

[1] BGH v. 13.10.1993, XII ZR 120/93, NJW-RR 1994, 564; Hartmann, in Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 70. Aufl. 2012, § 178 ...

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