Rz. 1

§ 40 AO bestimmt, dass die steuerlichen Folgen eines Verhaltens, das den Tatbestand eines Steuergesetzes ganz oder teilweise erfüllt, unabhängig davon eintreten, ob dieses Verhalten gegen ein gesetzliches Verbot oder Gebot oder gegen die guten Sitten verstößt. Die Vorschrift wird vielfach als Ausdruck der Wertneutralität des Steuerrechts und der seine Anwendung bestimmenden wirtschaftlichen Betrachtungsweise verstanden.[1] Sie hat unter diesem Gesichtspunkt aber keine konstitutive, sondern nur deklaratorische Bedeutung.[2] Denn die rechtliche oder sittliche Bewertung bestimmter Vorgänge ist in aller Regel nicht Merkmal der Tatbestände, an die die Einzelsteuergesetze Rechtsfolgen knüpfen. Die Bedeutung des § 40 AO beschränkt sich damit auf die Klarstellung, dass die rechtliche Erlaubtheit oder sittliche Billigung eines bestimmten Verhaltens nicht als ungeschriebenes Merkmal in die Tatbestände der Einzelsteuergesetze hineingelesen werden kann.

Die Außerachtlassung der Gesetz- oder Sittenwidrigkeit eines Verhaltens im Rahmen der Besteuerung stellt keinen Verstoß gegen den Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung dar.[3] Aus ihm lässt sich zwar die Forderung ableiten, dass eine Teilrechtsordnung die Ziele einer anderen nicht beeinträchtigen darf. Er schließt es aber nicht aus, dass der Gesetzgeber für verschiedene Rechtsmaterien aus Gründen ihrer Eigenart jeweils unterschiedliche Maßstäbe festlegt.[4]

[1] Drüen, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 40 AO Rz. 1; Schmieszek, in Gosch, AO/FGO, § 40 AO Rz. 1; Klein/Ratschow, AO, 15. Aufl. 2020, § 40 Rz. 2; Koenig/Koenig, AO, 3. Aufl. 2014, § 40 Rz. 1; vgl. auch BFH v. 28.11.1977, GrS 2-3/77, BStBl II 1978, 105; kritisch zum Verständnis des § 40 AO als Ausdruck wirtschaftlicher Betrachtungsweise allerdings Fischer, in HHSp, AO/FGO, § 40 AO Rz. 15.
[2] Schmieszek, in Gosch, AO/FGO, § 40 AO Rz. 1.
[3] Im Grundsätzlichen kritisch zum Erkenntniswert dieses Begriffs: Fischer, in HHSp, AO/FGO, § 40 AO Rz. 23ff.; Schmieszek, in Gosch, AO/FGO § 40 AO Rz. 7.
[4] Fischer, in HHSp, AO/FGO, § 40 AO Rz. 25f. m. w. N.; Koenig/Koenig, AO, 3. Aufl. 2014, § 40 Rz. 6.

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