Rz. 27

Nach § 46 Abs. 2 AO wird die Abtretung jedoch erst wirksam, wenn sie der Gläubiger in der nach Abs. 3 vorgeschriebenen Form der zuständigen Finanzbehörde nach Entstehung des Anspruchs anzeigt. Die Verwendung des Worts "jedoch" bringt zum Ausdruck, dass die Regelung des Abs. 2 eine Abweichung von den Vorschriften des bürgerlichen Rechts über die Abtretung begründet, auf die der vorhergehende Abs. 1 verweist.

Auch nach bürgerlichem Recht kann die Anzeige der Abtretung bzw. die durch sie vermittelte Kenntnis des Schuldners von dem Vorgang zwar unter verschiedenen Gesichtspunkten von Bedeutung sein.[1] Die Wirksamkeit der Abtretung selbst hängt aber nicht von ihrer Anzeige an den Schuldner ab.

Demgegenüber ist die Anzeige bei den unter § 46 Abs. 1 AO fallenden Ansprüchen Tatbestandsmerkmal und somit materiell-rechtliche Wirksamkeitsvoraussetzung der Abtretung.[2] Dies gilt auch bei Abtretungen, die notariell beurkundet oder zu gerichtlichem Protokoll erklärt werden oder im Rahmen einer Geschäftsveräußerung im Ganzen erfolgen.[3] Nicht schon mit Abschluss des Abtretungsvertrags[4], sondern erst mit der Anzeige tritt der neue Gläubiger an die Stelle des bisherigen Gläubigers. Dies gilt nicht nur im Verhältnis zur Finanzbehörde, sondern auch im Verhältnis zwischen dem bisherigen und dem neuen Gläubiger sowie in deren Verhältnis zu Dritten.[5] Bis zur Anzeige der Abtretung bleibt der bisherige Gläubiger daher uneingeschränkt verfügungsberechtigt.

Dies ist insbesondere für den Fall von Bedeutung, dass er mehrfach über die Forderung verfügt, diese z. B. wiederholt abtritt oder verpfändet oder zunächst abtritt und dann verpfändet. Für die nach dem Grundsatz der zeitlichen Priorität zu beurteilende Frage, welche dieser Verfügungen wirksam ist bzw. in welchem Rangverhältnis die dadurch begründeten Rechte zueinander stehen, kommt es nicht darauf an, wann die entsprechenden Rechtsgeschäfte abgeschlossen, sondern wann sie angezeigt wurden.[6]

Rz. 28 einstweilen frei

[2] BFH v. 6.2.1996, VII R 116/94, BStBl II 1996, 557; BFH v. 13.11.2001, VII R 107/00, 2002, 402; Drüen, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 46 AO Rz. 17; Kunz, in Gosch, AO/FGO, § 46 AO Rz. 24; Klein/Ratschow, AO, 15. Aufl. 2020, § 46 Rz. 10; Koenig/Koenig, AO, 4. Aufl. 2021, § 46 Rz. 17.
[3] Kunz, in Gosch, AO/FGO, § 46 AO Rz. 28; Klein/Ratschow, AO, 15. Aufl. 2020, § 46 Rz. 19; Koenig/Koenig, AO, 4. Aufl. 2021, § 46 Rz. 23; a. A. Drüen, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 46 AO Rz. 29.
[5] BGH v. 30.11.1977, VIII ZR 26/76, BGHZ 70, 75; BFH v. 6.2.1996, VII R 116/94, BStBl II 1996, 557.
[6] BFH v. 14.2.1989, VII R 66/86, BFH/NV 1989, 751; Drüen, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 46 AO Rz. 38; Kunz, in Gosch, AO/FGO, § 46 AO Rz. 43ff.

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