Rz. 29

Nach § 97 Abs. 2 S. 1 AO i. d. F. des Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetzes kann die Finanzbehörde die Vorlage von Urkunden an Amtsstelle verlangen oder diese beim Vorlagepflichtigen einsehen. Die Einsicht und Prüfung beim Vorlagepflichtigen kommt jedoch nur in Betracht, wenn dieser einverstanden ist oder die Urkunden für eine Vorlage an Amtsstelle ungeeignet sind. Das Gesetz geht davon aus, dass die Vorlage an Amtsstelle für den Betroffenen grundsätzlich eine geringere Belastung darstellt. Außerdem soll die Finanzbehörde ihre Prüfung mit der gebotenen Sorgfalt und ungestört von äußeren Einflüssen vornehmen können. Der Vorlagepflichtige kann nicht beanspruchen, dass die Finanzbehörde vorzulegende Urkunden bei seinem steuerlichen Berater einsieht und prüft.[1]

 

Rz. 30

Die Urkunden sind nicht zur Vorlage an Amtsstelle geeignet, wenn sie wegen ihres Umfangs nicht ohne Weiteres transportiert werden können (z. B. Buchführungsunterlagen) oder nur mit besonderen technischen – an Amtsstelle nicht zur Verfügung stehenden – Hilfsmitteln reproduzierbar sind.[2] Zur Überlassung an Amtsstelle ungeeignet können Urkunden ferner sein, wenn sie Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse beinhalten oder besonders wertvoll sind. Sind die Urkunden zur Vorlage an Amtsstelle ungeeignet, so kommt es auf ein Einverständnis des Betroffenen nicht an.[3] Die Finanzbehörde kann für den Fall, dass der Betroffene die Einsichtnahme der Urkunde in seinen Wohn- oder Geschäftsräumen verweigert, den Zutritt nicht erzwingen. Denn § 99 AO gewährt ein Betretungsrecht nur Amtsträgern und Sachverständigen, die den Augenschein einnehmen wollen.[4] Die Finanzbehörde kann die Weigerung aber jedenfalls dann zulasten des Beteiligten würdigen, wenn keine Möglichkeit zur Einsicht und Prüfung an Amtsstelle besteht.

 

Rz. 31

Die auf § 97 Abs. 2 AO i. d. F. des Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetzes gestützte Vorlage von Urkunden in den Räumlichkeiten des Vorlagepflichtigen ist keine Außenprüfung i. S. d. §§ 193ff. AO.[5] Im Rahmen der Außenprüfung richtet sich das Vorlageersuchen nach § 200 Abs. 2 AO, dass vergleichbar der Auswahl des Ortes der Außenprüfung die Vorlage in erster Linie in den Geschäftsräumen des Stpfl. vorsieht. Eine Beschränkung des Rechts der Finanzbehörden, die Unterlagen im Rahmen der Durchführung einer Außenprüfung oder aber auch im Rahmen eines anderen Verfahrens zu erhalten, ist hierin indes nicht zu erkennen. Insbesondere bedarf es hierzu keines Fehlens eines geeigneten Geschäftsraums wie in § 202 Abs. 2 S. 1 AO vorbehalten. Der prüfenden Person kann auch dann, wenn sie sich zur Prüfung in den Geschäftsräumen des Stpfl. entschieden hat, die Übersendung von Unterlagen an Amtsstelle verlangen. Dies wird z. B. angezeigt sein, wenn zusätzliche Expertise von Fachprüfern eingeholt oder die prüfende Person das Dokument wegen fehlender Sprachkenntnisse nicht ausreichend würdigen kann. Auch die Vorschriften zu den Vorlagepflichten im Rahmen einer Umsatzsteuer-Nachschau[6] sind gegenüber dem eine Einzelermittlungsmaßnahme regelnden § 97 Abs. 2 AO n. F. spezieller.

[1] FG Berlin v. 22.9.1970, III 154/69, EFG 1971, 102.
[2] Schuster, in HHSp, AO/FGO, § 97 AO Rz. 49; Seer, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 97 AO Rz. 13.
[3] Klein/Rätke, AO, 16. Aufl. 2022, § 97 Rz. 20; Koenig/Haelmann, AO, 4. Aufl. 2021, § 97 Rz. 14.
[4] Helsper, in Koch/Scholtz, AO, 5. Aufl. 1996, § 97 Rz. 10.
[5] Seer, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 97 AO Rz. 13.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Steuer Office Excellence. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge