6.3.1 Rechtswidrige Vortat

 

Rz. 203

Der objektive Tatbestand setzt eine rechtswidrige Tat[1] voraus. Folglich müssen der objektive und der subjektive Tatbestand der Vortat erfüllt und sie muss rechtswidrig sein. Ob der Täter der Vortat hingegen schuldlos ist oder in seiner Person ein persönlicher Schuldausschließungs- oder Strafaufhebungsgrund eingreift, ist ohne Bedeutung.[2] Die Begünstigung ist insoweit nicht streng akzessorisch zur Vortat.

Auch muss die Vortat nicht vollendet sein, da auch ein strafbarer Versuch oder eine mit Strafe bedrohte Vorbereitung als Vortat ausreicht, sofern die Vortat dem Vortäter Vorteile gebracht hat oder bringen soll. Weil sie dem Vortäter in aller Regel aber noch keinen Vorteil bringen, werden vorbereitete oder versuchte Taten insoweit kaum praktische Relevanz erlangen.[3] Bei der Vortat i. S. d. § 257 StGB kann es sich auch um eine strafbare Beteiligung an einer Tat oder eine fahrlässige Tat handeln. Ordnungswidrigkeiten scheiden hingegen aus.

 

Rz. 204

Die tauglichen Vortaten einer Begünstigung als Steuerstraftat ergeben sich aus der abschließenden Aufzählung in § 369 Abs. 1 Nr. 4 AO.

Demnach ist eine taugliche Vortat i. d. S. nur die Begünstigung einer anderen Person, die eine Steuerstraftat nach § 369 Abs. 1 Nr. 1–3 AO begangen hat:

Die Begünstigung einer Person, die eine Begünstigung einer Steuerstraftat i. d. S. begangen hat, ist nach § 369 Abs. 1 Nr. 4 AO keine Steuerstraftat.

Wie sich daraus ergibt, kann es sich bei der Vortat einer Begünstigung als Steuerstraftat ausschließlich um eine Vorsatztat handeln, da die in § 369 Abs. 1 Nr. 1–3 AO benannten Taten nur bei vorsätzlicher Begehung strafbar sind.

[2] BGH v. 27.2.1951, 4 StR 123/51, BGHSt 1, 48; vgl. auch Rz. 43ff.
[3] BGH v. 23.4.1953, 4 StR 743/52, BGHSt 4, 133; Fischer, StGB, 67. Aufl. 2020, § 257 StGB Rz. 4.

6.3.2 Tathandlung

 

Rz. 205

Eine Tathandlung i. S. d. § 257 StGB liegt vor, wenn der Täter dem Vortäter nach dessen Tat Hilfe leistet, die durch die Vortat erlangten oder entstandenen Vorteile dagegen zu sichern, dass sie dem Vortäter zugunsten des Verletzten entzogen werden.

Die Frage, ob die Handlung auch objektiv geeignet sein muss, die Lage des Vortäters zu verbessern, war in der Vergangenheit umstritten.[1] Nach heute h. M. muss die zur Hilfeleistung vorgenommene Handlung objektiv geeignet sein und subjektiv mit der Tendenz vorgenommen werden, die durch die Vortat erlangten oder entstandenen Vorteile gegen Entziehung zu sichern.

  • [2] Folglich muss die Handlung den Vortäter im Ergebnis nicht besser stellen, aber es scheiden solche Handlungen als Hilfeleistungen i. S. d. § 257 StGB aus, die zur Verwirklichung der Vermögenssicherungsabsicht völlig ungeeignet sind.[3]
 

Rz. 206

Daraus, dass die Tathandlung der Begünstigung eine Hilfsmaßnahme zur Sicherung des unmittelbar aus der Tat erlangten Vorteils sein muss, ergibt sich für die Begünstigung als Steuerstraftat Folgendes: Durch die Maßnahme muss die Verwirklichung der Rückführung des "Steuervorteils" (vgl. Rz. 208) unmöglich gemacht oder noch weiter erschwert werden, als dies bereits durch die Steuerhinterziehung geschehen ist.[4]

 

Rz. 207

Die Hilfe ist nur hinsichtlich eines unmittelbar aus der Steuerstraftat erlangten Vorteils möglich, den der Vortäter zur Zeit der Begünstigungshandlung noch innehaben muss. Jede wirtschaftliche, rechtliche oder tatsächliche Besserstellung des Vortäters stellt für ihn einen Vorteil dar[5], sodass § 257 Abs. 1 StGB alle "Vorteile der Tat" erfasst. Eine Unterscheidung zwischen Vorteilen "für" und "aus" der Tat findet nicht statt. Das Unmittelbarkeitserfordernis dient allerdings dazu, Ersatzvorteile (Vorteilssurrogate) auszuklammern[6], sodass es sich nicht mehr um die Vorteile der Tat handelt, wenn dem Vortäter sich erst aus der Verwertung der Tatvorteile ergebende wirtschaftliche Werte zugewandt oder gesichert werden sollen. Folglich ist der Erlös aus dem Verkauf des Erlangten kein unmittelbarer Vorteil mehr, der Gegenstand der Begünstigung i. S. d. § 257 Abs. 1 StGB sein kann.[7]

Ein unmittelbar aus der Vortat erlangter Vorteil ist z. B. der Besitz von geschmuggelten Waren. Diesbezügliche typische Begünstigungshandlungen sind das Verbergen oder der Abtransport des Schmuggelguts oder das Mitwirken bei dessen Absatz.[8]

Ein Vorteil i. S. d. § 257 Abs. 1 StGB ist auch der an einen Tatbeteiligten gezahlte Tatlohn.[9] Die bloße Aussicht auf einen versprochenen, aber noch nicht gezahlten Tatlohn stellt hingegen keinen Vorteil i. S. d. § 257 Abs. 1 StGB dar.[10] Unmittelbar aus der Vortat stammende Vorteile sind auch Banknoten, die von einem Bankkonto abgehoben wurden, auf dem sich der Erlös aus der Vortat befand.[11]

 

Rz. 208

Bei der Steuerhinterziehung nach § 370 AO liegt der unmittelbare Vorteil regelmäßig in der durch die Steuerverkürzung erlangten zu niedrigen Steuerfestsetzung (s. § 370 A...

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