3.1 Zeitpunkt des Betretens

 

Rz. 13

Das Betretungsrecht besteht nach § 99 Abs. 1 S. 1 AO nur innerhalb der üblichen Geschäfts- und Arbeitszeit. Grundsätzlich scheidet damit die Einnahme des Augenscheins an Sonn- und Feiertagen sowie zur Nachtzeit[1] aus. Ausnahmen sind in Absprache mit dem Duldungsverpflichteten zulässig. Die individuellen Geschäfts- und Arbeitszeiten des Betroffenen sind zu respektieren[2], solange die finanzbehördliche Ermittlungstätigkeit hierdurch nicht unverhältnismäßig beeinträchtigt wird[3].

 

Rz. 14

Häusliche Arbeitszimmer werden regelmäßig nicht in den üblichen Geschäfts- und Arbeitszeiten genutzt, sondern wegen der außerhäuslichen Tätigkeiten vielmehr in den Abendstunden und am Wochenende. Deshalb sollte es der Finanzbehörde gestattet sein, den Zutritt zum Arbeitszimmer wenigstens in den frühen Abendstunden verlangen zu können[4].

[1] § 104 Abs. 3 StPO: April ­bis September von 21.00 Uhr bis 4.00 Uhr; Oktober bis März von 21.00 Uhr bis 6.00 Uhr.
[3] Schuster, in HHSp, AO/FGO, § 99 AO Rz. 27.
[4] Schuster, in HHSp, AO, § 99 Rz. 27; Roser, in Beermann/Gosch, AO/FGO, § 99 AO Rz. 15; a. A. FG Düsseldorf v. 14.10.1992, 5 K 144/90 E, EFG 1993, 64, demzufolge die Besichtigung eines Arbeitszimmers nach 19.00 Uhr generell unzulässig sein soll; sich anschließend Rätke, in Klein, AO, 11. Aufl. 2012, § 99 AO Rz. 4.

3.2 Benachrichtigung des Betroffenen

 

Rz. 15

Die Finanzbehörde soll die betroffenen Personen nach § 99 Abs. 1 S. 2 AO angemessene Zeit vor der beabsichtigten Maßnahme benachrichtigen. Hiervon ist nur im Ausnahmefall, nämlich bei sonst drohender Gefährdung oder Vereitelung des Beweiszwecks[1], abzusehen[2]. Dies ist immer dann der Fall, wenn ernsthaft zu befürchten ist, dass der Betroffene den Gegenstand des Augenscheins verändern, wegschaffen, verstecken oder vernichten wird[3].

 

Rz. 16

Zur Frage, ob es erforderlich ist, auch vor der Besichtigung eines häuslichen Arbeitszimmers den Stpfl. zu benachrichtigen, sind in der Lit. im Anschluss an FG Niedersachsen v. 9.3.1993, VII 314/90, EFG 1994, 182 Meinungsverschiedenheiten aufgetreten. Auf der einen Seite wird die – Unterstützung verdienende – Ansicht vertreten, dass in diesen Fällen eine vorherige Benachrichtigung wegen drohender Vereitelung des Kontrollzwecks regelmäßig unterbleiben könne (Rößler, StBp 1994, 282; Helsper, in Koch/Scholtz, AO, 5. Aufl. 1996, § 99 AO Rz. 8; Schuster, in HHSp, AO/FGO, § 99 AO Rz. 30; Wagner, in Kühn/v. Wedelstädt, AO/FGO, 20. Aufl. 2011, § 99 AO Rz. 4). Dem steht der Standpunkt gegenüber, dass auch bei Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer die Richtigkeitsvermutung der Steuererklärung gelten müsse und deshalb eine vorherige Information generell erforderlich sei[4].

 

Rz. 17

Durch die Benachrichtigung soll dem Betroffenen die Gelegenheit gegeben werden, an der Augenscheinseinnahme teilzunehmen[5]. Die Teilnahme des Betroffenen sowie ggf. des Beteiligten wird im Regelfall auch zweckmäßig sein. Beide Personen haben aber kein Recht auf Anwesenheit. Der Gesetzgeber befürchtete offenbar eine unangemessene Verzögerung des Besteuerungsverfahrens[6]. Die Finanzbehörde sollte jedoch sowohl die Anwesenheit des Inhabers der Sachherrschaft als auch des Eigentümers zulassen, soweit dadurch der Zweck der Augenscheinseinnahme nicht beeinträchtigt wird. Gewisse Verzögerungen sind hinzunehmen[7]. Die ­Finanzbehörde muss einem nicht anwesenden Beteiligten zu den Ergebnissen der Augenscheinseinnahme aber jedenfalls rechtliches Gehör gewähren[8]. Im Einspruchsverfahren ist außerdem § 365 Abs. 2 AO zu beachten.

 

Rz. 18

Soll der Beteiligte, der nicht Inhaber der Sachherrschaft ist, an der Augenscheins­einnahme teilnehmen, so ist auch er zu benachrichtigen. Das Betreten des Objekts durch den Beteiligten hängt in diesem Fall aber vom Einverständnis des unmittelbaren Besitzers ab. Dieses kann nicht durch die Finanzbehörde erzwungen werden[9].

 

Rz. 19

Die Benachrichtigung der betroffenen Personen soll angemessene Zeit vor Durchführung der Maßnahme erfolgen. Die Angemessenheit richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls. Normalerweise wird es genügen, wenn die Finanzbehörde den Betroffenen vier Wochen vor dem Besichtigungstermin über die vorgesehene Maßnahme informiert[10].

[2] Seer, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 99 AO Rz. 12; Roser, in Beermann/Gosch, AO/FGO, § 99 AO Rz. 18; Helsper, in Koch/Scholtz, AO, 5. Aufl. 1996, § 99 AO Rz. 8; FG Niedersachsen v. 9.3.1993, VII 314/90, EFG 1994, 182.
[3] Schuster, in HHSp, AO/FGO, § 99 AO Rz. 29.
[4] Gosch, StBp 1994, 123, 283; Gretter, BB 1994, 1393, 1755; wohl auch Roser, in Beermann/Gosch, AO/FGO, § 99 AO Rz. 28.
[5] Rätke, in Klein, AO, 11. Aufl. 2012 § 99 AO Rz. 6.
[6] BT-Drs. VI/1982, 136.
[7] Seer, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 99 AO Rz. 13.
[8] vgl. § 98 AO Rz. 8b.
[9] Wünsch, in Pahlke/Koenig, AO, 2. Aufl. 2009, § 99 AO Rz. 11; Schuster, in HHSp, AO/FGO, § 99 AO Rz. 34.
[10] Roser, in Beermann/Gosch, AO/FGO, § 99 AO Rz. 18.

3.3 Feststellungen im Besteuerungsinteresse

 

Rz. 20

Grundstücke und Räume dürfen nur betreten werden, soweit dies e...

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