Rz. 54

Auf bloße Einzelfälle beschränkte Informationsbeschaffung ist umständlich, zeitaufwendig und angesichts der bestehenden technischen Möglichkeiten nicht mehr zeitgemäß. Eine wirksame, zeitnahe Bekämpfung länderübergreifender oder gerade international strukturierter Steuerverkürzungen erfordert eine technische Infrastruktur, die dem Bund und den Ländern den kurzfristigen und unkomplizierten automationsgesteuerten Zugriff auf alle relevanten Daten eines Falles eröffnet.

 

Rz. 55

Eine Sammlung oder Zusammenführung von personenbezogenen Daten auf Vorrat zu unbestimmten oder noch nicht bestimmten Zwecken ist mit dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung nicht vereinbar.[1] Es muss aufgrund konkreter Momente oder aufgrund allgemeiner Erfahrungen ein begründeter Anlass für die Heranziehung gerade der genutzten Daten gegeben sein.[2] Ein konkreter Verdacht, dass Steuern verkürzt werden, ist jedoch nicht erforderlich.[3] Ausreichend ist jedenfalls, wenn ein hinreichender Anlass für den Datenabgleich besteht (vgl. Rz. 21). Dies ist etwa gegeben, wenn Erfahrungen mit vergleichbaren Sachverhaltskomponenten eine Steuerverkürzung naheliegend erscheinen lassen.

 

Rz. 56

Je gewichtiger die drohende Rechtsgutsbeeinträchtigung und je weniger gewichtig der Grundrechtseingriff ist, desto geringer darf die Wahrscheinlichkeit sein, mit der auf eine erfolgte Verletzung des Rechtsguts geschlossen werden kann und desto weniger fundiert dürfen ggf. die Tatsachen sein, die dem Verdacht zugrunde liegen. Selbst bei höchstem Gewicht der Rechtsgutsbeeinträchtigung kann allerdings nicht auf das Erfordernis einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit verzichtet werden.[4] Dafür ist es ausreichend, dass die zuständige Stelle im Rahmen einer Prognoseentscheidung nach pflichtgemäßem Ermessen zu dem Ergebnis gelangt, dass die Datenheranziehung zu steuererheblichen Tatsachen i. S. d. § 88b AO zu führen vermag.[5] Auch der automatisierte Datenabgleich muss diese Handlungsprämissen in der Praxis abbilden.

 

Rz. 57

Dazu ist auch eine hinreichende Dokumentation der grundlegenden Ermittlungsziele des erfolgten Datenabgleichs und der tatsächlichen Ausführung erforderlich. Nur so kann auch den rechtsstaatlich erforderlichen Überprüfungsmöglichkeiten genügt werden.

[1] Seer, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 85 AO Rz. 40 m. w. N.
[2] BFH v. 16.5.2013, II R 15/12, DStRE 2013, 1068, 1072 Rz. 53; Klein/Rätke, AO, 15. Aufl. 2020, § 85 Rz. 15 m. w. N.
[3] Klein/Rätke, AO, 15. Aufl. 2020, § 85 Rz. 15 m. w. N.; a. A. Beckmann, NJW 2017, 971, 976.

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