5.1 Verfahrenshandlungen der Finanzbehörde – § 80 Abs. 5 S. 1 AO

5.1.1 Grundsatz

 

Rz. 49

Nach § 80 Abs. 5 S. 1 AO soll sich im Verwaltungsverfahren die Finanzbehörde zunächst an den Bevollmächtigten wenden, wenn dieser durch wirksame Vollmacht für das Verfahren bestellt ist. Dieser Grundsatz der vorrangigen Inanspruchnahme des Bevollmächtigten steht aber schon nach dem Wortlaut des § 80 Abs. 5 S. 1 AO unter dem Vorbehalt, dass sich der Umfang der Vertretungsmacht auf das gesamte Verwaltungsverfahren erstreckt. Ist nach dem Inhalt der Vollmacht der Beteiligte nur für Teilbereiche vertretungsberechtigt, so gilt die Regelung des § 80 Abs. 5 S. 1 AO nur für diesen Abschnitt und die hiermit zusammenhängenden Verfahrenshandlungen.[1]

Die Regelung des § 80 Abs. 5 S. 1 AO unterliegt also der Disposition des Beteiligten. Ergibt sich der Umfang der Vertretungsmacht nicht zweifelsfrei aus der Vollmachtserklärung, insbesondere der Vollmachtsurkunde, ist – sofern die Finanzbehörde nicht zweckmäßigerweise einen klarstellenden schriftlichen oder elektronischen Nachweis der Vollmacht verlangt – durch Auslegung der Umfang der Vertretungsmacht zu ermitteln. Es kommt hier also auf die Gestaltung des Einzelfalls an.

[1] S. z. B. für den sachlichen und zeitlichen Umfang einer einem LSt-Hilfeverein erteilten Vollmacht FG Münster v. 18.5.1977, V 1868/76 L, EFG 1977, 550.

5.1.2 Ermessensfreiheit bei der Anforderung von Mitwirkungshandlungen des Beteiligten

 

Rz. 50

Nur wenn sich der Umfang der Vertretungsmacht auf das gesamte Verfahren erstreckt, ergibt sich die Frage nach dem Umfang des durch die "Sollbestimmung" eingeräumten Ermessens der Finanzbehörde. Hierfür darf § 80 Abs. 5. 1 AO aber nicht isoliert betrachtet werden, sondern es ist die in § 80 Abs. 5 S. 2 AO getroffene Regelung zur Auslegung heranzuziehen.[1] Danach kann sich die Finanzbehörde dann an den Beteiligten selbst wenden, soweit eine Verpflichtung zur aktiven Mitwirkung besteht. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn der Beteiligte als ausschließlicher Wissensträger um Auskünfte gebeten werden muss. Nur bei Vorliegen "besonderer Gründe"[2] kann sich die Finanzbehörde dann aufgrund des sonst bestehenden intendierten Ermessens unmittelbar an den Beteiligten wenden.[3] In diesem Fall soll der Bevollmächtigte aber nach § 80 Abs. 5 S. 3 AO hierüber verständigt werden. Dem Bevollmächtigten soll durch die Information die Möglichkeit gegeben werden, die Interessen des Beteiligten im Verwaltungsverfahren wahrzunehmen. Die Information hat hierbei so rechtzeitig zu erfolgen, dass die Interessenwahrnehmung noch möglich ist. Die Verletzung der Informationspflicht ist ein Verfahrensfehler, der zur Rechtswidrigkeit der Verfahrenshandlung führt, wobei allerdings § 127 AO zu beachten ist.[4]

§ 80 Abs. 5 S. 2 AO ist als Ausnahmeregelung zu § 80 Abs. 5 S. 1 AO konzipiert, da eine gesetzliche Einschränkung der Regelung nicht vorgesehen ist, kehrt sich das Regel-Ausnahme-Verhältnis wegen der weitgehenden Mitwirkungspflichten im Besteuerungsverfahren aber praktisch häufig um.[5]

 

Rz. 51

Bei mehreren Bevollmächtigten kann sich die Finanzbehörde entsprechend § 189 Abs. 1 ZPO an einen von ihnen wenden.

[1] Drüen, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 80 AO Rz. 44.
[4] Söhn, in HHSp, AO/FGO, § 80 AO Rz. 233.
[5] Mues, in Gosch, AO/FGO, § 80 AO Rz. 66.

5.1.3 Bekanntgabe von Verwaltungsakten i. S. v. § 122 AO

 

Rz. 52

Nach § 122 Abs. 1 S. 1 AO ist ein Verwaltungsakt grundsätzlich dem Beteiligten bekannt zu geben, wobei nach § 122 Abs. 1 S. 3 AO die Finanzbehörde den Verwaltungsakt auch gegenüber einem Bevollmächtigten bekannt geben kann. Es steht daher grundsätzlich im Ermessen der Finanzbehörde, ob sie einen Verwaltungsakt dem Stpfl. selbst oder seinem Bevollmächtigten bekannt gibt. Für die Bekanntgabe von Verwaltungsakten wird § 122 AO als Spezialvorschrift durch die Regelung des § 80 Abs. 5 S. 1 AO nicht eingeschränkt.[1] § 122 AO findet auch dann Anwendung, wenn der Beteiligte zur Mitwirkung verpflichtet ist und ihm der Verwaltungsakt gem. § 80 Abs. 5 S. 2 AO unmittelbar bekannt gegeben werden könnte.[2]

 

Rz. 53

Nach § 80 Abs. 5 S. 4 AO i. V. m. § 122 Abs. 1 S. 4 AO soll ein Verwaltungsakt grundsätzlich dem Bevollmächtigten bekannt gegeben werden, wenn der Finanzbehörde eine schriftliche oder nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz elektronisch übermittelte Empfangsvollmacht vorliegt. Anderenfalls ist die Bekanntgabe unwirksam.[3] Die Finanzbehörde hat in diesem Fall aufgrund des intendierten Ermessens kein Wahlrecht mehr zwischen der Bekanntgabe des Verwaltungsakts an den Beteiligten und den Bevollmächtigten, sondern muss den Verwaltungsakt regelmäßig an den Bevollmächtigten bekannt geben.[4] Eine Verpflichtung zur Bekanntgabe eines Verwaltungsakts an den Bevollmächtigten besteht hierbei dann, wenn ein Bevollmächtigter eindeutig und unmissverständlich auch als Bekanntgabeadressat bestellt worden ist und sich dies unmittelbar aus einer diesbezüglichen Erklärung des Stpfl. ergibt.[5] Dies ist insbesondere auch dann der Fall, wenn sich die Vollmacht au...

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