Rz. 4

Personen, die nicht voll geschäftsfähig sind, können grundsätzlich im Rechtsverkehr nicht selbst mit Rechtswirkungen handeln. Nach § 79 Abs. 1 Nr. 1 und 2 AO sind sie ebenso wie im bürgerlichen Recht auch im Steuerrecht regelmäßig nicht zur Vornahme von Verfahrenshandlungen fähig. Soweit sie nach bürgerlichem Recht als geschäftsfähig oder nach öffentlichem Recht als handlungsfähig anerkannt sind oder behandelt werden, sind sie auch steuerlich handlungsfähig.[1]

Geschäftsunfähige natürliche Personen[2] können keine wirksamen Willenserklärungen abgeben[3] und sind auch von anderen rechtserheblichen Handlungen[4] ausgeschlossen.

Gemäß § 105a BGB gelten Geschäfte des täglichen Lebens eines volljährigen Geschäftsunfähigen bei Bewirkung von Leistung und Gegenleistung als vereinbart, wenn sie mit geringwertigen Mitteln bewirkt werden können.

Beschränkt geschäftsfähige natürliche Personen können Rechtsgeschäfte, durch die sie nicht nur rechtliche Vorteile erlangen[5], nicht ohne Einwilligung ihres gesetzlichen Vertreters wirksam eingehen.[6] Einseitige Rechtsgeschäfte des beschränkt Geschäftsfähigen sind ohne die Ermächtigung des gesetzlichen Vertreters unwirksam[7], Verträge schwebend unwirksam.[8]

 

Rz. 5

Minderjährige können von ihrem gesetzlichen Vertreter zum selbstständigen Betrieb eines Erwerbsgeschäfts[9] oder zur Eingehung eines Dienst- oder Arbeitsverhältnisses[10] ermächtigt werden (Rücknahme und Widerruf sind auf gleichem Weg wie die Ermächtigung möglich). Der Minderjährige ist dann für alle Rechtsgeschäfte unbeschränkt geschäftsfähig, die der Geschäftsbetrieb bzw. die Eingehung oder Aufhebung bzw. die Erfüllung der sich aus dem Arbeitsverhältnis ergebenden Verpflichtungen betreffen. Ausgenommen sind nur die Verträge, zu denen auch der gesetzliche Vertreter die Genehmigung des Vormundschaftsgerichts benötigt. Soweit der Minderjährige danach unbeschränkt geschäftsfähig ist, scheiden die Mitwirkung und die Pflichten des gesetzlichen Vertreters nach § 34 AO aus. Die Grenzen der teilweisen unbeschränkten Geschäftsfähigkeit sind nicht immer leicht zu finden. Zu dieser Geschäftsfähigkeit können nur solche steuerlichen Handlungen zählen, die ausschließlich den Bereich des Erwerbsgeschäfts bzw. des Dienst- oder Arbeitsverhältnisses betreffen. Das werden regelmäßig die mit der GewSt und USt zusammenhängenden Tätigkeiten, nicht dagegen die mit der ESt zusammenhängenden Handlungen sein. Auch der Antrag auf Durchführung des LSt-Jahresausgleichs betrifft nicht ausschließlich das Dienst- oder Arbeitsverhältnis und kann daher vom Minderjährigen auch dann nicht wirksam gestellt werden, wenn er zur Eingehung eines Dienst- oder Arbeitsverhältnisses ermächtigt worden ist.

Bei besonders bedeutsamen Rechtsgeschäften ist eine gerichtliche Genehmigung erforderlich.[11]

 

Rz. 6

Gesetzliche Vertreter natürlicher Personen sind

  • die Eltern[12],
  • der Elternteil oder die Eltern, dem bzw. denen im Fall der Scheidung oder des Getrenntlebens die elterliche Sorge übertragen worden ist[13],
  • die Mutter eines Kindes, dessen Eltern nicht miteinander verheiratet sind[14],
  • der Vormund für Minderjährige[15],
  • der Amtsvormund[16],
  • der Pfleger bzw. Betreuer im Fall der Betreuung eines Volljährigen aufgrund einer psychischen Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung[17] für den auf ihn übertragenen Aufgabenkreis[18] als Pfleger[19], z. B. bei Ergänzungspflegschaft, Abwesenheitspflegschaft, Gebrechlichkeitspflegschaft. Der Nachlasspfleger ist nach früher nicht einheitlicher Auffassung in beschränktem Umfang gesetzlicher Vertreter des Erben.[20] Das ergibt sich aus der Ausgestaltung seiner Rechte und Pflichten in §§ 1960ff. BGB. Das Zivilrecht sieht im Nachlasspfleger insoweit auch konsequent einen gesetzlichen Vertreter des unbekannten Erben,
  • der Ehegatte im Rahmen des § 1357 BGB für Bereiche, die steuerlich nicht relevant sind.

Keine gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen sind die Insolvenzverwalter[21], Konkursverwalter, Testamentsvollstrecker, Sequester, Nachlassverwalter und Vergleichsverwalter. Diese Personen sind jedoch – mit Ausnahme des Vergleichsverwalters – Vermögensverwalter i. S. d. § 34 Abs. 3 und unterliegen daher den gleichen Pflichtenregeln wie die gesetzlichen Vertreter. Im Erbschaftsteuerrecht haben Testamentsvollstrecker und Nachlassverwalter die Pflichten des gesetzlichen Vertreters.[22] Dies gilt jedoch nur für den Bereich des ErbStG. Sie werden dadurch auch nicht Schuldner der ErbSt.[23] Der Nachlasspfleger, der nach der hier vertretenen Auffassung ohnehin gesetzlicher Vertreter ist, hat nach §§ 31 Abs. 6, 32 Abs. 2 ErbStG die gleichen Pflichten wie die Testamentsvollstrecker und Nachlassverwalter.

[3] Nichtigkeit nach § 105 BGB.
[4] Z. B. Testamentserrichtung, § 2229 BGB; Vertretung eines anderen, § 165 BGB.
[5] Vgl. hierzu BGH v. 9.7.1980, V ZB 16/79, MDR 1981, 37.
[6] § 107 BGB; Ausnahme: § 110 BGB.
[9] § 112 BGB; Genehmigung des Vorm...

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