Rz. 4

Eine Ergänzung nach § 109 Abs. 1 FGO kommt nur in Betracht, wenn ein "nach dem Tatbestand von einem Beteiligten gestellter Antrag", d. h. ein im Tatbestand des Urteils gem. § 105 Abs. 3 S. 1 FGO erfasster prozessualer Anspruch, der ein bestimmtes Klagebegehren erkennen lässt, ganz oder teilweise vom Gericht übergangen, d. h. versehentlich nicht berücksichtigt worden ist.[1] Ist ein solcher Antrag aus dem Urteil nicht ersichtlich und wird er auch nicht aufgrund einer Berichtigung nach den §§ 107, 108 FGO zum Gegenstand des (berichtigten) Tatbestands, kommt eine Ergänzung nach § 109 FGO nicht mehr in Betracht.

 

Rz. 5

Eine Ergänzung nach § 109 FGO setzt darüber hinaus voraus, dass dem Übergehen eines aus dem Tatbestand ersichtlichen Antrags keine bewusste Entscheidung des Gerichts zugrunde liegt. Ein Antrag wird nur dann als übergangen i. S. d. § 109 FGO angesehen, wenn er versehentlich unberücksichtigt geblieben ist, nicht aber, wenn er rechtsirrtümlich nicht behandelt oder abgelehnt oder fehlerhaft ausgelegt wurde.[2] Eine versehentliche Nichtentscheidung durch das Gericht liegt jedenfalls nicht bei einer ggf. fehlerhaften Auslegung eines Rechtsbehelfsbegehren vor. Hierin kann allenfalls ein Verstoß gegen § 96 FGO und damit ein Verfahrensfehler vorliegen, der durch Einlegung einer Nichtzulassungsbeschwerde beim BFH geltend zu machen ist.[3] Hat das Gericht entschieden oder über den Antrag bewusst nicht entschieden und ist diese Entscheidung nur im Tenor nicht zum Ausdruck gekommen, was durch Auslegung der Entscheidungsgründe zu ermitteln ist, kann nach §§ 107, 108 FGO berichtigt werden.[4] Die Frage, ob ein Antrag ganz oder zum Teil übergangen worden ist, ist nach dem Inhalt der gerichtlichen Entscheidung zu beurteilen, dessen Ergänzung beantragt wird.[5] Eine Ergänzung von Teilurteilen i. S. d. § 98 FGO kommt hinsichtlich der dem Schlussurteil vorbehaltenen Teile des Klagebegehrens nicht in Betracht.[6]

 
Praxis-Beispiel
  • Der Tenor eines Urteils bescheidet nur einen von mehreren im Tatbestand bezeichneten Klageanträgen, die aber alle in den Entscheidungsgründen behandelt werden:

    => Berichtigung einer offenbaren Unrichtigkeit des Urteilstenor nach § 107 FGO.

  • Der Tenor eines Urteils bescheidet einen Klageantrag nicht, der in den Entscheidungsgründen aber behandelt worden ist:

    => Ergänzung des Urteilstenors nach § 109 FGO.

  • Ein gestellter Klageantrag wird nicht beschieden und ist auch in den Entscheidungsgründen nicht enthalten:

    => Tatbestandsberichtigung nach § 108 FGO zur Aufnahme des gestellten Klageantrags und Ergänzung des Urteilstenors nach § 109 FGO.

  • Der Tenor eines Urteils bescheidet einen Klageantrag nicht, weil das Gericht das Begehren unrichtig ausgelegt und deshalb das Vorliegen eines bescheidungsbedürftigen Sachantrags nicht festgestellt hat:

    => Nichtzulassungsbeschwerde mit der Rüge einer Verletzung des § 96 FGO.

 

Rz. 6

Da die Ergänzung durch Urteil nach mündlicher Verhandlung gem. § 109 Abs. 2 S. 2 FGO nur den noch nicht durch das unvollständige Urteil erledigten Teil des Rechtsstreits zum Gegenstand hat sind auch nur Sachanträge, d. h. die den Streitgegenstand bestimmenden Anträge i. S. d. § 65 FGO, erfasst (z. B. wenn das Gericht eine Entscheidung zu einzelnen Steuerarten oder Streitjahren oder zur Gewinnverteilung vergessen hat, was bei objektiver oder subjektiver Klagehäufung leicht passieren kann). Hiervon sind sowohl Haupt- als auch Hilfsanträge erfasst.[7] Nicht unter § 109 FGO fallen die sich nur auf den Verfahrensfortgang beziehenden prozessualen Anträge und Beweisanträge; d. h. auf das Übergehen selbständiger Angriffs- oder Verteidigungsmittel.[8] In diesen Fällen liegt allenfalls ein Begründungsmangel vor, der nur durch Rechtsmittel gerügt werden kann.[9]

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