12.1 Grundlagen

 

Rz. 285

Die Regelungen des § 370 Abs. 15 AO gelten nur für den deutschen Steueranspruch (Rz. 4). § 370 Abs. 6 AO erweitert den Anwendungsbereich auf bestimmte ausländische Steuern. Zur Strafverfolgung ist ein Ersuchen des ausländischen Staates nicht erforderlich, sondern es besteht die Verfolgungspflicht[1].

 

Rz. 286

Anwendbar für diese Steuerhinterziehung ist auch der erweiterte Strafrahmen des § 370 Abs. 3 AO (Rz. 184), wenn eine besonders schwere Steuerhinterziehung (Rz. 153) vorliegt. Eine Bestrafung nach § 373 AO scheidet in diesen Fällen aus[2].

[1] Art. 5 Übereinkommen über den Schutz der finanziellen Interessen der Mitgliedstaaten v. 26.7.1995, ABl C 316/48; Kohlmann, Steuerstrafrecht, § 370 AO Rz. 417.
[2] BGH v. 3.7.1987, 3 StR 146/87, wistra 1987, 293; s. aber Erl. zu § 373 AO.

12.2 Ausländische Steuern

12.2.1 Allgemeines

 

Rz. 287

§ 370 Abs. 6 AO erfasst nur die hier genannten ausländischen Steuern (Rz. 288), die von einem der bezeichneten Staaten verwaltet werden bzw. ihm zustehen (Rz. 287). Es genügt, dass diese Steuern irgendeinem dieser Länder zustehen[1]. Die Strafbarkeit hängt nicht davon ab, dass die eigenen Interessen des Landes berührt werden, in dem der Tatbeteiligte die Tathandlung oder seine Mitwirkung vorgenommen hat. Verwirklicht der Täter alle Tatbestandsmerkmale, ist darüber hinaus die Verwendung unrichtiger Verzollungsunterlagen nicht notwendig[2].

[1] BGH v. 8.11.2000, 5 StR 440/00, wistra 2001, 62; s. aber Schmitz/Wulf, wistra 2001, 361.
[2] OLG Hamburg v. 22.5.1987, 1 Ws 27/87, wistra 1987, 266.

12.2.2 Ausland i. S. v. § 370 Abs. 6 AO

 

Rz. 288

§ 370 Abs. 6 AO gilt nur für die Steuern der

  • Mitgliedstaaten der Europäischen Union;
  • EFTA-Länder;
  • mit der EFTA assoziierten Länder.

12.2.3 Steuern i. S. v. § 370 Abs. 6 AO

 

Rz. 289

§ 370 Abs. 6 AO betrifft zunächst das Aufkommen aus den Einfuhr- und Ausfuhrabgaben nach Art. 4 Nr. 10 und 11 ZK (Rz. 82) der betroffenen Länder (Rz. 288). Dies sind

  • Zölle und Abgaben mit gleicher Wirkung bei der Ein- bzw. Ausfuhr von Waren;
  • bei der Ein- bzw. Ausfuhr erhobene Abgaben, die im Rahmen der gemeinsamen Agrarpolitik oder aufgrund der für bestimmte landwirtschaftliche Verarbeitungserzeugnisse geltenden Sonderregelungen vorgesehen sind.

Zu ihnen zählen:

  • Abschöpfungen (§ 2 Abs. 1 AbSchG), die nach § 3 Abs. 1 AO den Zöllen gleichgestellt sind. Abschöpfungen i. d. S. gleichen die Differenz zwischen dem Weltmarktpreis von landwirtschaftlichen Waren und dem Preis innerhalb der EG aus und können sowohl bei der Ein- als auch bei der Ausfuhr anfallen;
  • Einfuhrumsatzsteuer[1]. Verbrauchsteuern, die auf verschiedene Waren abzuführen sind (§ 374 AO Rz. 3), z. B. auf

    • Schaumwein[2], Mineralöl[3], Tabak[4], Kaffee und Tee[5] sowie Bier[6].

Für die Verbrauchsteuern gibt die EG-Richtlinie 2008/118/EG des Rates v. 16.12.2008[7] detaillierte Regelungen über das allgemeine System, den Besitz, die Beförderung und die Kontrolle verbrauchsteuerpflichtiger Waren. Die Richtlinie findet grundsätzlich auf Gemeinschaftsebene Anwendung auf Mineralöle, Alkohol bzw. alkoholische Getränke und Tabakwaren.

 

Rz. 290

Soweit in den betroffenen Ländern sonstige Einfuhr- und Ausfuhrabgaben erhoben werden, die mit den o. g. Steuern nicht deckungsgleich sind, gelten für die Ausfüllung dieses Tatbestandsmerkmals die ausländischen materiell-rechtlichen Rechtsnormen[8]. Im Einzelfall muss dementsprechend geprüft werden, ob die betreffenden Rechtsnormen im Vergleich zum deutschen Steuerrecht tatsächlich die Erhebung von Einfuhr- und Ausfuhrabgaben regeln[9]. Verbietet ein anderer Staat z. B. ab einer bestimmten Freimenge grundsätzlich die Einfuhr von Spirituosen, macht sich eine Person, die dennoch in nicht genehmigungsfähigem Umfang Alkoholika importiert, nicht nach § 370 Abs. 6 AO strafbar, wenn in der Folgezeit durch die verbotswidrige Abgabe an Dritte (innerstaatliche) Getränkesteuern fällig werden, denn solche Steuern stellen gerade keine bei der Einfuhr selbst anfallenden Abgaben dar.

 

Rz. 291

Durch das Jahressteuergesetz 2010 wurden mit Wirkung zum 14.12.2010 in § 370 Abs. 6 AO die S. 3 und 4 gestrichen[10]. Folglich kann eine sich auf Abgaben i. S. d. § 370 Abs. 6 S. 2 AO beziehende Steuerhinterziehung auch dann in Deutschland verfolgt werden, wenn – anders als nach der alten Fassung des § 370 Abs. 6 AO – die Gegenseitigkeit der Strafverfolgung mit dem anderen Staat z. Zt. der Tat nicht verbürgt war. Zur Behandlung von Altfällen vgl. Tully/März, wistra 2011, 121 ff; Jäger, in Klein, AO, 11. Aufl. 2012, § 370 AO Rz. 159.

Rz. 292–293 einstweilen frei

[2] § 1 SchaumweinZwStG.
[3] § 7 MinölStG.
[7] ABl EU Nr. L 9, 12; zur mit Wirkung v. 1.4.2010 aufgehobenen Richtlinie 92/12/EWG v. 25.2.1992 vgl. ABl EG Nr. L 76, 1. Da die Bezugnahme in § 370 Abs. 6 S. 2 AO erst durch das Beitreibungsrichtlinien-Umsetzungsgesetz v. 7.12.2011 angepasst wurde, verwies die Norm bis zur Anpassung auf eine außer Kraft getretene Richtlinie. Dies ist jedoch unproblematisch, da es sich insoweit lediglich um...

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