1.4.3.1 Allgemeines

 

Rz. 23

Besteht der Regelungsinhalt des angefochtenen Verwaltungsakts in der Festsetzung einer Geldschuld, so beginnt die Vollziehung mit jeder Maßnahme, die zur Erhebung bzw. letztlich Vollstreckung des festgesetzten Anspruchs führt. Mit Eintritt der AdV-Wirkung darf nach § 251 Abs. 1 AO für deren Dauer keine weitere Maßnahme getroffen (s. Rz. 20), das Erhebungs- bzw. Vollstreckungsverfahren nicht weitergeführt werden. Ist das i. d. R. erforderliche Leistungsgebot[1] im Zeitpunkt der AdV-Gewährung noch nicht erlassen, so darf es jetzt nicht mehr erlassen werden.

 

Rz. 24

Ist das Leistungsgebot vor der AdV-Gewährung bereits erlassen oder ergibt sich die Leistungspflicht unmittelbar aus dem Gesetz, so braucht der Beteiligte für die Dauer der AdV diesem nicht nachzukommen (s. Rz. 20). Das Leistungsgebot hat sich durch die Gewährung der AdV inhaltlich erledigt. Für die Dauer der AdV entfällt die Leistungspflicht. Es entfallen vom Zeitpunkt der Bekanntgabe der AdV-Entscheidung auch Säumniszuschläge nach § 240 AO.[2] Dies wird im Fall des Unterliegens im Einspruchs- oder Klageverfahren durch die Verzinsung für die Dauer der AdV nach § 237 AO kompensiert.

Bereits angefallene Säumniszuschläge sind demgegenüber nur im Zuge einer Aufhebung der Vollziehung gem. § 361 Abs. 2 S. 3 AO zu erstatten.[3]

 

Rz. 25

Die Finanzbehörde ist vom Zeitpunkt des Endes der AdV an nicht mehr gehindert, den Verwaltungsakt nach den Bestimmungen der AO zu vollziehen. Da sich ein bereits erlassenes Leistungsgebot inhaltlich durch die zwischenzeitlich eingetretene AdV-Wirkung erledigt hat (s. Rz. 24), muss die Finanzbehörde ein neues Leistungsgebot erlassen und hierdurch die Schuld fällig stellen.

 

Rz. 25a

Bei Gewährung von AdV soll eine Aufrechnung der Finanzbehörde mit dem Anspruch, für den die AdV gewährt worden ist, nicht in Betracht kommen, da dies eine Vollziehung darstellen würde.[4] Diese Ansicht ist insofern nicht unproblematisch, da eine Aufrechnung eine rechtsgestaltende rechtsgeschäftliche Handlung ist (vgl. Rz. 17e).

[2] Koenig/Cöster, AO, 4. Aufl. 2021, § 361 Rz. 77.
[4] Koenig/Cöster, AO, 4. Aufl. 2021, § 361 Rz. 77; Klein/Rätke, AO, 16. Aufl. 2022, § 361 Rz. 60; BFH v. 24.10.1996, VII B 122/96, BFH/NV 1997, 257.

1.4.3.2 Beschränkung bei Steuerbescheiden (§ 361 Abs. 2 S. 4 AO)

 

Rz. 26

Aus dem Jahressteuerbescheid ergibt sich eine Leistungspflicht und damit die Vollziehbarkeit in Höhe der Abschlusszahlung, auf die sich grundsätzlich die AdV des Jahressteuerbescheids erstreckt.[1]

 

Rz. 27

Durch § 361 Abs. 2 S. 4 AO wird der Umfang der AdV bei Steuerbescheiden jedoch eingeschränkt.Die AdV ist grundsätzlich nur für die festgesetzte Steuer zu gewähren, die um anzurechnende Steuerabzugsbeträge, anzurechnende KSt und die festgesetzten Vorauszahlungen gemindert ist.[2] Damit bleibt der Steuerbescheid hinsichtlich der festgesetzten, aber noch nicht geleisteten Vorauszahlungen regelmäßig vollziehbar und ist Grundlage der Erhebung bzw. ggf. der Vollstreckung.

Die Regelung wird vom BFH als verfassungskonform erachtet.[3]

 

Rz. 28

Diese Einschränkung gilt aber nicht, wenn ein Vorauszahlungsbescheid angefochten und insoweit AdV gewährt worden ist. Durch den Erlass des Jahressteuerbescheids ist das Einspruchsverfahren nicht abgeschlossen, sondern setzt sich gem. § 365 Abs. 3 AO gegen den Jahressteuerbescheid fort, da dieser den Vorauszahlungsbescheid ersetzt. Damit bleibt auch die eingetretene AdV-Wirkung erhalten (s. Rz. 49a). Ist gegen den Vorauszahlungsbescheid die finanzgerichtliche Klage anhängig und AdV gewährt, so bleibt die AdV-Wirkung erhalten, da der Jahressteuerbescheid nach § 68 FGO zum Gegenstand des Klageverfahrens wird.[4]

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