Rz. 166

Über die "Gewährung einer angemessenen Nachentrichtungsfrist" entscheidet letztlich das Gericht der Hauptsache (Rz. 170) aufgrund der bis zur Hauptverhandlung über die Anklage gewonnenen Sachverhaltserkenntnisse. Die Entscheidung über die "Angemessenheit" der Frist obliegt bis zum Fristablauf dem Strafverfolgungsorgan, wobei diesem ein Beurteilungsspielraum (Rz. 156) zusteht. Vor Fristablauf kann das Strafverfolgungsorgan, vornehmlich also die Finanzbehörde i. S. v. § 386 Abs. 1 AO (Rz. 151), wenn ein Sachverhalt bekannt ist, der eine andere Beurteilung der "Angemessenheit" zulässt, die Frist verlängern[1].

 

Rz. 167

Der Antrag auf Fristverlängerung muss mit entsprechender Begründung vor Fristablauf rechtzeitig gestellt werden[2], sodass im Rahmen einer sachgerechten Bearbeitungsdauer die Entscheidung vor Fristablauf getroffen werden kann. Der "Selbstanzeigende", der sich nicht nur auf die gerichtliche Entscheidung verlassen will, kann also die gesetzte Frist für einen Antrag auf Fristverlängerung nicht voll ausnutzen. Er muss vielmehr die Gründe für die Unangemessenheit der Fristsetzung unverzüglich vortragen.

 

Rz. 168

Der Antrag auf Verlängerung der Nachentrichtungsfrist gem. § 371 Abs. 3 AO ist bei dem Strafverfolgungsorgan zu stellen, das die Fristsetzung vorgenommen hat. Ein Stundungsantrag[3] oder ein im Einspruchsverfahren gestellter Antrag auf Aussetzung der Vollziehung[4] bei der für die Besteuerung zuständigen Finanzbehörde, bei der die "Selbstanzeigehandlung" vorgenommen wurde (Rz. 34), hindert den Ablauf der Nachentrichtungsfrist gem. § 371 Abs. 3 AO nicht[5], da es sich um eines selbstständige strafrechtliche Pflicht handelt (Rz. 148). Diese Frist ist unabhängig von den im Besteuerungsverfahren gewährten Fristen (Rz. 140, 153, 163). Demgegenüber soll nach Joecks[6], eine Stundung oder eine Aussetzung der Vollziehung bzw. sogar der rechtzeitige Antrag auf eine dieser Maßnahmen die Nachentrichtungspflicht hemmen[7]. Hier wird unzulässig und gegen § 393 Abs. 1 AO eine Verknüpfung des Steuerstrafverfahrens mit dem Besteuerungsverfahren hergestellt, obgleich ein die Fälligkeit der verkürzten Steuern auslösender Steuer- bzw. Haftungsbescheid noch gar nicht ergangen sein muss[8].

[1] Kemper, in Rolletschke/Kemper, Steuerverfehlungen, § 371 AO Rz. 92.
[2] Rüping, in HHSp, AO/FGO, § 371 AO Rz. 121.
[3] § 222 AO.
[4] § 361 AO.
[5] Jäger, in Klein, AO, 10. Aufl. 2009, § 371 AO Rz. 90; s. auch Rüping, in HHSp, AO/FGO, § 371 AO Rz. 115.
[6] Joecks, in Franzen/Gast/Joecks, Steuerstrafrecht, 7. Aufl. 2009, § 371 AO Rz. 118, 119
[7] Ebenso Hoyer, in Beermann/Gosch, AO/FGO, § 371 AO Rz. 59.
[8] Rz. 140; Zweifel trotz Annahme einer "steuerlichen" Nachentrichtungsfrist – Rz. 147 – wohl auch bei Rüping, in HHSp, AO/FGO, § 371 AO Rz. 122.

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