Rz. 171

Die Straffreiheit aufgrund der "Selbstanzeigeerklärung" tritt, wenn ein Ausschlussgrund nach § 371 Abs. 2 AO nicht vorliegt, mit der fristgerechten Erfüllung der Nachentrichtungspflicht ein.

Die Nachentrichtung ist nur dann erfolgt, wenn der verkürzte Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis innerhalb der Nachentrichtungsfrist i. S. d. Bestimmungen der AO erloschen ist[1].

 

Rz. 172

Der regelmäßige Erlöschensgrund dürfte die Zahlung sein, wobei die Vorschriften der §§ 224, 225 AO anzuwenden sind. Abweichend hiervon gehen allenfalls die Zurückweisung eines tatsächlichen Bareinzahlungsversuchs[2] und eine evtl. dadurch entstandene Fristüberschreitung nicht zulasten des "Selbstanzeigenden".

 

Rz. 173

Die Nachentrichtungspflicht erfordert nicht, dass der Pflichtige die Leistung persönlich erbringt (Rz. 124). Insoweit gilt uneingeschränkt § 48 Abs. 1 AO, wonach auch Dritte die Leistung bewirken können[3]. Die Leistung durch Dritte stellt keine Begünstigung[4] und keine Strafvereitelung[5] dar[6]. Nicht ausreichend ist allerdings eine vertragliche Haftungsübernahme durch einen Dritten[7], da hierdurch der Anspruch noch nicht erlischt und die Finanzbehörde ihn erst zivilrechtlich geltend machen muss.

 

Rz. 174

Als weiterer Erlöschensgrund kommt auch eine innerhalb der Nachentrichtungsfrist erklärte rechtswirksame Aufrechnung[8] in Betracht. Mit Eintritt der Aufrechnungswirkung erlischt der Anspruch[9]. Das Erlöschen muss innerhalb der Frist erfolgen, sodass eine Aufrechnung mit zukünftig fällig werdenden Ansprüchen nicht möglich ist[10]. Unerheblich ist, ob die Aufrechnung vom "Selbstanzeigenden", von einem Dritten oder von der Finanzbehörde selbst erklärt wird.

 

Rz. 175

Auch ein Erlass[11] kann theoretisch als Erlöschensgrund in Betracht kommen. Hierbei ist zu beachten, dass zugunsten des "Selbstanzeigenden", der nicht Steuerschuldner, sondern nur Haftungsschuldner[12] ist, ein Erlass der Steuerschuld gem. § 191 Abs. 5 AO keine Rechtswirkung hat und demgemäß die Nachentrichtungspflicht nicht berührt. Nur ein Erlass seiner Haftungsschuld lässt die Nachentrichtungspflicht entfallen. Der Erlass der Haftungsschuld, wie der Erlass der Steuerschuld, wenn der "Selbstanzeigende" eigene Steuern hinterzogen hat, scheidet aber nach § 227 AO mangels Erlasswürdigkeit wohl stets aus (§ 227 AO Rz. 4; § 163 AO Rz. 55a). Ein gleichwohl ausgesprochener Erlass bewirkt das Erlöschen der Schuld[13].

Die Niederschlagung[14] der verkürzten Steuer hat mangels schuldtilgender Wirkung keinen Einfluss auf die Nachentrichtungspflicht[15].

 

Rz. 176

Auch eine Sicherheitsleistung i. S. v. § 241 AO, z. B. eine Hinterlegung des verkürzten Steuerbetrags, erfüllt die Nachentrichtungspflicht i. S. v. § 371 Abs. 3 AO nicht[16].

 

Rz. 177

Der verkürzte Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis muss insgesamt erlöschen, eine Teilleistung bewirkt nach dem eindeutigen Wortlaut des § 371 Abs. 3 AO "insoweit", also nur teilweise, Straffreiheit. Dies führt regelmäßig zu einer weiteren Strafminderung (§ 370 AO Rz. 219), auch eine Einstellung des Steuerstrafverfahrens bei "Geringfügigkeit" der noch zu ahndenden Steuerhinterziehung ist nicht ausgeschlossen[17].

 

Rz. 178

Der fristgerechte Eingang der Leistung bei der in der Leistungsaufforderung (Rz. 145) genannten Finanzbehörde ist eine objektive Tatbestandsvoraussetzung für den Strafaufhebungsgrund (Rz. 1a). Das Unvermögen zur Zahlung geht voll zulasten des "Selbstanzeigenden", auch wenn ihn hieran kein Verschulden trifft[18].

Ein Fristversäumnis, gleichgültig ob vom Nachentrichtungspflichtigen verschuldet oder nicht, z. B. ein vom Bankinstitut versehentlich verzögert bearbeiteter Überweisungsauftrag, geht stets zulasten des "Selbstanzeigenden". Die Nichteinhaltung der Frist bewirkt den Verlust der Anwartschaft auf Straffreiheit, ohne dass eine Heilung etwa durch eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand[19] in Betracht kommt[20]. Eine unverschuldete kurzfristige Fristversäumnis kann nur im Rahmen der Strafbemessung zugunsten des Tatbeteiligten berücksichtigt werden. Da der straftatbedingte Schaden ausgeglichen ist, kann ggf. auch eine Verfahrenseinstellung[21] in Betracht kommen.

[1] § 47 AO.
[2] § 224 Abs. 4 AO.
[3] Kohlmann, Steuerstrafrecht, § 371 AO Rz. 111.
[4] § 369 Abs. 1 Nr. 4 AO i. V. m. § 259 StGB.
[5] § 258 StGB.
[6] Kemper, in Rolletschke/Kemper, Steuerverfehlungen, § 371 AO Rz. 84a.
[7] § 48 Abs. 2 AO i. V. m. § 192 AO.
[8] § 226 AO.
[9] § 47 AO.
[10] Joecks, in Franzen/Gast/Joecks, Steuerstrafrecht, 7. Aufl. 2009, § 371 AO Rz. 121.
[11] § 227 AO.
[12] § 71 AO.
[13] Joecks, in Franzen/Gast/Joecks, Steuerstrafrecht, 7. Aufl. 2009, § 371 AO Rz. 125; Kemper, in Rolletschke/Kemper, Steuerverfehlungen, § 371 AO Rz. 78.
[14] § 261 AO.
[15] Wassmann, ZfZ 1990, 40, 43; Joecks, in Franzen/Gast/Joecks, Steuerstrafrecht, 7. Aufl. 2009, § 371 AO Rz. 124.
[16] Joecks, in Franzen/Gast/Joecks, Steuerstrafrecht, 7. Aufl. 2009, § 371 AO Rz. 124.
[17] S. Erl. zu § 398 AO.
[18] BayObLG v. 3.11.1989, RReg 4 StR 135/89, wistra 1990, 159, 160; BGH v...

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