1.4.1 Wirkung des AdV-Antrags

 

Rz. 18

Der AdV-Antrag (s. Rz. 55) ist regelmäßig (s. Rz. 7) der Beginn des AdV-Verfahrens (s. Rz. 47ff.). Eine vor der Antragstellung gegebene finanzbehördliche Zusage, die AdV gewähren zu wollen, hat keine Rechtswirkungen.[1] Über den Verfahrensbeginn hinaus und die daraus resultierende Entscheidungspflicht (s. Rz. 7) hat der AdV-Antrag keine unmittelbaren Rechtsfolgen, bestimmt aber das Verwaltungsverhalten.

 

Rz. 19

Der AdV-Antrag hindert demgemäß nicht die Entstehung der Säumniszuschläge nach § 240 AO.[2] Die Säumniszuschläge können nur durch eine Aufhebung der Vollziehung rückwirkend entfallen.[3]

1.4.2 Wirkung der AdV-Entscheidung

1.4.2.1 Allgemeines

 

Rz. 20

Die Rechtsfolgen der AdV sind an die gewährende AdV-Entscheidung (s. Rz. 90) geknüpft. Für die Dauer der AdV (s. Rz. 22) darf die Finanzbehörde den angefochtenen Verwaltungsakt nicht mehr vollziehen (s. Rz. 21). Dem Einspruch bzw. der Klage kommt wieder ein Suspensiveffekt (s. Rz. 1, 4) zu.

Durch die ordnungsgemäß bekannt gegebene AdV-Entscheidung wird zudem die Zahlungsverjährung gem. § 231 Abs. 1 Nr. 1 AO für die Dauer der Wirksamkeit der AdV (s. Rz. 22) unterbrochen.[1]

Während des Aussetzungszeitraums fallen keine Säumniszuschläge nach § 240 AO an, wohl aber für den Zeitraum, in dem die Finanzbehörde noch über die AdV entscheidet und Fälligkeit gegeben ist. Insofern wird empfohlen, den Antrag vor Fälligkeit zu stellen und zu begründen, um so eine rückwirkende Aufhebung der Säumniszuschläge nach § 361 Abs. 2 S. 3 AO zu erreichen. Bei zu Unrecht abgelehnter AdV kann über das Erlassverfahren nach § 227 AO vorgegangen werden.[2] Wenn Einspruch und Klage keinen endgültigen Erfolg haben, so fallen zudem Zinsen nach § 237 AO an.[3]

 

Rz. 20a

Trotz der Gewährung der AdV bleibt der angefochtene Verwaltungsakt existent. Die rechtliche Wirksamkeit des Verwaltungsakts und seines Regelungsinhalts wird nicht berührt, nur der materielle Regelungsgehalt des VA kann bis auf Weiteres nicht mehr verwirklicht werden.[4] Vor Erlass des die AdV gewährenden finanzbehördlichen Verwaltungsakts bzw. vor Bekanntgabe der finanzgerichtlichen Entscheidung getroffene Maßnahmen sind rechtmäßig und bleiben bestehen (s. Rz. 22), können allerdings durch eine Aufhebung der Vollziehung (s. Rz. 29) beseitigt werden. Nach Erlass der AdV-Entscheidung darf die Finanzbehörde keine weitere Maßnahme zur Verwirklichung des Regelungsinhalts des Verwaltungsakts (s. Rz. 21) treffen.

 

Rz. 20b

Bei einer ablehnenden AdV-Entscheidung werden die Fälligkeit des Anspruchs und seine Vollziehbarkeit nicht eingeschränkt. Die Behörde ist nicht gehindert, den Anspruch im Vollstreckungsweg durchzusetzen. Eine Vollstreckungsschonfrist wird durch die AdV-Ablehnung nicht begründet.[5]

[2] Klein/Rüsken, AO, 16. Aufl. 2022, § 361 Rz. 33, 61.
[3] Klein/Rüsken, AO, 16. Aufl. 2022, § 361 Rz. 62.
[4] Koenig/Cöster, AO, 4. Aufl. 2021, § 361 Rz. 76; BFH v. 17.9.1987, VII R 50–51/88, BStBl II 1988, 366, 369 m. w. N.; BFH v. 3.7.1995, GrS 3/93, BStBl II 1995, 730; BFH v. 23.1.2004, VII B 131/03, BFH/NV 2004, 794.

1.4.2.2 Vollziehung (§ 361 Abs. 1 AO)

 

Rz. 21

Die Vollziehung i. S. v. § 361 AO bzw. § 69 FGO ist jedes Gebrauchmachen oder jede Maßnahme der Finanzbehörde, die der Verwirklichung der im Verwaltungsakt getroffenen rechtlichen Regelung dient.[1] Aus dem Verwaltungsakt dürfen bei Gewährung der AdV keine rechtlichen oder tatsächlichen Folgerungen gezogen werden.[2] Eine Verwirklichung des Regelungsinhalts i. d. S. ist nur erforderlich, wenn dieser in irgendeiner Form mittelbar oder unmittelbar eine Leistungspflicht oder Duldungspflicht zur Folge hat (s. Rz. 68). Nicht notwendig ist, dass aus dem Verwaltungsakt unmittelbar eine Vollstreckung durch die Finanzbehörde möglich sein muss, sondern die Vollziehung kann auch in anderer Weise geschehen. So ergibt sich z. B. die Vollziehbarkeit eines Grundlagenbescheids aus der Verpflichtung der Finanzbehörde, einen Folgebescheid zu erlassen.[3]

[1] BFH v. 22.7.1977, II B 34/74, BStBl II 1977, 838 m. w. N.
[3] Klein/Rätke, AO, 16. Aufl. 2022, § 361 Rz. 7.

1.4.2.3 Wirkungsdauer

 

Rz. 22

Die AdV-Entscheidung wird, sofern kein anderer Beginn in der AdV-Verfügung selbst festgelegt, mit ihrer Bekanntgabe wirksam, nicht erst mit Eintritt der Bestandskraft des gewährenden Verwaltungsakts bzw. der formellen Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung.[1] Die AdV entfaltet gem. § 361 Abs. 2 S. 2 AO von diesem Zeitpunkt an ihre Gestaltungswirkung für die Zukunft.[2] Demgegenüber wirkt die Aufhebung der Vollziehung nach § 361 Abs. 2 S. 3 AO zurück.[3] Wird die AdV nur gegen Sicherheitsleistung gewährt, so handelt es sich hierbei regelmäßig um eine Bedingung (s. Rz. 100), sodass...

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