Rz. 5
§ 28 Abs. 1 VwVfG gewährt das rechtliche Gehör als verfahrensrechtlichen Anspruch ("ist"). Für das Besteuerungsverfahren sieht § 91 Abs. 1 S. 1 AO hingegen nur eine Sollvorschrift vor. Die Finanzbehörde "soll" dem Beteiligten vor Erlass eines belastenden Verwaltungsakts die Gelegenheit geben, sich zu den entscheidungserheblichen Tatsachen zu äußern. Es steht im pflichtgemäßen Ermessen[1] der Finanzbehörde, ob sie den Beteiligten anhört.[2] Der Finanzbehörde wird also keine strikte Verpflichtung zur Gewährung rechtlichen Gehörs auferlegt. Sollvorschriften räumen der Verwaltung allerdings nur ein stark eingeschränktes Ermessen ein (vgl. § 5 Rz. 16). Die Finanzbehörde darf nur in atypischen Ausnahmefällen von der für alle typischen Fälle angeordneten Rechtsfolge abweichen.[3] Im Regelfall reduziert sich das Ermessen deshalb auf Null[4], sodass im Ergebnis kein Unterschied zwischen § 91 Abs. 1 AO und § 28 Abs. 1 VwVfG besteht.
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