5.2.4.1 Gesetzliche Regelung

 

Rz. 43

Die Ausübung des Evokationsrechts ist in der Praxis nur möglich, wenn die Staatsanwaltschaft vom Ermittlungsverfahren der Finanzbehörde Kenntnis erlangt. Der Informationsfluss zwischen Staatsanwaltschaft und Finanzbehörde bzw. umgekehrt ist in der Praxis häufig unzulänglich. Die AO selbst begründet keine allgemeine Informationspflicht durch die Finanzbehörde.[1] Aus dem Fehlen der allgemeinen gesetzlichen Informationspflicht folgt, dass die Staatsanwaltschaft nicht generell die Mitteilung von Verfahrenseinleitungen oder die Erstellung von Listen über anhängige Strafverfahren verlangen kann.[2] Daneben ist eine Geschäftsordnung der Staatsanwaltschaft als Verwaltungsinternum für die Finanzbehörde nicht bindend.

[1] Peters, in Kohlmann, Steuerstrafrecht, § 386 AO Rz. 146; Randt, in Franzen/Gast/Joecks, Steuerstrafrecht, 8. Aufl. 2015, § 386 AO Rz. 58; Hardtke/Weyand, wistra 1996, 93.
[2] Peters, in Kohlmann, Steuerstrafrecht, § 386 AO Rz. 146; Randt, in Franzen/Gast/Joecks, Steuerstrafrecht, 8. Aufl. 2015, § 386 AO Rz. 58; Wannemacher/Seipl, in Gosch, AO/FGO, § 386 AO Rz. 32; zur Zuleitung der finanzbehördlichen Strafbefehlsanträge – § 400 AO – an die Staatsanwaltschaft s. auch Scheu, wistra 1983, 138; Rittmann, wistra 1984, 52.

5.2.4.2 Verwaltungsanweisung

 

Rz. 44

Nach Nr. 22 Abs. 2 AStBV (St) 2020[1] hat die Finanzbehörde die Staatsanwaltschaft von der Anhängigkeit eines Strafverfahrens unverzüglich zu unterrichten, wenn der Fall, wegen der Größenordnung oder aus anderen Gründen, namentlich wegen der Persönlichkeit oder der Stellung des Beschuldigten oder wegen des Sachzusammenhangs mit anderen strafrechtlichen Ermittlungsverfahren, von besonderer Bedeutung ist. Ergänzt wird diese Informationspflicht im Einzelfall durch Nr. 140 AStBV (St) 2020, wonach regelmäßige Kontaktgespräche zwischen der Finanzbehörde und der Staatsanwaltschaft empfohlen werden bzw. der Finanzbehörde auferlegt wird, auch die nicht abgegebenen Strafsachen im Benehmen mit der Staatsanwaltschaft zu bearbeiten.

[1] Haufe-Index 2124711.

5.2.4.3 Literatur und Rechtsprechung

 

Rz. 44a

Die Verwaltungsanweisung konkretisiert damit eine in der Literatur[1] aus dem Evokationsrecht heraus begründete Informationspflicht, da ohne Information die Staatsanwaltschaft ihr Recht nicht ausüben kann. Nach der Rechtsprechung[2] haben daher die Finanzbehörden die Staatsanwaltschaft über alle anhängigen Ermittlungsverfahren, bei denen eine Evokation nicht fern liegt, frühzeitig zu unterrichten.[3] Dies gilt insbesondere in solchen Verfahren, in denen die Wirksamkeit einer Selbstanzeige im Zweifel steht. Bezieht die Finanzbehörde die Staatsanwaltschaft pflichtwidrig nicht ein, so kann dies einerseits Auswirkungen auf das konkrete Strafverfahren haben, beispielsweise durch Berücksichtigung dadurch bedingter Verfahrensverzögerungen im Strafurteil.[4] Andererseits kann dies die Strafbarkeit des verantwortenden Beamten nach §§ 258, 258a StGB begründen.[5]

[1] Randt, in Franzen/Gast/Joecks, Steuerstrafrecht, 8. Aufl. 2015, § 386 AO Rz. 58 m. w. N.
[3] Kemper, in Rolletschke/Kemper, Steuerverfehlungen, § 386 AO Rz.103.
[5] Klein/Jäger, AO, 15. Aufl. 2020, § 386 Rz. 13.

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