3.1 Allgemeines

 

Rz. 13

Das Verfahren vor dem GrS ist ein BFH-internes Zwischenverfahren.[1] Da im Fall der beabsichtigten Abweichung in einer Rechtsfrage (Rz. 3) für den erkennenden Senat (Rz. 1) unter den Voraussetzungen des § 11 Abs. 2, 3 FGO eine Vorlagepflicht an den GrS wegen dieser Rechtsfrage besteht, ist dieser gesetzlicher Richter i. S. v. Art. 101 Abs. 1 GG.[2]

 

Rz. 14

Die Verletzung der Vorlagepflicht berührt die Rechtswirksamkeit der mit der divergierenden Rechtsauffassung getroffenen Entscheidung des erkennenden Senats (Rz. 1) grundsätzlich nicht. Diese abweichende Entscheidung hebt nicht die Verpflichtung zur Vorlage an den GrS für spätere, von der übergangenen Entscheidung abweichende Entscheidungen auf.[3] Die Vorlagepflicht besteht auch, wenn von der abweichenden Entscheidung wieder abgewichen und zur Rechtsauffassung der übergangenen Entscheidung zurückgekehrt werden soll.[4]

 

Rz. 15

Eine auf die Verletzung des Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG, also des Anspruchs auf den gesetzlichen Richter (Rz. 13), gestützte Verfassungsbeschwerde (Rz. 28) ist nur dann begründet, wenn die Vorlage in sachfremder Willkür unterlassen worden ist.[5] Auch die Auslegung und Anwendung des § 267 AEUV verletzt nur dann Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG, wenn sie bei verständiger Würdigung der das GG beherrschenden Gedanken nicht mehr verständig erscheint und offensichtlich unhaltbar ist.[6]

 

Rz. 16

Bei willkürlicher Missachtung der Vorlagepflicht kommt wegen der Verletzung des Anspruchs auf den gesetzlichen Richter (Rz. 13) auch nach § 134 FGO i. V. m. § 579 Abs. 1 Nr. 1 ZPO die Wiederaufnahme des abgeschlossenen Verfahrens durch die Nichtigkeitsklage in Betracht.[7]

[1] Kopp/Schenke, VwGO, 25. Aufl. 2019, § 11 VwGO Rz. 1; Brandis, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 11 FGO Rz. 1; Teller, in Gräber, FGO, 9. Aufl. 2019, § 11 FGO Rz. 2; Sunder-Plassmann, in HHSp, AO/FGO, § 11 FGO Rz. 112.
[4] Teller, in Gräber, FGO, 9. Aufl. 2019, § 11 FGO Rz. 10.
[5] Brandis, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 11 FGO Rz. 20; Kopp/Schenke, VwGO, 25. Aufl. 2019, § 11 VwGO Rz. 3; Teller, in Gräber, FGO, 9. Aufl. 2019, § 11 FGO Rz. 3 m. w. N.; Müller-Horn, in Gosch, AO/FGO, § 11 FGO Rz. 33; Sunder-Plassmann, in HHSp, AO/FGO, § 11 FGO Rz. 78 unter Hinweis auf BVerfG v. 11.5.1965, 2 BvR 259/63, BVerfGE 19, 38, 43; BFH v. 21.10.1985, GrS 2/84, BStBl II 1986, 207; BFH v. 1.12.1986, GrS 1/85, BStBl II 1987, 264; BFH v. 24.5.1989, V R 137/84, BStBl II 1989, 660.

3.2 Erkennender Senat

3.2.1 Anfrageverfahren

 

Rz. 17

Die Vorlage an den GrS wegen einer Abweichung in einer Rechtsfrage (Rz. 3) ist nur zulässig, wenn der erkennende Senat (Rz. 1) bei dem anderen Senat (Rz. 3) angefragt hat, ob er an seiner Rechtsauffassung festhalten will.[1]

Diese Erklärung des anderen Senats ist Zulässigkeitsvoraussetzung der Vorlage beim GrS. Gibt der andere Senat seine Rechtsauffassung, von der abgewichen werden soll, auf die Anfrage hin auf, so entfällt die Vorlage an den GrS.[2] Soll von den übereinstimmenden Entscheidungen mehrerer Senate abgewichen werden, so entfällt die Vorlage nur, wenn sämtliche anderen Senate ihre Rechtsauffassung aufgeben.[3]

Einer Anrufung des GrS bedarf es nur dann, wenn der andere Senat, von dessen Entscheidung abgewichen werden soll, weiterhin für die Entscheidung über diese Steuerart zuständig ist[4], nicht jedoch, wenn sich der Geschäftsverteilungsplan insofern geändert hat.[5]

 

Rz. 18

Soll von einer Entscheidung des GrS abgewichen werden, so ist eine Anfrage nicht zulässig. Eine erneute Anrufung des GrS wegen derselben Rechtsfrage ist darüber hinaus nur zulässig, wenn in der Zwischenzeit neue rechtliche Gesichtspunkte aufgetreten sind, die bei der ursprünglichen Entscheidung des GrS nicht berücksichtigt werden konnten und bzw. oder neue Rechtserkenntnisse eine andere Beurteilung der entschiedenen Rechtsfrage rechtfertigen könnten.[6]

3.2.2 Entscheidung

 

Rz. 19

Über die Anfrage und die Erklärung (Rz. 17) entscheiden nach § 11 Abs. 3 S. 3 FGO der erkennende und der andere Senat durch Beschluss in der für Urteile erforderlichen Besetzung.

 

Rz. 20

Der GrS (Rz. 1) entscheidet über die Vorlage beim GrS durch Beschluss in der für Urteile erforderlichen Vollbesetzung.[1]

 

Rz. 21

Entfällt nach der Vorlage beim GrS der Vorlagegrund, also vornehmlich die Abweichung (Rz. 3), weil der erkennende Senat seine abweichende Rechtsauffassung aufgegeben hat, so hat eine Zurücknahme der Vorlage zu erfolgen.[2] Diese gilt auch, wenn der andere ...

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