Rz. 13

Die Ausnahmeregelung des § 9 S. 3 AO knüpft an den RdF-Erlass v. 10.7.1939[1] an. Die FÄ waren nach dem RdF-Erlass v. 10.7.1939[2] angewiesen, im Interesse der Förderung des Fremdenverkehrs und der deutschen Devisenwirtschaft auch nach Ablauf der Sechs-Monatsfrist keinen gewöhnlichen Aufenthalt von Ausländern anzunehmen, wenn sich Ausländer zu Erholungs-, Sport- oder Kurzwecken länger als sechs Monate und nicht länger als ein Jahr im Inland aufhielten. Dieser Erlass wurde bis zum Inkrafttreten der AO 1977 angewendet.[3] In Anlehnung an den RdF-Erlass v. 10.7.1939[4] sieht § 9 S. 3 AO für längere Aufenthalte im Inland, wenn der Aufenthalt ausschließlich für "Besuchs-, Erholungs-, Kur- oder ähnlichen privaten Zwecken" genommen wird und nicht länger als 1 Jahr dauert, eine Ausnahme von der unwiderleglichen Vermutung des S. 2 vor. Bei Inlandsaufenthalten ausschließlich zu Besuchs-, Erholungs-, Kur- und ähnlichen Zwecken ist ein gewöhnlicher Aufenthalt unwiderleglich vor diesem Hintergrund nur anzunehmen, wenn die Anwesenheit ein Jahr überschreitet. Damit wird die 6-Monats-Frist für diese Fälle durch eine Jahresfrist ersetzt. Im Übrigen bleibt die Regelung des § 9 S. 2 AO anwendbar. Nach Ablauf eines Jahres gilt auch für privat motivierte Aufenthalte ein von Anfang an begründeter gewöhnlicher Aufenthalt.[5] § 9 S. 3 AO gilt auch für Krankenhausaufenthalte, die länger als 6 Monate, aber weniger als ein Jahr dauern. Die frühere abweichende BFH-Rspr. ist nach Einführung der Regelung des § 9 S. 3 AO nicht mehr zu übernehmen und bezog sich auf die Vorgängervorschrift des § 14 StAnpG, die eine § 9 S. 3 AO entsprechende Regelung nicht enthielt.[6] Zu beachten ist allerdings, dass die Einjahresfrist des § 9 S. 3 AO nicht zum Tragen kommen kann, wenn die Voraussetzungen des § 9 S. 1 AO erfüllt sind, da S. 3 lediglich S. 2 ergänzt, also keine unmittelbare Auswirkung auf S. 1 hat.[7]

 

Rz. 14

§ 9 S. 3 AO gilt – wie sich aus der expliziten Formulierung ergibt ("ausschließlich") – nur bei einer ausschließlichen Veranlassung durch in § 9 S. 2 AO ausdrücklich genannte oder "ähnliche private Zwecke". Eine berufliche oder geschäftliche Mitveranlassung schließt eine Verlängerung der notwendigen Aufenthaltsdauer für die Geltung einer unwiderleglichen Vermutung des gewöhnlichen Aufenthalts auf ein Jahr aus. Allerdings müssen gegenüber den privaten Zwecken vollkommen unbedeutende anderweitige Aufenthaltsgründe unberücksichtigt bleiben.[8] Aus der Formulierung "ähnliche private Zwecke" ist m. E. abzuleiten, dass nicht jeder private Zweck dazu führt, dass § 9 S. 3 AO anzuwenden ist. So ist z. B. ein Aufenthalt zur Stellung eines Asylantrags nicht mit Besuchs- oder Erholungszwecken vergleichbar.[9]

 

Rz. 15

Ändert sich bei zunächst geschäftlich veranlassten Aufenthalten der Verbleibensgrund vor Ablauf der 6-Monats-Frist in einen privaten Zweck, verlängert sich die Frist ebenfalls auf ein Jahr.[10] Wird die Geschäftsreise nach privat veranlasster Unterbrechung allerdings fortgesetzt und dauert der geschäftliche Aufenthalt insgesamt länger als 6 Monate an, bleibt es bei der Anwendung des § 9 S. 2 AO.[11] Beträgt beispielsweise die Gesamtdauer des ursprünglich geschäftlich veranlassten Aufenthalts 10 Monate und wird der Aufenthalt durch einen 3-monatigen Krankenhausaufenthalt unterbrochen, ist § 9 S. 2 AO anzuwenden.

[1] RStBl 1939, 826.
[2] RStBl 1939, 826.
[3] NRW BStBl II 1959, 77.
[4] RStBl 1939, 826.
[5] Betrachtung ex post, s. a. Rz. 6.
[6] Musil, in HHSp, AO/FGO, § 9 AO Rz. 41 f.; vgl. Rz. 7.
[7] Lediglich bei beabsichtigten Aufenthalten zwischen 6 Monaten und 1 Jahr kann der Zweck des Aufenthalts entsprechend § 9 S. 3 AO zu berücksichtigen sein, Rz. 6.
[8] Buciek, in Beermann/Gosch, AO/FGO, § 9 AO Rz. 57.
[9] Rz. 7 "Asylbewerber".
[11] Koenig/Koenig, AO, 3. Aufl. 2014, § 9 AO Rz. 21.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Steuer Office Excellence. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge