1 Allgemeines

 

Rz. 1

Vorgängerbestimmung des § 302 AO war § 355 RAO.[1] Die entsprechende Regelung für das zivilprozessuale Vollstreckungsrecht ist § 821 ZPO.[2] Weitergehende Ausführungen zur Verwertung gepfändeter Wertpapiere finden sich in Abschn. 37 VollstrA.[3] Inhaltlich trifft § 302 AO besondere Regelungen für die Verwertung von Wertpapieren, die einen Börsen- oder Marktpreis haben. Damit wird den Besonderheiten dieser Art von Wertpapieren Rechnung getragen, die keine besondere Versteigerung erforderlich macht.[4] § 302 AO wird ergänzt durch § 303 AO, der die Umschreibung von Namenspapieren regelt.

[1] Müller-Eiselt, in HHSp, AO/FGO, § 302 AO Rz. 1.
[2] Herget, in Zöller, ZPO, 33. Aufl. 2020, § 821 ZPO Rz. 1ff.
[3] BStBl I 1980, 112.
[4] Müller-Eiselt, in HHSp, AO/FGO, § 302 AO Rz. 2.

2 Wertpapiere

 

Rz. 2

Wertpapiere i. S. d. Bestimmung sind Urkunden, die das in ihnen verbriefte Recht derart verkörpern, dass sie selbst zum Träger des Rechts werden.[1] Ferner ist der Besitz am Papier zur Ausübung des Rechts erforderlich.[2] Solche Papiere werden grundsätzlich wie bewegliche Sachen behandelt.[3] Eine Ausnahme hiervon bilden lediglich die indossablen Wertpapiere. Diese werden wie bewegliche Sachen gepfändet, aber nach § 312 AO wie Forderungen verwertet. Wertpapiere i. S. d. § 302 AO sind demnach grundsätzlich die Inhaberpapiere (z. B. Inhaberaktien, Inhaberschuldverschreibungen, Pfandbriefe), die kleinen Inhaberpapiere (Lotterielose, Theaterkarten und Fahrkarten) sowie die Orderpapiere.[4] § 302 AO gilt für diese Wertpapiere jedoch nur dann, wenn es einen Börsen- oder Marktpreis für sie gibt.[5]

[1] Ausführlich Müller-Eiselt, in HHSp, AO/FGO, § 302 AO Rz. 9ff.
[2] Palandt/Herrler, BGB, 79. Aufl. 2020, § 854 BGB Rz. 2ff.
[3] Loose, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 302 AO Rz. 1.
[4] Insbesondere Wechsel, Scheck, Namensaktie, Lagerschein, wenn als Orderpapier ausgestellt, Ladeschein, Konnossement; s. auch Müller-Eiselt, in HHSp, AO/FGO, § 302 AO Rz. 14.
[5] Loose, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 302 AO Rz. 2f.

3 Arten der Verwertung

3.1 Börsen- oder Marktpreis

 

Rz. 3

Besteht für ein Wertpapier ein Börsen- oder Marktpreis, erfolgt die Verwertung des gepfändeten Papiers, indem der Verkauf durch ein Kreditinstitut zum Tageskurs erfolgt.[1] Das Vorliegen eines Börsenpreises setzt voraus, dass die Papiere an einer Börse amtlich notiert werden, was insbesondere bei Aktien, Immobilienzertifikaten und Inhaberschuldverschreibungen der Fall sein dürfte. Der Tageskurs ist dabei die amtliche Notierung für abgeschlossene Geschäfte. Der Börsenpreis ist eine besondere Art des Marktpreises.[2] Unter dem Marktpreis i. S. d. § 302 AO ist der Preis zu verstehen, der für eine Ware einer bestimmten Gattung und Art und von durchschnittlicher Güte an einem Handelsplatz, an dem sie einen Markt hat, zu einer bestimmten Zeit im Durchschnitt gezahlt wird.[3] Ob ein Börsen- oder Marktpreis für ein Wertpapier besteht, hat die Vollstreckungsstelle zu ermitteln.

 

Rz. 4

Die Wochenfrist des § 298 Abs. 1 AO gilt im Fall einer Verwertung zum Börsen- oder Marktpreis nicht, da der Verkauf umgehend zum Tageskurs zu erfolgen hat. Ob im Einzelfall jedoch dem Schuldner vor dem Verkauf Gelegenheit zur Zahlung gegeben wird, liegt im sachgemäßen Ermessen der Vollstreckungsstelle. Die Veräußerung durch die Bank ist zivilrechtlicher Natur, der Eigentumsübergang erfolgt nach § 929 BGB.

[2] Müller-Eiselt, in HHSp, AO/FGO, § 302 AO Rz. 18.
[3] Müller-Eiselt, in HHSp, AO/FGO, § 302 AO Rz. 17.

3.2 Andere Wertpapiere

 

Rz. 5

Gibt es keinen Börsen- oder Marktpreis, erfolgt die Verwertung nach den allgemeinen Bestimmungen durch Versteigerung oder besondere Verwertung.[1] Dabei ist dann die Wochenfrist des § 298 Abs. 1 AO zu beachten. Zur Wertermittlung kann ein Sachverständiger hinzugezogen werden.[2]

[1] Abschn. 37 Abs. 1 S. 2 VollstrA; Klein/Werth, AO, 15 Aufl. 2020, § 302 Rz. 4.
[2] Müller-Eiselt, in HHSp, AO/FGO, § 302 AO Rz. 21.

4 Folgen eines Verstoßes

 

Rz. 6

Ein Verstoß gegen § 302 AO hat nicht etwa eine Nichtigkeit der Veräußerung zur Folge. Es kann aber eine Amtspflichtverletzung seitens der Vollstreckungsbehörde vorliegen, etwa wenn sie die Wertpapiere nicht aus freier Hand verkauft. Als Folge können sich Schadensersatzansprüche nach § 839 BGB i. V. m. Art. 34 GG ergeben.[1]

[1] Palandt/Sprau, BGB. 79. Aufl. 2020, § 839 BGB Rz. 11ff.

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