Rz. 46

Für die zeitliche Beschränkung der Haftung ist der Zeitpunkt des Übergangs des Unternehmens (Teilbetriebs) maßgebend. Geschieht der Übergang in mehreren Teilakten (vgl. Rz. 4), so ist der Zeitpunkt des letzten Teilakts entscheidend. Nach diesem Zeitpunkt richten sich die zeitlichen Beschränkungen.[1]

 

Rz. 46a

Die Haftung erstreckt sich nur auf die o. g. Ansprüche, soweit sie:

• seit dem Beginn des letzten vor der Übereignung liegenden Kalenderjahres entstanden (nicht notwendig fällig) sind. Die Entstehung von Ansprüchen ist in § 38 AO bzw. in den Einzelsteuergesetzen geregelt. Fällt der Zeitpunkt der Entstehung in die Zeit seit Beginn des letzten Jahres vor der Übertragung des Unternehmens oder Teilbetriebs, so kann § 75 AO angewendet werden. Liegt er unmittelbar vor dem Beginn des Kalenderjahres wie z. B. bei der USt für Dezember des Vorjahres, die mit Ablauf des Dezembers entsteht, so scheidet eine Haftung aus. Nicht erforderlich ist dagegen, dass die Steuer bis zum Übertragungsvorgang im rechtstechnischen Sinn bereits entstanden war. Entscheidend ist vielmehr, dass sie in diesem Zeitpunkt durch Verwirklichung der — durch Gesetz allerdings für Zeiträume zusammengefassten — Einzeltatbestände begründet worden waren. Nach Sinn und Zweck der Haftungsvorschrift muss für diese Fälle eine Haftung angenommen werden. Das gilt z. B. für die Fälle des Übergangs des Unternehmens oder Teilbetriebs während eines Voranmeldungszeitraums, für die gem. § 13 Abs. 1 UStG die USt erst mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums entsteht, also auch für die Umsätze des Veräußerers bis zum Zeitpunkt des Übergangs. Das galt bis zum Wegfall der Steuerbarkeit der Geschäftsveräußerung durch Einfügung des § 1 Abs. 1a UStG ab 1.1.1994 insbesondere für die USt des Übertragungsvorgangs selbst, die nach § 13 UStG rechtstechnisch erst mit dem Ablauf des Voranmeldezeitraums, also nach der Übertragung, entstand.[2]

Der Erwerber haftet also für die in einem Zeitraum von längstens zwei Jahren vor der Übereignung entstandenen Ansprüche. Maßgeblich für die Fristberechnung ist der Tag der tatsächlichen Geschäftsübergabe bzw. des Beginns der unternehmerischen Tätigkeit mit dem übergegangenen Geschäft, wenn sich die Übergabe auf einen längeren Zeitraum erstreckt.[3]

 

Rz. 47

• bis zum Ablauf von einem Jahr nach Anmeldung der Übernahme durch den Erwerber festgesetzt oder angemeldet werden.[4] Diese Befristung soll dem Interesse des Erwerbers Rechnung tragen, schnell über eine bestehende Haftung informiert zu werden.[5] Bei Ungewissheit über möglicherweise noch bekannt werdende, unter § 75 AO fallende Steuern des Veräußerers helfen mit Zustimmung des Veräußerers[6] eingeholte Auskünfte des FA nicht, da das FA Ergebnisse aus einer Außenprüfung nicht voraussehen kann. Die in Rede stehende Vorschrift soll Ungewissheit und Risiko zeitlich auf ein Jahr ab Anmeldung der Übernahme beschränken, so dass die Parteien des Übertragungsgeschäfts durch Kaufpreisrückbehalt oder auf eine ähnliche Weise Vorsorge treffen können. Der Erwerber muss also in eigenem Interesse seinen Anzeigepflichten nach §§ 138, 139 AO möglichst schnell nachkommen. Nur er, nicht dagegen der Veräußerer, kann den Erwerb mit Fristauslösung anzeigen.[7] Wird zwar innerhalb des Jahres ab Anmeldung die Steuer gegen den Veräußerer (z. B. wegen Unauffindbarkeit) nicht festgesetzt, jedoch die Haftung gegen den Erwerber, so reicht diese trotz des Wortlauts wegen des Sinn und Zwecks der zeitlichen Schutzvorschrift aus.[8]

 

Rz. 48

Die Anmeldung i. S. einer Benachrichtigung hat mit ihrem Eingang beim FA die gewünschten Folgen. Sie kann unmittelbar beim FA angebracht werden oder aber über die Gemeindebehörde zum FA gelangen.[9] Ist für den Erwerber ein anderes FA als für den Veräußerer örtlich zuständig (z. B. wenn das übernommene Unternehmen mit Geschäftsleitung im Bezirk eines FA nur eine auswärtige Betriebsstätte des anderweitig geführten Unternehmens des Erwerbers wird), so ist für die Anmeldung das FA des Erwerbers zuständig.

 

Rz. 49

Der Erwerb, also der tatsächliche Übergang, kann erst nach seinem Vollzug angemeldet werden. Eine frühere Anmeldung könnte nur den beabsichtigten, eventuell bevorstehenden Erwerb betreffen und nicht "den Erwerb anmelden". Sie reicht deswegen nicht aus und erhält auch nicht ab dem Erwerbszeitpunkt (= Entstehung des Haftungsanspruchs) automatisch Wirkung.[10]

[2] BFH v. 6.10.1977, V R 50/74, BStBl II 1978, 241 zu dem im Wortlaut abweichenden § 116 RAO; BFH v. 28.1.1982, V S 13/81, BStBl II 1982, 490; FG Baden-Württemberg v. 24.7.1981, IV 396/80, DStZ 1982, 106; a. A. Heinke, DStZ 1982, 107.
[3] Boeker, in HHSp, AO/FGO, § 75 AO Rz. 85; Loose, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 75 AO Rz. 56.
[4] Wegen der Festsetzung und Anmeldung s. die Erl. von Frotscher, in Schwarz/Pahlke, AO/FGO, zu §§ 155, 167, 168 AO.
[5] Vgl. BT-Drs. VI/1982, 121.
[7] Ebenso Loose, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 75 AO Rz. 58.
[8] A. A. Boeker, in HHSp, AO/FGO, § 7...

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