2.1 Begriff – Prüfungsschema

 

Rz. 11

Dem Begriff der Steuerstraftat (s. Rz. 2ff.) liegt der Begriff der Straftat zugrunde, wie er sich aus den allgemeinen Gesetzen über das Strafrecht und den allgemeinen strafrechtlichen Grundregeln ergibt (s. Rz. 50). Eine Straftat begeht hiernach, wer eine tatbestandsmäßige, rechtswidrige und schuldhafte Handlung vornimmt, die durch Gesetz mit Strafe bedroht ist.

Auf dieser Basis hat sich aus dem herrschenden dreigliedrigen Deliktsaufbau für die Frage, ob eine Handlung strafbar ist, ein typisiertes Prüfungsschema ergeben. Zunächst ist zu prüfen, ob die (objektive und subjektive) Tatbestandsmäßigkeit (s. Rz. 12ff.) der Handlung, dann ob die (objektive und subjektive) Rechtswidrigkeit (s. Rz. 42ff.) der Handlung gegeben ist und ob die Begehung der Straftat schuldhaft war (s. Rz. 46ff.). Letztlich ist zu prüfen, ob nicht Strafausschließungs- oder Strafaufhebungsgründe (s. Rz. 49) eine Ahndung ausschließen.

All diese Voraussetzungen der Strafbarkeit eines Verhaltens sind von gleichem Gewicht, da das Fehlen jeder Voraussetzung zum Wegfall der Strafbarkeit insgesamt führt. Trotzdem kann nicht verkannt werden, dass einzelnen der vorgenannten Punkten – insb. Rechtswidrigkeit und Schuld – in der steuerstrafrechtlichen Praxis keine nennenswerte Bedeutung zukommt.

2.2 Tatbestandsmäßigkeit der Handlung

2.2.1 Handlung

 

Rz. 12

Eine Straftat setzt begrifflich eine menschliche Handlung voraus. Ein menschliches Verhalten ist nur dann als eine Handlung im strafrechtlichen Sinn zu werten, wenn es von einem Willen getragen wird. Durch die Einführung dieses Handlungsbegriffs werden diejenigen Formen menschlichen Verhaltens strafrechtlich ausgeschlossen, an die grundsätzlich keine Straffolgen geknüpft werden können, z. B. reine, nicht willenskontrollierte Reflexbewegungen, Verhalten im Zustand der Bewusstlosigkeit oder sonstigen Unfähigkeit zur Willensbestätigung, wie z. B. bei einem Vollrausch. Ebenso stellen Vorgänge, die sich ausschließlich im Inneren des Menschen abspielen (Gedanken, Gefühle, Gesinnungen und Absichten), und solche, die durch äußere unwiderstehliche Gewalt erzwungen werden (sog. vis absoluta) kein strafrechtlich relevantes Handeln dar.

Eine Handlung im strafrechtlichen Sinn kann grundsätzlich nach § 13 Abs. 1 StGB sowohl in einem aktiven Tun als auch in einem Unterlassen eines rechtlich gebotenen Tuns bestehen (s. Rz. 56f.).

2.2.2 Erfüllung des Straftatbestands

2.2.2.1 Bedeutung des gesetzlichen Straftatbestands

 

Rz. 13

Dem Begriff des Tatbestands kommen unterschiedliche Bedeutungen zu. Wenn z. B. vom Straftatbestand der Steuerhinterziehung gesprochen wird, so geht es um dieses Delikt in seiner allgemeinen Form.

Um den Tatbestand i. w. S. geht es hingegen, wenn die Strafbarkeitsvoraussetzungen des einschlägigen Tatbestands durchgeprüft werden, um am Ende festzustellen, ob die Strafbarkeit gegeben ist. Tatbestandsmäßig ist die strafrechtlich relevante Handlung (s. Rz. 11) dementsprechend, wenn sie den Merkmalen eines Straftatbestands entspricht.

 

Rz. 14

Nach Art. 103 Abs. 2 GG[1] kann eine Handlung nur dann mit Strafe geahndet werden, wenn sie einen gesetzlichen Straftatbestand verwirklicht (s. auch Rz. 58). Mithilfe des gesetzlichen Straftatbestands werden aus der Vielzahl der denkbaren Unrechtshandlungen diejenigen Handlungen ausgesondert, die für strafwürdig gehalten werden. Der gesetzliche Straftatbestand begrenzt einerseits die staatliche Strafgewalt, legt aber andererseits fest, welche Handlungen unter welchen Voraussetzungen bei Straffolge "verboten" sind. Der Gesetzgeber darf jedoch keine Strafe auf zur Tatzeit noch nicht geltendes Recht oder auf unbestimmte Strafgesetze stützen. Ferner darf die Strafbarkeit nicht auf Gewohnheitsrecht oder zu Lasten des Täters analog angewendetes Recht gestützt werden (vgl. Rz. 58ff.).

 

Rz. 15

Daneben bezeichnet der Begriff des Tatbestandes i. e. S. die Prüfungsstufe der Tatbestandsmäßigkeit mit dem objektiven und subjektiven Tatbestand. Insoweit beschreibt der Tatbestand die unrechtsbegründenden Merkmale, die den typischen Unrechtsgehalt der Tat verkörpern, aber noch keine Aussage zu den im Einzelfall zu klärenden Fragen der Rechtswidrigkeit und Schuld enthalten.

[1] Die in Art. 103 Abs. 2 GG niedergelegten Einzelprinzipien ergeben sich aus der lateinischen Formel "nullum crimen, nulla poena sine lege scripta, praevia, certa, stricta".

2.2.2.2 Allgemeiner Inhalt eines gesetzlichen Straftatbestands

 

Rz. 16

Ein Straftatbestand enthält einmal eine Beschreibung eines äußerlich wahrnehmbaren Geschehens, also einen objektiven Tatbestand. Diese Beschreibung kann durch deskriptive Merkmale erfolgen, die auf einer sinnlichen Wahrnehmung beruhen.[1] Der Tatbestand kann aber auch sog. normative Merkmale enthalten, die erst aufgrund einer rechtlichen Wertung Inhalt erlangen.[2] Die Unterscheidung zwischen objektiven und deskriptiven Merkmalen ist teilweise fließend und hat vor allem Bedeutung für das Verständnis verschiedener Irrtumsfragen (vgl. Rz. 105ff.). Aufgrund solcher äußeren Merkmale bestimmt der objektive Tatbestand:

 

Rz. 17

  • den Täterkreis (= Tatsubjekt), "wer" – § 370 Abs. 1 S. 1 AO – tauglicher Täter sein kann. Bei Allgemeindelikten, die i. d. R. das unbestimmte Wort "wer" enthalten...

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