Rz. 63a

§ 393 Abs. 3 AO regelt die Verwendung von im Steuerstrafverfahren erlangter Erkenntnisse im Besteuerungsverfahren und damit den umgekehrten Fall als Abs. 2.

5.1 Verwendung von im Strafverfahren erlangten Erkenntnissen im Besteuerungsverfahren (Abs. 3 S. 1)

 

Rz. 64

§ 393 Abs. 3 S. 1 AO bestimmt, dass Erkenntnisse, die die Finanzbehörde oder die Staatsanwaltschaft rechtmäßig im Rahmen strafrechtlicher Ermittlungen gewonnen hat, auch im Besteuerungsverfahren verwendet werden dürfen. Die Bestimmung wiederholt nur einen in der Rspr. geklärten Grundsatz.[1] Diese Verwertbarkeit ist rechtlich selbstverständlich, denn es ist kein rechtfertigender Grund erkennbar, weshalb Personen, gegen die sich strafrechtliche Ermittlungsmaßnahmen richten und die ihren steuerlichen Pflichten nicht ordnungsgemäß nachgekommen sind, steuerlich im Ergebnis besser stehen sollten als Personen, die ihre steuerlichen Pflichten ordnungsgemäß erfüllen. Das FG ist zudem berechtigt, die tatsächlichen und rechtlichen Feststellungen eines rechtskräftigen strafgerichtlichen Urteils ohne Hinzuziehung der Strafakten zu übernehmen, sofern gegen diese keine substanziellen Einwände vorgetragen werden.[2]

 

Rz. 64a

Der Grundsatz gilt nicht nur für die Verwendung der Besteuerungsgrundlagen gegen den Beschuldigten oder Angeklagten des betreffenden Steuerstrafverfahrens, sondern für die Besteuerung aller, z. B. durch Zufallsfunde[3], in diesem Verfahren bekannt gewordenen steuerrechtlich relevanten Vorgänge jedweder Art, auch gegen andere Stpfl.[4]

5.2 Verwendung besonders erlangter Erkenntnisse (Abs. 3 S. 2)

 

Rz. 65

§ 393 Abs. 3 S. 2 AO erstreckt i. V. m. § 413 AO diese Verwertbarkeit auch auf die Erkenntnisse, die dem Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis des Art. 10 GG unterliegen, soweit die Finanzbehörde diese rechtmäßig im Rahmen eigener strafrechtlicher Ermittlungen gewonnen hat oder nach den Vorschriften der StPO Auskunft an die Finanzbehörden erteilt werden darf. Soweit die Offenbarungsbefugnis nur gegenüber dem durch die Tat Verletzten besteht, ist dies bei Steuerstraftaten der Fiskus, dessen Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis geschädigt worden ist.

 

Rz. 65a

Erkenntnisse i. S. d. § 393 Abs. 3 S. 2 AO sind im Regelfall solche aus einer Telefonüberwachung. Zu deren Anordnung bedarf es einer richterlichen Entscheidung.[1] Sie darf nach § 100a Abs. 2 Nr. 2 StPO bei Steuerstraftaten nur angeordnet werden bei Verdacht einer Steuerhinterziehung in großem Ausmaß, sofern der Täter als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Steuerverkürzungen verbunden hat, gehandelt hat[2], oder bei der bandenmäßig begangenen Umsatz- oder Verbrauchssteuerverkürzung[3], bei gewerbsmäßigem, gewaltsamem und bandenmäßigem Schmuggel nach § 373 AO oder in Fällen der Steuerhehlerei nach § 374 Abs. 2 AO. Die Möglichkeit einer Telekommunikationsüberwachung[4] wegen des Verdachts einer bandenmäßigen Steuerverkürzung großen Ausmaßes wurde im Zuge der Aufarbeitung der sog. Cum/Ex-Fälle in das Gesetz aufgenommen und erfasst nicht nur den Bereich der Umsatzsteuern, sondern nunmehr sämtliche Steuerarten.[5] Darüber hinaus dürfte es sich damit um den praktisch größten Anwendungsfall handeln.[6] Selbst wenn die Finanzbehörde i. S. d. § 386 AO das steuerstrafrechtliche Ermittlungsverfahren bei solch schwerwiegenden Taten i. d. R. nicht selbstständig führt, sondern an die Staatsanwaltschaft abgegeben hat[7], so ist sie doch grundsätzlich mit der Durchführung der Ermittlungen und damit der praktischen Ausführung und Auswertung der Telefonüberwachung betraut, sodass sie die Erkenntnisse auf diesem Wege erlangt.[8]

 

Rz. 65b

Die Verwertung von Zufallserkenntnissen über Steuerstraftaten anlässlich der Ermittlung von Allgemeindelikten i. S. d. § 393 Abs. 3 S. 2, 2. Var. AO kommt dann in Betracht, wenn diese im Rahmen anderweitiger Ermittlungen gegen den Stpfl. erlangt werden und die Auskunft nach den Vorschriften der StPO an die Finanzbehörde erteilt werden darf. Unklar ist, welche strafprozessualen Vorschriften der Gesetzgeber damit meinte. Während der BFH §§ 474, 477 StPO entsprechend anwenden will[9], stellt ein anderer Teil auf § 406e StPO als Befugnisnorm für die Mitteilung an die Finanzbehörden ab.[10] Die besseren Argumente sprechen gegen den BFH und für die Anwendung des § 406e StPO als Befugnisnorm.[11] So hat der Gesetzgeber bei der Einführung von § 393 Abs. 3 AO den Fiskus als Verletzten von Steuerstraftaten angesehen und wollte die Verwertbarkeit von Erkenntnissen aus einer Telefonüberwachung der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen durch den Verletzten gleichs...

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