3.1 Steuerhinterziehung – Steuerhehlerei

 

Rz. 5

Die Steuerhinterziehung bzw. die Steuerhehlerei muss tatbestandsmäßig, rechtswidrig und vorsätzlich schuldhaft begangen worden sein.[1] Die Tat kann durch Handeln oder Unterlassung (unechtes Unterlassungsdelikt bei Rechtspflicht zum Handeln) getätigt worden sein. Zur Tatbestandsmäßigkeit gehört zwar die Verkürzung der Steuer. Diese erfordert jedoch nicht, dass der hinterzogene Betrag bei steuerehrlichem Verhalten dem Steuergläubiger zugeflossen wäre.[2] Zur Tatbestandsmäßigkeit der Steuerhehlerei gehört auch die Erfüllung des subjektiven Tatbestandsmerkmals der Bereicherungsabsicht. Die Tat muss vollendet sein. Ein Versuch ist nicht ausreichend, da es an der verkürzten Steuer fehlt, für die zur Beseitigung von Unrechtsfolgen gehaftet werden kann. Ist die Tat nur teilweise vollendet, teilweise jedoch im Versuch stecken geblieben, so kann die Haftung nur für den vollendeten Teil eintreten.[3] Die Straftat muss vorsätzlich begangen sein. Dabei reicht ein bedingter Vorsatz (dolus eventualis) aus, nicht dagegen die Leichtfertigkeit i. S. d. § 378 AO. Es dürfen keine Schuldausschließungsgründe vorhanden gewesen sein. Eine Verurteilung wegen der Steuerstraftat ist nicht erforderlich.[4] Zur Beihilfe eines Ehegatten zur Steuerhinterziehung des anderen Ehegatten durch Unterschrift unter die Steuererklärung s. BFH v. 16.4.2002, IX R 40/00, BStBl II 2002, 501; Jatzke, in Gosch, AO/FGO, § 71 AO Rz. 11.

Offenbleiben kann, ob der Haftungsschuldner Täter/Teilnehmer einer Steuerhinterziehung oder einer Steuerhehlerei gewesen ist, sofern nur feststeht, dass eine der beiden Alternativen erfüllt ist (Wahlfeststellung).[5]

Da die Anwendung des § 71 AO voraussetzt, dass der Tatbestand einer Steuerhinterziehung erfüllt ist, scheidet eine Haftung aus, wenn der mutmaßliche Haupttäter anonym ist. Voraussetzung ist es, dass die Tat festgestellt wird. Bei Zweifeln, ob und in welchem Umfang Steuerhinterziehungen begangen worden sind, muss daher wegen der Feststellungslast des FA eine Haftungsinanspruchnahme unterbleiben.[6]

[1] Dumke/Webel, in Schwarz/Pahlke, AO/FGO, § 369 AO Rz. 7 und Erl. zu § 370 AO; Nikolaus, in Schwarz/Pahlke, AO/FGO, Erl. zu§ 374 AO.
[3] H. M.; z. B. Boeker, in HHSp, AO/FGO, § 71 AO Rz. 13.
[5] Ebenso Halaczinsky, in Koch/Scholtz, AO, 5. Aufl. 1996, § 71 Rz. 4; Loose, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 71 AO Rz. 5; vgl. BFH v. 14.12.1951, II Z 127/51, BStBl III 1952, 21.
[6] BFH v. 15.1.2013, VIII R 22/10. BStBl II 2013, 526.

3.2 Ermittlungen und Entscheidung über die Voraussetzungen

 

Rz. 6

Über das Vorliegen der objektiven und subjektiven Voraussetzungen der Straftat entscheidet die für den Erlass des Haftungsbescheids zuständige Finanzbehörde.[1] Da es sich bei § 71 AO um eine steuerliche Haftungsbestimmung handelt, die dies nicht selbst fordert, ist für die Haftung auch nicht Voraussetzung, dass der Haftungsschuldner wegen des Delikts bestraft worden ist. Vielmehr ist es Aufgabe der Finanzbehörde, die Voraussetzungen der Haftungsinanspruchnahme einschließlich der Begehung der Steuerstraftat von Amts wegen zu ermitteln.[2] In diesem steuerlichen Verfahren gelten auch für die Ermittlung und Annahme der Straftat die steuerlichen, nicht dagegen die strafrechtlichen Grundsätze und Regeln.[3] Auch der strafrechtliche Grundsatz "in dubio pro reo" gilt für die Feststellung der Straftat nicht, sondern die steuerliche Feststellungslast des FA.[4] Leider werden die steuerlichen und strafrechtlichen Voraussetzungen und Verfahren häufig miteinander vermischt. So soll für die Feststellung des Vorsatzes zur Annahme einer Steuerhinterziehung für die Haftung nach § 71 AO eine Vernehmung des möglichen Haftungsschuldners als Beschuldigter erforderlich sein.[5] Demgegenüber sollen bei Schätzung der Steuer zwar für die Haftung nach § 71 AO nicht die strengen strafrechtlichen Verfahrensregeln gelten, aber auch nicht die Schätzung einfach übernommen werden können. Für die Haftung nach § 71 AO soll vielmehr der Verkürzungsbetrag verwendet werden können, von dessen Vorliegen das FA (bzw. das FG) überzeugt ist.[6]

 

Rz. 7

Ist ein Strafurteil gegen den Haftungsschuldner ergangen, so sind die Finanzbehörde und auch das FG weder an die dort getroffenen rechtlichen noch an die tatsächlichen Feststellungen gebunden[7], auch wenn auseinandergehende Entscheidungen stets misslich sind. Ebenso ist eine Beschränkung in der Selbstständigkeit der Entscheidung des FA oder des FG bei rechtskräftiger Strafverurteilung auf solche Fälle abzulehnen, in denen Anhaltspunkte für eine falsche Entscheidung des Strafgerichts gegeben sind.[8] FA und FG können sich grundsätzlich die Feststellungen des Strafgerichts zu eigen machen, wenn der Haftende dagegen keine substantiierten Einwendungen erhebt.[9] Auch die Entscheidung der Bußgeld- und Strafsachenstelle des FA bindet die für die Haftung zuständige Stelle des FA hinsichtlich weder der tatsächlichen noch der rechtlichen Feststellungen. Das ergibt sich bereits daraus, dass für d...

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