Rz. 3

Die Rechtsverletzung muss sich auf eine Rechtsnorm beziehen. Rechtsnormen sind

  • Gesetze,
  • Rechtsverordnungen[1],
  • autonome Satzungen (juristischer Personen des öffentlichen Rechts),
  • Gewohnheitsrecht,
  • Völkerrecht, die allgemeinen Regeln gem. Art. 25 S. 1 GG sowie die nach Art. 59 Abs. 2 GG transformierten völkerrechtlichen Verträge, insbesondere die Doppelbesteuerungsabkommen,
  • Gemeinschaftsrecht, supranationales Recht, s. Rz. 6,
  • Recht der ehemaligen DDR, s. Rz. 6.
 

Rz. 4

Keine Rechtsnormen und damit grundsätzlich nicht revisibel sind (norminterpretierende) Verwaltungsanweisungen (Richtlinien, BMF-Schreiben, Erlasse usw.), da sie lediglich den Rechtsstandpunkt der Verwaltung zum Gesetzesverständnis wiedergeben und nicht für den Stpfl., sondern nur für die nachgeordneten Behörden und Bediensteten – und damit nicht auch für die Gerichte – bindend sind.[2] Auf ihre Einhaltung oder Verletzung kann sich der Stpfl. ebenso wie im FG-Verfahren auch im Revisionsverfahren nicht berufen. Eine mit einem Gesetz oder einer Rechtsverordnung vergleichbare Bindung ergibt sich grundsätzlich auch nicht aus dem Grundsatz von Treu und Glauben.[3] Es handelt sich um Willenserklärungen der Verwaltung ohne Rechtsnormqualität, die als solche nicht revisibel sind.[4] Die Gerichte dürfen eine Verwaltungsvorschrift selbst dann nicht anwenden, wenn sie für den Stpfl. günstiger ist als der Standpunkt des Gerichts.[5] Für die Auslegung einer Verwaltungsvorschrift ist im Übrigen entscheidend, wie die Verwaltung sie versteht, nicht wie das Gericht sie verstehen würde, wenn sie Gesetz wäre.[6] Den Gerichten steht keine davon abweichende Auslegungsbefugnis zu.[7] Die Gerichte dürfen Verwaltungsanweisungen nur darauf überprüfen, ob die Auslegung durch die Behörde möglich ist.[8]

Nur ausnahmsweise kommt Verwaltungsanweisungen Rechtsnormcharakter (Außenwirkung) zu, z. B. bei Regelungen zur Sachverhaltsermittlung (Schätzung) mangels leicht feststellbarer und nachprüfbarer Maßstäbe durch typisierende Pauschalregelungen wie Bewertungsrichtlinien, Typisierungsvorschriften wie AfA-Tabellen[9], Richtsatzsammlungen und Pauschbeträge (Kilometersätze und Verpflegungsaufwand) bei Dienstreisen.[10] Solche Regelungen sind unter dem Gesichtspunkt der Selbstbindung der Verwaltung und der Gleichmäßigkeit der Besteuerung auch von den Gerichten zu beachten. Das gilt nur dann nicht, wenn sie im Regelfall zu einer offensichtlich unzutreffenden Besteuerung führen würden.[11]

Auch bei einer (zulässigen) Konkretisierung des der Verwaltung eingeräumten Ermessens für gleichliegende Fälle durch Ermessensrichtlinien hat die Verwaltung ihre Anordnung allgemein anzuwenden (Selbstbindung der Verwaltung), da sie ansonsten den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verletzt; insoweit sind ihre Billigkeitsentscheidungen gerichtlich überprüfbar.[12] Der Stpfl. hat einen Anspruch darauf, nach Maßgabe der Richtlinie besteuert zu werden. Das gilt aber dann nicht, wenn die Billigkeitsregelung den gesetzlich vorgesehenen Rahmen überschreitet, d. h. die Voraussetzungen der Billigkeit i. S. v. §§ 163, 227 AO nicht gegeben sind.[13] Dabei ist nicht entscheidend, wie das FG die Verwaltungsanweisung versteht, sondern wie die Verwaltung sie verstanden wissen wollte. Die FG können nur unterbinden, dass die Verwaltung in Einzelfällen, die von der Anweisung gedeckt werden, willkürlich abweicht.[14]

Über eine abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen muss grundsätzlich in einem eigenständigen Verwaltungsverfahren, an das sich ein selbstständiges Gerichtsverfahren anschließen kann, entschieden werden.[15]

 

Rz. 5

Einzelne Ermessensentscheidungen, die der Finanzbehörde einen gewissen Spielraum gewähren, sind gerichtlich nur beschränkt überprüfbar.[16] Der BFH ist nur befugt, die Vorentscheidung auf Ermessensfehler zu überprüfen.[17]

Unbestimmte Rechtsbegriffe[18] und allgemeine Rechtsgrundsätze[19] haben Rechtsnormcharakter und sind in vollem Umfang revisibel. Sie müssen wertend ausgelegt werden. Die Gerichte sind jedoch an die Auslegung durch die Verwaltung nicht gebunden. Sie müssen der Verwaltungsauffassung nur dann folgen, wenn sie den gesetzlichen Vorgaben entspricht.

Eine Ausnahme davon besteht nur, wenn das Gesetz der Verwaltung einen Beurteilungsspielraum gewährt, innerhalb dessen sie die Auslegung selbst vornehmen kann. Hält sich die Verwaltungsanweisung in diesem Rahmen, ist sie für die Gerichte bindend.[20] Aufgrund der Selbstbindung der Verwaltung hat der Einzelne dann einen Rechtsanspruch auf Anwendung der Anweisung.[21]

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