4.1 Entscheidungsformen – Überblick

 

Rz. 38

Nach § 367 Abs. 1 S. 1 AO wird die Entscheidung über den Einspruch grundsätzlich durch Einspruchsentscheidung getroffen. Gemäß § 367 Abs. 2 S. 3 AO bedarf es einer Einspruchsentscheidung nur insoweit, als die Finanzbehörde dem Einspruch nicht durch einen abhelfenden Verwaltungsakt abhilft.

 

Rz. 39

Der den Verfahrensgegenstand bildende Verwaltungsakt kann sich gemäß § 365 Abs. 1 AO i. V. m. § 124 Abs. 2 AO außer durch vollständige Aufhebung, Rücknahme und Widerruf auch durch Zeitablauf oder in sonstiger Weise inhaltlich erledigen. Der Ablauf der zeitlichen Wirkungsdauer oder die inhaltliche Erledigung in sonstiger Weise bewirkt nicht den Abschluss des Einspruchsverfahrens. Dieses wird, sofern keine Rücknahme des Einspruchs erfolgt, nur durch förmliche Einspruchsentscheidung abgeschlossen. Der Einspruch ist als unzulässig zu verwerfen, da der Einspruchsführer mangels fortdauernder Rechtswirkung des angefochtenen Verwaltungsakts nicht mehr nach § 350 AO beschwert ist. Im Einspruchsverfahren kann die Rechtswidrigkeit eines nicht mehr wirksamen Verwaltungsakts nicht mehr festgestellt werden.

4.2 Abhilfebescheid (Abs. 2 S. 3)

4.2.1 Grundlage

 

Rz. 40

Nach § 367 Abs. 2 S. 3 AO bedarf es insoweit keiner förmlichen Einspruchsentscheidung, als die Finanzbehörde dem Einspruch abhilft. Die Abhilfe erfolgt durch inhaltlich günstigere Neuregelung des Steuerpflichtverhältnisses, die in einem neuen abhelfenden Verwaltungsakt getroffen wird. An diesen Abhilfebescheid werden nicht die inhaltlichen oder förmlichen Anforderungen des § 366 AO gestellt, sondern es gelten die in §§ 119ff. AO getroffenen allgemeinen Regelungen.[1]  Die durch den Abhilfebescheid getroffene inhaltliche Regelung ist ggf. durch Auslegung zu ermitteln.[2]

 

Rz. 41

Stellt die entscheidende Finanzbehörde im Rahmen der ihr aufgrund des zulässigen Einspruchs obliegenden sachlichen Prüfungspflicht die Korrekturbedürftigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts zugunsten des Einspruchsführers fest, so kann sie dessen Regelungsinhalt modifizieren oder beseitigen. Die Finanzbehörde hat das freie Wahlrecht, ob sie diese neue Regelung in einer formellen Einspruchsentscheidung oder in einem nur den Formbestimmungen des allgemeinen Verwaltungsverfahrens entsprechenden abhelfenden Verwaltungsakt treffen will.[3]

 

Rz. 42

Der abhelfende Verwaltungsakt hat aber nicht in allen Fällen auch eine das Einspruchsverfahren abschließende Wirkung, die das Erfordernis einer förmlichen Einspruchsentscheidung entfallen lässt.

4.2.2 Abschlusswirkung der Abhilfe

4.2.2.1 Ersatzlose vollständige Aufhebung, Rücknahme, Widerruf

 

Rz. 43

Das Einspruchsverfahren wird durch den Verfahrensgegenstand bestimmt. Dies ist im Einspruchsverfahren der angefochtene Verwaltungsakt.

Das finanzbehördliche Einspruchsverfahren findet seinen Abschluss durch Erledigung seitens der Finanzbehörde[1], ohne dass eine förmliche Einspruchsentscheidung erforderlich ist, wenn die Rechtswirkungen des angefochtenen Verwaltungsakts aufgrund des materiell abhelfenden Verwaltungsakts entfallen sind. Die Erledigung tritt unabhängig davon ein, ob eine materielle Abhilfe im Einspruchsverfahren erfolgt oder die Rechtswirkungen des angefochtenen Verwaltungsakts durch eine Korrektur nach den allgemeinen Korrekturbestimmungen entfallen . Nach § 365 Abs. 1 AO i. V. m. § 124 Abs. 2 AO entfallen die Rechtswirkungen eines Verwaltungsakts, sobald und soweit der Verwaltungsakt vollständig zurückgenommen, widerrufen oder aufgehoben wird.[2] Hiermit ist auch das Einspruchsverfahren erledigt und abgeschlossen.[3]  Einer Einspruchsentscheidung bedarf es nach § 367 Abs. 2 S. 3 AO dann nicht, wenn die Finanzbehörde im abhelfenden Verwaltungsakt ausdrücklich die ersatzlose Beseitigung der Rechtswirkungen des angefochtenen Verwaltungsakts regelt.

 

Rz. 44

Der Fortfall der Rechtswirkungen des angefochtenen Verwaltungsakts allein beendet das Einspruchsverfahren gemäß § 365 Abs. 3 AO aber nur dann, wenn der angefochtene Verwaltungsakt nicht zugleich oder später durch einen anderen Verwaltungsakt ersetzt wird. Nach § 365 Abs. 3 AO wird kraft Gesetzes ein nach Einspruchseinlegung erlassener Verwaltungsakt, der den angefochtenen, aber zwischenzeitlich vollständig aufgehobenen, zurückgenommenen oder widerrufenen Verwaltungsakt ersetzt, Gegenstand des Einspruchsverfahrens. Ein ersetzender Verwaltungsakt i. d. S. liegt vor, wenn dieselbe Finanzbehörde in demselben Steuerpflichtverhältnis hinsichtlich derselben Besteuerungsgrundlagen eine erneute, nicht mehr wirksame Regelung mit gleichem oder modifiziertem Inhalt wiederholt. In diesem Fall tritt der neue Verwaltungsakt in das Einspruchsverfahren ein, ohne dass der ersetzende Verwaltungsakt durch den Einspruchsführer erneut angefochten werden muss. Eine gleichwohl vorgenommene und zur Klarstellung des Meinungsbilds des Einspruchsführers anzuratende erneute Einspruchseinlegung hat als Wiederholung keine verfahrensrechtliche Bedeutung.

[1] Fichtelmann, DStZ/A 1975, 123.
[2] §...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Steuer Office Excellence. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge