2.2.1 Überblick

 

Rz. 12

Die Unwirksamkeit eines Rechtsgeschäfts beurteilt sich nach den dafür geltenden zivilrechtlichen Vorschriften.[1] Unwirksam ist ein Rechtsgeschäft, wenn es die mit ihm bezweckten Rechtswirkungen nicht, nicht sofort oder nicht uneingeschränkt herbeizuführen vermag. Als Formen der Unwirksamkeit werden Nichtigkeit, schwebende Unwirksamkeit und relative Unwirksamkeit unterschieden.[2] § 41 Abs. 1 AO gilt für alle Formen der Unwirksamkeit des Rechtsgeschäfts und unabhängig davon, ob diese von Anfang an besteht oder erst nachträglich eintritt. Die Unterscheidung beider Fälle hängt davon ab, ob der Unwirksamkeitsgrund bereits bei Vornahme des Rechtsgeschäfts vorgelegen hat oder erst durch danach verwirklichte Umstände eingetreten ist. Ob letztere zivilrechtlich auf den Zeitpunkt der Vornahme des Rechtsgeschäfts zurückwirken, ist im Rahmen des § 41 Abs. 1 AO unerheblich.

[1] Schmieszek, in Gosch, AO/FGO, § 41 AO Rz. 34.
[2] Fischer, in HHSp, AO/FGO, § 41 AO Rz. 66; Drüen, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 41 AO Rz. 14; Schmieszek, in Gosch, AO/FGO, § 41 AO Rz. 34; vgl. auch Palandt/Ellenberger, BGB, 80. Aufl. 2021, Überblick vor § 104 BGB Rz. 26-32.

2.2.2 Nichtigkeit

2.2.2.1 Begriff der Nichtigkeit

 

Rz. 13

Nichtig ist ein Rechtsgeschäft, das die mit ihm bezweckten Rechtswirkungen von Anfang an nicht eintreten lässt. Die Nichtigkeit wirkt grundsätzlich für und gegen alle, bedarf keiner Geltendmachung und ist im gerichtlichen Verfahren von Amts wegen zu berücksichtigen.[1] Die Nichtigkeit ist in der Regel endgültig. Eine evtl. Bestätigung des nichtigen Rechtsgeschäfts ist nach § 141 Abs. 1 BGB als erneute Vornahme zu beurteilen und wirkt daher nur für die Zukunft.[2] Etwas anderes gilt nur dann, wenn das Gesetz im Einzelfall ausdrücklich die Möglichkeit einer rückwirkenden Heilung vorsieht.[3] Ist nur ein Teil eines Rechtsgeschäfts nichtig, so ist nach § 139 BGB das ganze Geschäft nichtig, wenn nicht anzunehmen ist, dass es auch ohne den nichtigen Teil vorgenommen worden wäre.

In der Regel wird die Nichtigkeitsfolge im Gesetz ausdrücklich als solche bezeichnet. Soweit das Gesetz Begriffe wie "unwirksam", "kann sich nicht berufen" oder "kann nicht" verwendet, ist im Einzelfall zu prüfen, ob Nichtigkeit oder bloß schwebende Unwirksamkeit gewollt ist.[4]

[1] BGH v. 18.5.1989, V ZB 4/89, BGHZ 107, 268, m. w. N.; Palandt/Ellenberger, BGB, 80. Aufl. 2021, Überblick vor § 104 BGB Rz. 27.
[2] Palandt/Ellenberger, BGB, 80. Aufl. 2021, Überblick vor § 104 BGB Rz. 27.
[3] Z. B. § 311b Abs. 1 S. 2 BGB für einen wegen Formmangels unwirksamen Grundstückskaufvertrag durch Eintragung der Rechtsänderung im Grundbuch.
[4] Palandt/Ellenberger, BGB, 80. Aufl. 2021, Überblick vor § 104 BGB Rz. 29.

2.2.2.2 Nichtigkeitsgründe

 

Rz. 14

Die Gründe der Nichtigkeit können sich aus der Person der Beteiligten, dem Inhalt des Rechtsgeschäfts, dem Zustandekommen der Willenserklärungen und der Nichteinhaltung der für das Rechtsgeschäft vorgeschriebenen Form ergeben.

Aus dem Inhalt des Rechtsgeschäfts kann sich die Nichtigkeit insbesondere bei Verstößen gegen ein gesetzliches Verbot[1] oder gegen die guten Sitten[2] ergeben.[3] Nichtig sind ferner z. B. im Voraus getroffene Zinseszinsvereinbarungen[4], Verträge über das künftige Vermögen einer Person[5], über den Nachlass eines noch lebenden Dritten oder den Pflichtteil oder ein Vermächtnis aus einem solchen Nachlass[6], eine rechtsgeschäftliche Verfügungsbeschränkung des Grundstückseigentümers gegenüber dem Hypothekengläubiger[7], die vorzeitige Verfallsvereinbarung zugunsten des Pfandgläubigers[8] und die Annahme oder Ausschlagung nur eines Teils der Erbschaft.[9] Aus dem Inhalt des Rechtsgeschäfts ergibt sich die Nichtigkeit auch in Fällen, in denen Willenserklärungen unzulässigerweise mit einer Bedingung oder Zeitbestimmung versehen sind, z. B. in den Fällen der Aufrechnung[10] oder der Auflassung.[11]

Aus dem Zustandekommen der Willenserklärungen kann sich die Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts bei Willensmängeln ergeben, wenn das Rechtsgeschäft aus diesem Grund wirksam angefochten wird (vgl. Rz. 28). Unabhängig davon sind Willenserklärungen nichtig, die unter einem dem Empfänger bekannten Vorbehalt[12], mit dessen Einverständnis nur zum Schein[13] oder in der Erwartung abgegeben werden, dass der Mangel ihrer Ernstlichkeit nicht verkannt werde.[14]

Die Nichteinhaltung der durch Gesetz vorgeschriebenen Form hat nach § 125 S. 1 BGB die Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts zur Folge. Als besondere Formen sieht das Gesetz die Schriftform[15], die elektronische Form[16], die Textform[17], die notarielle Beurkundung[18] und die öffentliche Beglaubigung[19] vor.

 

Rz. 15

Die Schriftform verlangt die eigenhändige Unterzeichnung einer Urkunde durch Namensunterschrift oder mittels notariell beglaubigten Handzeichens. Das Erfordernis der Schriftform gilt z. B. für das Stiftungsgeschäft unter Lebenden[20], die Satzung der Genossenschaft[21], die Einwilligung des gesetzlichen Vertreters bei einseitigen Rechtsgeschäften[22], die Erteilung einer Quittung[23], das Leibrentenversprechen[24], die Bürgschaftserklär...

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