Rz. 61a

Dem Tatbestand des § 379 Abs. 1 Nr. 7 AO liegt die Erkenntnis zugrunde, dass die nach § 147 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 oder 4 AO aufbewahrungspflichtigen Aufzeichnungen und Unterlagen [1] – u. a. Bücher und Aufzeichnungen, Inventare, Jahresabschlüsse, die Eröffnungsbilanz sowie die zu ihrem Verständnis erforderlichen Arbeitsanweisungen und sonstigen Organisationsunterlagen sowie Buchungsbelege – ein wesentliches Instrument sind, um die Richtigkeit der Angaben des Stpfl. überprüfen zu können. Sind diese Unterlagen nicht mehr vorhanden, da der Stpfl. diese nicht vollständig oder gar nicht aufbewahrt oder nachträglich vernichtet hat, so kann dies eine Außenprüfung oder Nachschau stark beschränken. Dies liegt darin begründet, dass ein Überblick über die Geschäftsvorfälle sowie die Ertrags- und Vermögenslage nicht mehr vollständig gegeben ist, und somit eine umfassende Überprüfung der Richtigkeit und Vollständigkeit der Buchführung und der Aufzeichnungen nicht mehr stattfinden kann. Folglich liegt schon im Verstoß gegen § 147 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 oder 4 AO eine Gefährdung des Steueranspruchs.

 

Rz. 61b

§ 147 AO begründet eine selbstständige steuerliche Aufbewahrungspflicht, unabhängig davon, ob sich bereits aus anderen Bestimmungen eine Aufbewahrungspflicht ergibt.[2] Der Umfang der Aufbewahrungspflicht orientiert sich stets am Umfang der Buchführungs- und Aufzeichnungspflicht, wobei die Verhältnisse des jeweiligen Unternehmens und der Branche zu berücksichtigen sind. Die Verletzung der Aufbewahrungspflicht durch Vernichtung oder Verlust der Unterlagen vor Ablauf der Aufbewahrungsfrist hat, wie die Verletzung der Buchführungspflicht selbst, zur Folge, dass die Buchführung nicht als ordnungsmäßig anerkannt werden kann. Der steuerliche Zweck der Buchführung, also die Schaffung von Kontrollunterlagen, ist dann nicht erreicht worden. Dies hat zur Folge, dass die Besteuerungsgrundlagen nach § 162 Abs. 2 S. 2 AO zu schätzen sind. Die Verletzung der Aufbewahrungspflicht bewirkt für die Beweislage im Besteuerungsverfahren allerdings nicht, dass aufgrund eines reduzierten Beweismaßstabs von einer Steuerhinterziehung ausgegangen werden kann.[3]

 

Rz. 61c

Aufgrund der Einführung des § 379 Abs. 1 Nr. 7 AO besteht nun die Möglichkeit, die nicht vollständige Aufbewahrung oder Nichtaufbewahrung der vorgenannten Unterlagen zu sanktionieren. Es besteht zwar die Möglichkeit, dass auch eine Steuerhinterziehung, hinter die der Bußgeldtatbestand zurücktreten würde, für dieselbe Steuerart und denselben Veranlagungszeitraum vorliegt. Jedoch kann diese gerade aufgrund der nicht vollständigen Aufbewahrung oder Nichtaufbewahrung der Unterlagen nicht immer nachgewiesen werden, da gerade die Unterlagen für den Nachweis fehlen.

 

Rz. 61d

Neben der Nichtaufbewahrung wird durch § 379 Abs. 1 Nr. 7 AO auch die zu kurze Aufbewahrung erfasst. Die diesbezüglichen Fristen ergeben sich aus § 147 Abs. 3 und 4 AO. Nach § 147 Abs. 3 AO beträgt die Aufbewahrungsfrist 10 Jahre für

Für alle übrigen Geschäftsunterlagen i. S. v. § 147 Abs. 1 Nr. 2–3, 5 AO beträgt die Aufbewahrungsfrist 6 Jahre.[4] Gem. § 147 Abs. 3 S. 1 AO kann eine Abkürzung der Aufbewahrungsfrist durch andere Steuergesetze erfolgen, nicht jedoch durch außersteuerliche Gesetze.

 

Rz. 61e

Nach § 147 Abs. 4 AO beginnt die Aufbewahrungsfrist mit dem Schluss des Kalenderjahrs, in dem die letzte für die Entstehung der Geschäftsunterlage erforderliche Maßnahme erfolgt ist. Die Fristberechnung richtet sich nach § 108 AO i. V. m. §§ 187193 BGB. Das Fristende tritt mit Ablauf des zu berechnenden Kalenderjahrs ein. Allerdings ist § 147 Abs. 3 S. 5 AO zu beachten, wodurch die Ablaufhemmung insoweit modifiziert wird, dass die Aufbewahrungsfrist für die Geschäftsunterlagen nicht vor Ablauf der Steuerfestsetzungsfrist nach § 169 AO für die in dem betreffenden Kalenderjahr angefallenen Steuern enden kann.

Die vorzeitige Vernichtung der Buchführungsunterlagen kann darüber hinaus u. U. als Urkundenunterdrückung[5] oder – im Fall der Insolvenz – als Insolvenzstraftat[6] geahndet werden.

[2] Vgl. Dißars, in Schwarz/Pahlke/Keß, AO/FGO, § 147 AO Rz. 2 sowie Sauer, in Gosch, AO/FGO, § 147 AO Rz. 2, 4, 5; die Gegenansicht geht davon aus, dass die Aufbewahrungspflicht akzessorisch zur Buchführungspflicht ist, vgl. Drüen, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 147 AO Rz. 1; Trzasakalik, in HHSp, AO/FGO, § 147 AO Rz. 10.
[4] Zu einer Ausnahme für Lieferscheine, die kein Buchungsbeleg i. S. v. § 147 Abs. 1 Nr. 4 AO sind vgl. Dißars, in Schwarz/Pahlke/Keß, AO/FGO, § 147 AO Rz. 46a.

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