2.1.1 Allgemeines

 

Rz. 6

Abzugsteuern sind Steuern, die vom Schuldner einer Einnahme für Rechnung des steuerpflichtigen Gläubigers dieser Einnahme einbehalten und abgeführt werden müssen. Gem. § 33 Abs. 1 AO wird der insoweit verpflichtete Schuldner der Einnahme selbst zum Steuer-(entrichtungs-)pflichtigen. Dem Steuerentrichtungspflichtigen werden bei der Abwicklung der zur selbstständigen Steuerart ausgestalteten Abzugsteuer öffentlich-rechtliche Dienstleistungspflichten auferlegt.[1] Die von ihm möglicherweise geschuldete Steuer, z.  B. LSt, hat er anstelle der Finanzbehörde zu berechnen und sie wird durch Abzug von der Leistung erhoben.[2] So muss z. B. der Arbeitgeber von seiner Leistung "Arbeitslohn", die bei dem Dritten, hier dem Arbeitnehmer, selbst Besteuerungstatbestände auslöst, eine Vorausleistung auf die mögliche und zu erwartende künftige Steuerschuld (Lohn- bzw. ESt) berechnen, einbehalten und an die Finanzbehörde abführen.

 

Rz. 7

Da § 380 AO nur auf Abzugsteuern Anwendung findet, werden nicht abgeführte Steuern, deren Steuerschuldner man selbst ist, nicht vom Tatbestand erfasst. Die bloße Nichtabführung eigener Steuern ist – mit Ausnahme der §§ 26b, 26c UStG – weder strafbar noch ordnungswidrig.

 

Rz. 8

Nach absolut h. M. ist§ 380 AO lediglich anwendbar, wenn sich die Rechtspflicht zum Einbehalten bzw. zum Abführen unmittelbar aus dem Gesetz ergibt. Dies wird begründet mit dem in Art. 103 Abs. 2 GG und § 3 OWiG niedergelegten Grundsatz "nulla poena sind lege".[3] Folgerichtig wird nach dieser Ansicht die Verletzung einer durch besonderen Verwaltungsakt der Finanzbehörde begründeten Abzugspflicht[4] nicht vom Tatbestand des § 380 AO erfasst.

Dabei übersieht die h. M. jedoch, dass der Wortlaut des § 380 Abs. 1 AO nicht auf die Verletzung einer "gesetzlichen" Pflicht abstellt, Steuerabzugsbeträge einzubehalten und abzuführen.[5] Da auch Art. 103 Abs. 2 GG bzw. § 3 OWiG nicht verlangen, dass sich solche Pflichten unmittelbar aus dem Gesetz ergeben müssen, ist es ausreichend, wenn der Begriff der "Pflicht zur Einbehaltung und Abführung" durch die Abzugs- und Einbehaltungspflichten des Steuerrechts ausgefüllt wird. Folglich ist auch die Verletzung einer durch besonderen Verwaltungsakt der Finanzbehörde begründeten Abzugspflicht tatbestandsmäßig i. S. d. § 380 AO.[6]

[1] BVerfG v. 29.11.1967, 1 BvR 175/66, NJW 1968, 347 zur Verfassungsmäßigkeit dieser Pflichtenüberbürdung für die Kuponsteuer; BFH v. 5.7.1963, VI 270/62 U, BStBl III 1963, 468 für die LSt; BFH v. 29.11.1967, 1 BvR 175/66, NJW 1968, 347.
[2] Vgl. § 38 EStG.
[3] Jäger/Ebner, in Joecks/Jäger/Randt, Steuerstrafrecht, 8. Aufl. 2015, § 380 AO Rz. 18; Heerspink, in Flore/Tsambikakis, Steuerstrafrecht, 2. Aufl. 2016, § 380 AO Rz. 13.
[5] Im Gegensatz zu § 379 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 AO.
[6] Zutreffend Bülte, in HHSp, AO/FGO, 246. Lfg. 2/2018, § 380 Rz. 38.

2.1.2 Lohnsteuer

 

Rz. 9

Hauptanwendungsbereich des § 380 AO ist die Lohnsteuer.[1] Bei der LSt handelt es sich nicht um eine eigene Steuerart, sondern lediglich um eine besondere Erhebungsform der ESt. Bei jeder Zahlung von Lohn i. S. d. § 2 LStDV muss der Arbeitgeber einen Betrag einbehalten und an die Finanzbehörde fristgerecht abführen, § 41a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG. Da der Arbeitnehmer gem. § 38 Abs. 2 S. 1 EStG Steuerschuldner bleibt, geschieht dies auf Rechnung des Arbeitnehmers, § 38 Abs. 3 S. 1 EStG. Die LSt wird somit direkt an der Einkunftsquelle erhoben und in der Folge wie eine Vorauszahlung auf die ESt behandelt, vgl. § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG. Verstößt der Arbeitgeber gegen seine Pflicht zur Einbehaltung und Abführung, so handelt er i. S. d. § 380 AO tatbestandsmäßig. Wird hingegen kein Lohn i. S. d. § 2 LStDV ausbezahlt, so ist auch keine LSt einzubehalten oder abzuführen.[2]

Zur Missachtung der Zuständigkeit der Finanzbehörde vgl. Rz. 28.

 

Rz. 10

Aufgrund der Wertungsneutralität des Steuerrechts ist es hingegen gleichgültig, ob der zugrunde liegende (Arbeits-)Vertrag zivilrechtlich wirksam ist, vgl. §§ 40, 41 AO.[3]

Im Hinblick auf Leiharbeitsverhältnisse ist der Verleiher zur Einbehaltung und Abführung der LSt verpflichtet, Dies gilt auch für einen illegalen oder gem. § 38 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG für einen ausländischen Verleiher. Den Entleiher trifft eine Verpflichtung zum Steuerabzug hingegen nur, wenn er selbst Arbeitslohn bezahlt.[4]

 

Rz. 11

Da § 380 AO nur abzuführende fremde Steuerschulden erfasst, ist er auf die pauschalierte ESt nach § 37b EStG für Zuwendungen und Geschenke an Geschäftspartner und Arbeitnehmer nicht anwendbar, da auch in diesem Fall der Zuwendende selbst Steuerschuldner ist, vgl. §§ 37b Abs. 3, 40 Abs. 3 EStG.[5]

 

Rz. 12

Umstritten ist die Anwendbarkeit des § 380 AO jedoch im Hinblick auf pauschalierte Lohnsteuer.[6] Sie ist gem. § 40 Abs. 3 S. 1 EStG vom Arbeitgeber zu übernehmen und wird von ihm geschuldet.[7] Diese gesetzliche Gestaltung, aus der sich ergibt, dass der Arbeitnehmer nicht Schuldner ist, spricht dagegen, die pauschalierte LSt als Abzugsteuer anzusehen.[8] Der BFH geht ...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Steuer Office Excellence. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge