Rz. 57

Nießbrauch ist die Belastung einer Sache[1] oder eines übertragbaren[2] Rechts[3] in der Weise, dass derjenige, zu dessen Gunsten die Belastung erfolgt, berechtigt ist, die Nutzungen daraus zu ziehen. Die Bestellung des Nießbrauchs an einem Vermögen oder einer Erbschaft ist nur in der Weise möglich, dass der Nießbraucher den Nießbrauch an den einzelnen zu dem Vermögen oder der Erbschaft gehörenden Gegenständen erlangt.[4] Bei Sachen ist der Nießbraucher zu deren Besitz[5] berechtigt. Zugleich ist er verpflichtet, die Lasten der Sache zu tragen[6] und diese in ihrem wirtschaftlichen Bestand zu erhalten.[7] Zu einer Umgestaltung oder wesentlichen Veränderung der Sache ist der Nießbraucher nicht berechtigt.[8] Der Nießbrauch ist grds. nicht übertragbar[9] und nicht vererblich und erlischt daher spätestens mit dem Tod des Berechtigten.[10] Nach der Art des Zustandekommens wird zwischen Zuwendungsnießbrauch und Vorbehaltsnießbrauch unterschieden. Beim Zuwendungsnießbrauch belastet der Eigentümer (Berechtigte) den Gegenstand unter Einschränkung seiner zuvor inne gehabten Rechtsposition mit dem Recht des Nießbrauchers. Beim Vorbehaltsnießbrauch überträgt der bisherige Eigentümer (Berechtigte) den Gegenstand unter Zurückbehaltung des aus Anlass der Übertragung zu seinen Gunsten bestellten Nießbrauchs auf einen anderen.

 

Rz. 58

Der Nießbraucher ist grundsätzlich kein wirtschaftlicher Eigentümer des mit dem Nießbrauch belasteten Gegenstands. Da der Nießbraucher die Sache weder auf eigene Rechnung veräußern noch belasten darf, ist sein dingliches Nutzungsrecht seinem Inhalt nach eher mit dem Recht des – obligatorisch nutzungsberechtigten – Mieters als mit dem Vollrecht des Eigentümers vergleichbar.[11] Die gilt sowohl für einen entgeltlich[12] als auch für einen unentgeltlich[13] bestellten Nießbrauch und zwar unabhängig davon, ob es sich um einen Zuwendungs- oder um einen Vorbehaltsnießbrauch handelt.

Wirtschaftliches Eigentum des Nießbrauchers ist nur dann anzunehmen, wenn sich seine Stellung gegenüber dem zivilrechtlichen Eigentümer von dem gesetzlichen Regelstatut des Nießbrauchs so wesentlich unterscheidet, dass er die tatsächliche Herrschaft über die Sache ausübt. Dies ist der Fall, wenn der Nießbraucher die Möglichkeit hat, sich den Substanzwert der Sache (z. B. durch deren Belastung) zu eigen zu machen, oder er über die ihm als Nießbraucher zustehenden Rechte hinaus vergleichbar einem Eigentümer nach Belieben mit der Sache verfahren kann, er das wirtschaftliche Risiko einer Wertminderung trägt und an Wertsteigerungen teilnimmt.[14]

Hierfür reicht ein schuldrechtliches, durch Rückauflassungsvormerkung gesichertes Veräußerungsverbot nicht aus.[15] Wirtschaftliches Eigentum des Nießbrauchers hat der BFH hingegen für den Fall angenommen, dass die Veräußerung des geschenkten Gegenstands der Zustimmung des Nießbrauchers bedurfte und letzterer außerdem die unentgeltliche Rückübertragung für den Fall des Vorversterbens des Beschenkten (Nießbrauchbestellers) verlangen konnte.[16] Gleiches wird für den Fall angenommen, dass sich ein Vorbehaltsnießbraucher ein durch Auflassungsvormerkung gesichertes Rücknahmerecht vorbehalten hat, das an keine Voraussetzungen gebunden ist.[17]

 

Rz. 59

Entsprechend den Grundsätzen, die für Bauten auf fremden Grund und Boden gelten (s. Rz. 41ff.) ist der Nießbraucher auch dann wirtschaftlicher Eigentümer, wenn die Sache nach der voraussichtlichen Dauer des Nutzungsverhältnisses bei normalem, der gewählten Gestaltung entsprechendem Verlauf wirtschaftlich verbraucht ist[18] oder wenn der Nutzungsberechtigte für den Fall der Nutzungsbeendigung einen Anspruch auf Ersatz des vollen Verkehrswerts der Sache gegen den zivilrechtlichen Eigentümer hat.[19] Demgegenüber reicht es nicht aus, dass bei einem auf Lebenszeit des Berechtigten bestellten Nießbrauch unter Zugrundelegung der durchschnittlichen Restlebenserwartung des Nießbrauchers zu erwarten ist, dass das Gebäude bei dessen Ablauf wirtschaftlich verbraucht sein wird.[20]

Rz. 60–62 einstweilen frei.

 

Rz. 63

Für Nießbrauchsverhältnisse zwischen nahen Angehörigen gelten, wenn ernsthafte Vereinbarungen getroffen worden sind und tatsächlich durchgeführt werden, keine Besonderheiten.[21] Das gilt insbesondere für Gestaltungen im Rahmen einer vorweggenommenen Erbfolge.[22]

 

Rz. 64

Wird ein Nießbrauch an dem Gesellschaftsanteil einer Personengesellschaft bestellt, wird der Nießbraucher nur dann Mitunternehmer, wenn er Mitunternehmerrisiko trägt und Mitunternehmerinitiative entfalten kann. Dies setzt voraus, dass er einen nennenswerten Einfluss auf die Geschäftsführung hat[23] und an den stillen Reserven beteiligt ist.[24]

Wird ein Nießbrauch an dem Gesellschaftsanteil einer Kapitalgesellschaft bestellt, ist dieser dem Nießbraucher nach § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO zuzurechnen, wenn er nach dem Inhalt der getroffenen Abrede alle mit der Beteiligung verbundenen wesentlichen Rechte (Vermögens- und Verwaltungsrechte) ausüben und im Konfliktfall effektiv durchsetzen ka...

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