Rz. 31

Eine Unzumutbarkeit liegt daher im Zusammenhang mit Meinungsverschiedenheiten über Besteuerungsgrundlagen regelmäßig nicht vor, weil es dem Stpfl. grundsätzlich zumutbar ist, solche Streitigkeiten im Rechtsbehelfsverfahren gegen die ergehenden Steuerverwaltungsakte auszutragen. Daher kann die Feststellung, dass die zukünftige Erhebung der Erbschaftsteuer vom Vermögen einer Familienstiftung rechtswidrig sei, nicht erfolgreich sein. Die Familienstiftung erleidet nämlich keine erkennbaren endgültigen Rechtsverlust, wenn sie sich mittels einer Anfechtungsklage gegen einen später ergehenden Erbschaftsteuerbescheid wendet.[1] Nach Auffassung des Schleswig-Holsteinischen FG kann ein Feststellungsinteresse bei einer Feststellungsklage, mit der künftigen nachteiligen Verwaltungsakten vorgebeugt werden soll, aber ausnahmsweise bestehen, wenn besondere Gründe dargelegt werden, die es rechtfertigen, die Verwaltungsakte nicht abzuwarten.[2] Die Feststellungsklage ist allerdings nicht wegen eines rechtlich geschützten Dispositionsinteresses des Betroffenen zuzulassen, weil eine Dispositionsmöglichkeit ein konkretes Rechtsverhältnis nicht begründet.[3] Allerdings ist insoweit auch vorrangig zu beachten, dass der Stpfl. ggf. eine rechtliche Klärung vor der Verwirklichung von Sachverhalten auch durch eine verbindliche Auskunft gem. § 89 Abs. 2 AO erreichen kann.[4]

 

Rz. 32

Im Zusammenhang mit Aufklärungsmaßnahmen der Finanzbehörden ist nachgelagerter Rechtsschutz einschließlich des vorläufigen Rechtsschutzes zwar unzumutbar, wenn erhebliche nicht wiedergutzumachende Nachteile drohen. Im Regelfall ist in dieser Konstellation allerdings der Rechtsschutz durch eine vorbeugende Unterlassungsklage bei drohenden Auskunftsverlangen an Dritte nach § 93 AO[5] sowie bei Auskunftsersuchen der deutschen Finanzbehörden nach § 117 AO an ausländische Finanzbehörden[6] und bei der Auskunftserteilung an ausländische Finanzbehörden[7] oder an andere inländische öffentliche Stellen[8] vorrangig.[9] Der fragliche Unterlassungsanspruch ergibt sich insoweit ggf. aus § 1004 BGB analog i. V. m. § 30 AO.[10] Nach der Auskunftserteilung entsteht allerdings das Rechtsverhältnis i. S. des § 41 Abs. 1 FGO und begründet insoweit nachträglichen Rechtsschutz durch eine Feststellungsklage.[11] Dem dürfte auch nach dem Subsidiaritätsgrundsatz aus § 42 Abs. 2 S. 1 FGO nicht entgegengehalten werden können, dass der Kläger vor der Auskunftserteilung ggf. eine vorbeugende Unterlassungsklage hätte erheben können (vgl. Rz. 36).

 
Praxis-Beispiel

[Vor Auskunftserteilung] Der Kläger beantragt, dem Beklagten zu untersagen, die [Besteuerungsgrundlagen] an die Steuerverwaltung [Land] mitzuteilen. [Nach Auskunftserteilung] Der Kläger beantragt, festzustellen, dass die Offenbarung von [Besteuerungsgrundlagen] gegenüber der Steuerverwaltung [Land] rechtswidrig gewesen ist.

 

Rz. 33

Ein vorbeugender Rechtsschutz gegen künftige Vollstreckungsmaßnahmen kommt nur in Betracht, wenn substantiiert und in sich schlüssig Umstände vorgetragen werden, nach denen die zu erwartende Vollstreckungshandlung zu einer nicht oder nur schwerlich wiedergutzumachenden Rechtsverletzung führen würde, die über die reine Geldleistung hinausgehende einschneidende Beeinträchtigungen für den Vollstreckungsschuldner mit sich brächte. Dies ist allerdings nur der Fall, wenn ihm erhebliche Nachteile drohen, die seine persönliche oder wirtschaftliche Existenz gefährden und die nicht oder nur unter erschwerten Bedingungen wiedergutzumachen sind.[12] Unzulässig ist eine Klage insbesondere dann, wenn sie auf eine rechtsgutachterliche Stellungnahme zu der Frage hinausliefe, unter welchen Voraussetzungen das FA ein Vollstreckungsersuchen ablehnen müsste, oder wenn lediglich die hypothetische Möglichkeit einer späteren Rechtsverletzung oder eines späteren Schadens geltend gemacht wird.[13]

 

Rz. 34

Ein besonderes, qualifiziertes Rechtsschutzbedürfnis ist darüber hinaus zu bejahen, wenn die berufliche Existenz des Betroffenen gefährdet wäre.[14] Eine derartige Ausnahmekonstellation liegt nach verwaltungsgerichtlicher Rechtsprechung auch bei drohenden Sanktionen vor, die an verwaltungsrechtliche Vorfragen anknüpfen. Hiernach sei es einem Betroffenen nicht zuzumuten, die Klärung verwaltungsrechtlicher Zweifelsfragen "von der Anklagebank herab" führen zu müssen. Der Betroffene habe ein schutzwürdiges Interesse daran, den Verwaltungsrechtsweg als sachnähere und "fachspezifischere" Rechtsschutzform einzuschlagen, wenn ihm wegen verwaltungsrechtlicher Fragen ein Straf- oder Ordnungswidrigkeitsverfahren droht. Es sei weder sinnvoll noch zumutbar, dem Bürger in einem derartigen Schwebezustand die Möglichkeit der verbindlichen Klärung streitiger Fragen des öffentlichen Rechts zu verwehren.[15] Es geht mithin um Konstellationen, in denen der Bürger mit der Verwaltung darüber streitet, ob ein vom ihm beabsichtigtes Verhalten gegen ein strafbewehrtes Verbot verstößt oder nicht.[16] Insoweit hat der BFH allerdings einschränkend en...

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