3.4.1 Bezeichnung des Rechtsbehelfs

 

Rz. 19

Die Anhörungsrüge braucht nicht als solche bezeichnet zu sein. Erhebt der Beteiligte ein nicht statthaftes Rechtsmittel, kommt darin jedoch die Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs zum Ausdruck, kann dies als Anhörungsrüge gewertet werden.

Eine von einem fachkundigen Prozessbevollmächtigten ausdrücklich als solche erhobene unstatthafte Anhörungsrüge kann jedoch nicht in einen an ihrer Stelle gegebenen statthaften Rechtsbehelf umgedeutet werden.[1] Der BFH lehnt auch eine Umdeutung einer Anhörungsrüge in eine Gegenvorstellung ab.[2] Ebenso kann ein ausdrücklich als Beschwerde, außerordentliche Beschwerde oder Gegenvorstellung erhobener Rechtsbehelf nicht in eine Anhörungsrüge umgedeutet werden.[3] Auch die Umdeutung einer "Rechtsbeschwerde" oder einer "sofortigen Beschwerde" in eine Anhörungsrüge wurde mit dem Hinweis auf das Gebot der Rechtssicherheit, Rechtskundige beim Wort zu nehmen, abgelehnt.[4]

Dem ist nur eingeschränkt zuzustimmen. Erfüllt ein als außerordentliche Beschwerde oder Gegenvorstellung bezeichneter Rechtsbehelf sachlich die Voraussetzungen einer Anhörungsrüge, sollte dies einer Umdeutung in den statthaften Rechtsbehelf nicht entgegenstehen. Dementsprechend kann, wenn mit einer Anhörungsrüge außer der Verletzung des rechtlichen Gehörs auch andere Rechtsfehler geltend gemacht werden, sowohl von einer Anhörungsrüge als auch von einer daneben erhobenen Gegenvorstellung ausgegangen werden.

Der BFH hat jedenfalls dann, wenn der Rechtsbehelf ausschließlich auf die Verletzung des rechtlichen Gehörs gestützt ist, die Auslegung einer "sofortigen Beschwerde" i. S . einer Anhörungsrüge anerkannt.[5]

3.4.2 Bezeichnung der Entscheidung

 

Rz. 19a

In der Rügeschrift ist die angegriffene Entscheidung so genau zu bezeichnen, dass das angerufene Gericht das angegriffene Urteil oder den Beschluss ohne Weiteres auffinden kann. Anzugeben sind Datum, Aktenzeichen und Beteiligte des Verfahrens. Zweckmäßigerweise wird eine Kopie der angegriffenen Entscheidung eingereicht. Die Bezeichnung muss innerhalb der Rügefrist (grundsätzlich 2 Wochen nach Kenntniserlangung) erfolgen, sie muss somit nicht unbedingt in der Rügeschrift enthalten sein, sie kann vielmehr innerhalb der Rügefrist in einem gesonderten Schriftsatz nachgeholt werden.

3.4.3 Bezeichnung des Rechtsfehlers

 

Rz. 20

Es besteht Begründungszwang. Die Voraussetzungen der Fehlerhaftigkeit der gerichtlichen Entscheidung müssen substanziiert dargelegt werden.[1] Dies erfordert bei der Rüge von Verfahrensfehlern die genaue Angabe der Tatsachen, die nach der Meinung des Rügenden den Mangel schlüssig ergeben. Es muss somit außer der Angabe der Tatsachen dargelegt werden, dass die angegriffene Entscheidung, ausgehend vom materiell-rechtlichen Standpunkt des Gerichts, auf dem Verfahrensmangel beruhen kann, d. h., dass die Möglichkeit besteht, dass die Entscheidung ohne den Verfahrensverstoß anders, und zwar für den Rügenden günstiger, ausgefallen wäre, dass der Verfahrensfehler also entscheidungserheblich ist.[2] Schlüssigkeit ist gegeben, wenn die vorgetragenen Tatsachen, ihre Richtigkeit unterstellt, den Verfahrensmangel begründen. Das mit der Sache erneut befasste Gericht muss allein anhand der Rügebegründung – ohne Prüfung der Akten – in die Lage versetzt werden, die Möglichkeit des Vorliegens eines Verfahrensmangels zu prüfen.

Dass sich die Entscheidungsgründe mit einem bestimmten Gesichtspunkt nicht ausdrücklich auseinandersetzen, rechtfertigt nicht die Annahme, das Gericht habe den Gesichtspunkt unter Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör übergangen. Der Anspruch auf rechtliches Gehör ist erst dann verletzt, wenn sich aus den besonderen Umständen des Einzelfalls ergibt, dass das Gericht das Vorbringen entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder bei seiner Entscheidung ersichtlich nicht in Erwägung gezogen hat.[3]

Fehlt es an einem schlüssigen Vortrag, ist die Rüge – ebenso wie eine daneben erhobene Gegenvorstellung – als unzulässig zu verwerfen.[4] Die Darlegung erfordert ein Mindestmaß an Klarheit und Nachvollziehbarkeit. Daran kann es bei lediglich zusammenkopierten Schriftsätzen ohne konkreten Sachbezug fehlen.[5]

[3] BFH v. 2.6.2023, IX S 6/21, BFH/NV 2023, 985; BFH v. 14.6.2023, IX S 4/21, BFH/NV 2023, 984.

3.4.3.1 Darlegung der Gehörsverletzung

 

Rz. 21

Abs. 1 S. 1 Nr. 2 hebt besonders hervor, dass die Gehörsverletzung entscheidungserheblich sein muss. Das ist in der Rügebeg...

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