Rz. 57

§ 319 AO bestimmt, dass nicht nur §§ 850852 ZPO, sondern auch andere gesetzliche Bestimmungen über die Pfändung von Forderungen und Ansprüchen sinngemäß anzuwenden sind. Insoweit sind vor allem § 76 EStG und §§ 54, 55 SGB I zu beachten.[1]

[1] Klein/Werth, AO, 16. Aufl. 2022, § 319 Rz. 40.

4.1 Kindergeld (§ 76 EStG)

 

Rz. 58

§ 76 EStG regelt den Pfändungsschutz für den Anspruch auf Kindergeld i. S. v. § 62 EStG. Grundsätzlich ist das Kindergeld unbedingt unpfändbar.[1] Eine Ausnahme ist jedoch für den Fall vorgesehen, dass in den Anspruch auf Kindergeld wegen eines Unterhaltsanspruchs eines Kindes, das bei der Festsetzung des Kindergelds berücksichtigt wird, vollstreckt wird. In diesem Fall ist das Kindergeld pfändbar. § 76 EStG normiert jedoch auch für diese Art von Ansprüchen Obergrenzen für den pfändbaren Betrag. Grundsätzlich kann eine Pfändung nur bis zu der Höhe erfolgen, die sich bei gleichmäßiger Verteilung des Kindergelds auf alle Kinder ergibt. Eine Spezialregel ist für den Fall gegeben, dass das Kindergeld durch die Berücksichtigung eines weiteren Kindes erhöht ist, für das ein Dritter Kindergeld erhält. Die ausnahmsweise Pfändbarkeit des Kindergelds spielt für den Bereich der Verwaltungsvollstreckung nach der AO jedoch keine Rolle, sodass es für diesen Bereich bei der unbedingten Unpfändbarkeit des Kindergelds verbleibt. Die Vollstreckungsbehörde hat § 76 EStG dabei von Amts wegen zu berücksichtigen.[2]

[1] Beermann, in HHSp, AO/FGO, § 319 AO Rz. 109; vgl. auch § 54 Abs. 5 SGB I.
[2] Beermann, in HHSp, AO/FGO, § 319 AO Rz. 110.

4.2 Pfändungen nach dem SGB (§§ 54, 55 SGB I)

 

Rz. 59

§§ 54, 55 SGB I gewähren einen speziellen Pfändungsschutz für Sozialleistungsansprüche. § 54 Abs. 1 SGB I regelt dabei die Pfändbarkeit von Dienst- und Sachleistungen und § 54 Abs. 25 SGB I die von Geldleistungen. § 55 SGB I betrifft die Kontenpfändung. Ansprüche nach § 54 SGB I können z. B. Leistungen der Ausbildungsförderung, der Arbeitsförderung, Leistungen für Schwerbehinderte, der gesetzlichen Krankenkassen, der Pflegeversicherung, Leistungen bei Schwangerschaftsabbrüchen, der gesetzlichen Unfallversicherung, Rentenversicherung, aber auch Kindergeld, Wohngeld sowie Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe sein.[1] Es können dabei im Rahmen der Bestimmungen des SGB nicht nur fällige, sondern auch zukünftige Sozialleistungen gepfändet werden. Die Vollstreckungsbehörde hat sich in einem solchen Fall an den im Zeitpunkt der Pfändung erkennbaren Umständen zu orientieren.[2]

[1] Klein/Werth, AO, 16. Aufl. 2022, § 319 Rz. 38ff.

4.2.1 Dienst- und Sachleistungen (§ 54 Abs. 1 SGB I)

 

Rz. 60

§ 54 Abs. 1 SGB I normiert, dass sämtliche Ansprüche auf Dienst- und Sachleistungen unbedingt unpfändbar sind. Unter den Begriff der Dienst- und Sachleistung fallen dabei nur solche Dienst- und Sachleistungen, die nach §§ 310 SGB I gewährt werden und bereits beispielhaft genannt worden sind.[1]

[1] Beermann, in HHSp, AO/FGO, § 319 AO Rz. 112.

4.2.2 Geldleistungen (§ 54 Abs. 2–5 SGB I)

 

Rz. 61

§ 54 Abs. 25 SGB I regelt den Pfändungsschutz für Ansprüche auf Geldleistungen nach dem SGB. Ansprüche auf einmalige Geldleistungen können nach § 54 Abs. 2 SGB I nur gepfändet werden, wenn dies der Billigkeit entspricht. Im Rahmen der Billigkeitsprüfung hat die Vollstreckungsbehörde namentlich die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Leistungsberechtigten, die Art des beizutreibenden Anspruchs sowie den Zweck der Geldleistungen zu berücksichtigen. Im Rahmen der Interessenabwägung können jedoch auch andere Gesichtspunkte berücksichtigt werden.[1]

 

Rz. 62

§ 54 Abs. 35 SGB I bestimmt den Pfändungsschutz für laufende Geldleistungen. Insoweit besteht gem. § 54 Abs. 3 SGB I eine unbedingte Unpfändbarkeit für Erziehungsgeld und vergleichbare Leistungen der Länder, unter bestimmten Voraussetzungen für Mutterschaftsgeld nach § 13 Abs. 1 MuSchG sowie für Geldleistungen, die gewährt werden, um einen Mehraufwand für Körper- und Gesundheitsschäden auszugleichen. Unter letztere Kategorie fallen z. B. Leistungen nach §§ 14, 15, 31 BVG und § 31 Abs. 3 Nr. 1 SchwerbehindertenG. Nicht erfasst sind hingegen Leistungen nach §§ 30, 32 BVG.[2]

 

Rz. 63

Gemäß § 54 Abs. 5 SGB I sind Geldleistungen für Kinder grundsätzlich ebenfalls unbedingt unpfändbar, es sei denn, dass wegen gesetzlicher Unterhaltsansprüche des Kindes vollstreckt wird. Dies ist die Parallelvorschrift zu § 76 EStG. Da im Rahmen der Verwaltungsvollstreckung jedoch eine Vollstreckung wegen Unterhaltsansprüchen der Kinder ausscheidet, sind diese Geldleistungen für eine Vollstreckung nach § 319 AO ebenfalls unbedingt unpfändbar.[3]

 

Rz. 64

Für alle anderen Arten von Geldleistungen gilt nach § 54 Abs. 4 SGB I, dass diese nach den Vorschriften, die für die Pfändung von Arbeitseinkommen gelten, gepfändet werden können. Zu solchen Geldleistungen gehören z. B. Sozialplanabfindungen, Insolvenzausfallgeld, das von der Bundesagentur für Arbeit gezahlte Vorruhestandsgeld, Wohngeld und Ansprüche auf Altersrente. Für diese Art von Geldleistungen gelten die Pfändungsvorschriften der §§ 850ff. ZPO.[4]

[1] Loose, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 319 ...

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