7.1 Allgemeines

 

Rz. 45

Entsprechend der Bindung an das Klagebegehren in der ersten Instanz[1] ist der BFH als Revisionsinstanz an das Revisionsbegehren gebunden. Das bedeutet zum einen, dass der BFH dem Revisionskläger nicht mehr zusprechen kann, als von diesem mit seinem Revisionsantrag begehrt wird.[2] Zum anderen ist – ebenso wie im Klageverfahren – wegen der Bindung an den Antrag[3] auch im Revisionsverfahren eine Entscheidung über den Revisionsantrag hinaus zum Nachteil des Revisionsklägers, d. h. eine sog. "Verböserung" ausgeschlossen. Der BFH darf die Rechtsstellung des Revisionsführers, wie sie sich aus dem FG-Urteil ergibt, nicht zu dessen Ungunsten ändern[4], es sei denn, der Revisionsbeklagte legt seinerseits Anschlussrevision[5] ein; dann kann das Ergebnis des FG im Rahmen der Anschlussrevision auch zum Nachteil des Revisionsklägers geändert werden.

 

Rz. 46

Abs. 3 setzt eine zulässige Revision voraus. Er bestimmt, nach welchen Kriterien der BFH (innerhalb des Revisionsbegehrens) das angefochtene FG-Urteil auf seine Rechtmäßigkeit hin zu überprüfen hat.

Das Verfahren über die Zulassung der Revision ist dafür nicht entscheidend. Der Revisionskläger braucht sich daher nicht mit den Gründen, aus denen das FG oder der BFH die Revision zugelassen hat, auseinanderzusetzen. Eine Bindung an die geltend gemachten oder berücksichtigten Zulassungsgründe besteht nicht.[6] Hat z. B. das FG oder der BFH die Revision aus materiell-rechtlichen Gründen zugelassen, können mit der Revision auch Verfahrensfehler gerügt und vom BFH geprüft werden (Grundsatz der Vollrevision). Umgekehrt können bei einer Zulassung wegen Verfahrensfehlern uneingeschränkt auch materiell-rechtliche Rügen vorgetragen werden.[7]

7.2 Verfahrensrevision (§ 118 Abs. 3 S. 1)

 

Rz. 47

Stützt der Revisionskläger die Revision ausschließlich auf Verfahrensmängel (Verfahrensrevision) oder entsprechen die daneben erhobenen materiell-rechtlichen Rügen nicht den Zulässigkeitsanforderungen, hat der BFH nur über die Verfahrensmängel zu entscheiden.[1] Die Prüfung beschränkt sich auf die geltend gemachten Verfahrensmängel. Der BFH hat nicht zu untersuchen, ob daneben weitere – nicht gerügte – Verfahrensmängel vorliegen.

Über materielles Recht wird dann nur entschieden, wenn zugleich ein Fall grundsätzlicher Bedeutung[2] oder die Voraussetzungen der Rechtsfortbildung bzw. der Sicherung der Rechtsprechungseinheit[3] vorliegen.[4] Liegen diese Voraussetzungen, die der BFH von Amts wegen prüft, nicht vor, muss, wenn die Verfahrensrüge durchgreift, grundsätzlich die Vorentscheidung ohne Entscheidung über die materiell-rechtliche Frage aufgehoben und die Sache zurückverwiesen werden.[5]

Eine Zurückverweisung scheidet nach § 126 Abs. 4 FGO allerdings aus, wenn sich das Urteil aus anderen Gründen als richtig erweist. Bei der Prüfung der Ergebnisrichtigkeit ist der BFH nicht an die Beschränkung des § 118 Abs. 3 S. 1 FGO gebunden.[6] Das bedeutet, dass der BFH, auch wenn ausschließlich Verfahrensrügen erhoben wurden, gleichwohl prüfen kann, ob das FG-Urteil im Ergebnis aus materiell-rechtlichen Gründen im Ergebnis zutreffend ist. Ebenso kann – trotz der Kausalitätsvermutung des § 119 Nr. 3 FGO – im Falle einer Gehörsverletzung nach § 126 Abs. 4 FGO verfahren werden, wenn dieser Verfahrensmangel nur einzelne Feststellungen betrifft, auf die es aus der Sicht der Revisionsinstanz unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ankommt.[7]

Nur wenn die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 Nr. 1 bzw. 2 FGO gegeben sind, ist das FG-Urteil auf eine reine Verfahrensrüge auch in materiell-rechtlicher Hinsicht voll umfänglich zu überprüfen. Die Revision hat somit keinen Erfolg, wenn ausschließlich Verfahrensfehler gerügt werden und diese entweder nicht vorliegen oder nicht ordnungsgemäß gerügt werden, sofern nicht die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 Nr. 1 bzw. Nr. 2 FGO vorliegen. Das gilt selbst dann, wenn das FG-Urteil nach Auffassung des BFH gegen materielles Recht verstößt.

Der Revisionskläger kann daher den Prüfungsumfang durch Erhebung materiell-rechtlicher Rügen erweitern. Dies dürfte sich regelmäßig empfehlen. Die Rüge muss allerdings den Begründungsanforderungen des § 120 Abs. 3 FGO genügen.[8] Bloße formelhafte Wendungen, hilfsweise oder vorsorglich werde auch die Verletzung materiellen Rechts gerügt, reichen nicht.[9]

Erhebt der Revisionsbeklagte Gegenrügen, wird die Prüfungsbefugnis des BFH entsprechend erweitert.[10]

Die Verfahrensrevision setzt voraus, dass ein formeller M...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Steuer Office Excellence. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge