1 Grundlagen

 

Rz. 1

§ 292 Abs. 1 AO entspricht § 345 RAO.[1] Hingegen gab es eine § 292 Abs. 2 AO entsprechende Bestimmung in der RAO nicht. Für das zivilprozessuale Vollstreckungsverfahren trifft § 775 ZPO eine analoge Regelung, die sprachlich leicht anders gefasst ist und zudem für sämtliche Arten der Zwangsvollstreckung Anwendung findet.[2] Insgesamt eröffnet § 292 AO fünf Möglichkeiten, die Pfändung durch einen Vollziehungsbeamten abzuwenden. § 292 AO stellt eine Ausnahme von dem Grundsatz dar, dass Einwendungen des Vollstreckungsschuldners die Durchführung der Vollstreckung durch den Vollziehungsbeamten nicht hindern.[3] Die aufgeführten Möglichkeiten sind abschließend.[4]

[1] Zur Historie Müller-Eiselt, in HHSp, AO/FGO, § 292 AO Rz. 1.
[2] Geimer, in Zöller, ZPO, 33. Aufl. 2020, § 775 ZPO Rz. 2.
[3] Müller-Eiselt, in HHSp, AO/FGO, § 292 AO Rz. 3.
[4] Müller-Eiselt, in HHSp, AO/FGO, § 292 AO Rz. 9.

2 Anwendungsbereich und Wirkung des § 292 AO

 

Rz. 2

Inhaltlich stellt § 292 AO dar, wie der Vollstreckungsschuldner die Pfändung durch einen Vollziehungsbeamten abwenden kann. Wer Vollstreckungsschuldner ist, bestimmt sich nach § 253 AO. § 292 AO gilt dabei nur für die Fälle, in denen eine Vollstreckung in Sachen erfolgt, und kann nur gegenüber einem Vollziehungsbeamten geltend gemacht werden. Eine analoge Anwendung von § 292 AO auf die Forderungspfändung scheidet aufgrund der eindeutigen systematischen Stellung der Vorschrift im Abschnitt, der die Vollstreckung in Sachen regelt, aus.[1]

 

Rz. 3

Über den eigentlichen Wortlaut des § 292 AO hinaus findet diese Bestimmung aber auch Anwendung im Rahmen der Verwertung von bereits gepfändeten Sachen. Gemäß § 296 Abs. 1 Hs. 2 AO findet § 292 AO entsprechende Anwendung bei der Verwertung von gepfändeten Sachen. Auch in diesem Stadium kann der Vollstreckungsschuldner noch durch die in § 292 AO genannten Maßnahmen die Verwertung der gepfändeten Sache abwenden.[2]

 

Rz. 4

Erbringt der Vollstreckungsschuldner einen der Nachweise des § 292 AO oder zahlt er den Betrag an den Vollziehungsbeamten, hat dies zur Folge, dass der Vollziehungsbeamte die Pfändung nicht mehr durchführen darf. Die Zahlung gegenüber dem Vollziehungsbeamten hat dabei nach § 47 AO das Erlöschen der Steuerforderung zur Folge. Wird die Handlung nur hinsichtlich eines Teilbetrags des geschuldeten Betrags vorgenommen, bleibt die Pfändungs- oder Wegnahmemöglichkeit für den verbleibenden Betrag gleichwohl bestehen.[3] Werden dabei keine Dispositionen hinsichtlich der Verwendung eines Teilbetrags seitens des Stpfl. getroffen, wozu dieser nach § 225 Abs. 1 AO berechtigt ist, ist nach § 225 Abs. 2 AO vorzugehen.

 

Rz. 5

Ein Verstoß gegen § 292 AO eröffnet die Möglichkeit eines Einspruchs nach § 347 Abs. 1 AO.[4] Die Vollstreckung ist also anfechtbar, aber nicht nichtig. In Betracht kann aber u. U. ein Amtshaftungsanspruch nach § 839 BGB i. V. m. Art. 34 GG kommen, der vor den ordentlichen Gerichten geltend zu machen ist.

[1] Ebenso Klein/Werth, AO, 15. Aufl. 2020, § 292 Rz. 3; a. A. Müller-Eiselt, in HHSp, AO/FGO, § 292 AO Rz. 7; Koenig/Fritsch, AO, 3. Aufl. 2014, § 292 Rz. 2; einschränkend Loose, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 292 AO Rz. 1; Fischer, in Leopold/Madle/Rader, AO, § 292 AO Rz. 1.
[2] Müller-Eiselt, in HHSp, AO/FGO, § 292 AO Rz. 6.
[3] Loose, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 292 AO Rz. 8.
[4] Loose, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 292 AO Rz. 9; Müller-Eiselt, in HHSp, AO/FGO, § 292 AO Rz. 27; Fischer, in Leopold/Madle/Rader, AO, § 292 AO Rz. 10.

3 Möglichkeiten der Pfändungsabwehr

3.1 Zahlung an den Vollziehungsbeamten

 

Rz. 6

Die erste im Gesetz genannte Möglichkeit, eine Pfändung abzuwenden, besteht nach § 292 Abs. 1 Alt. 1 AO darin, den geschuldeten Betrag an den Vollziehungsbeamten zu zahlen. Hierbei kommt eine Zahlung in bar oder mittels eines Schecks in Betracht.[1] Der Vollziehungsbeamte ist dabei zur Entgegennahme der Zahlungsmittel ausdrücklich berechtigt, da nach § 224 Abs. 1 AO Zahlungen an die Finanzbehörden grundsätzlich an die Finanzkasse zu richten sind. Durch die Zahlung erlischt der Anspruch, den der Vollziehungsbeamte mittels der Sachpfändung vollstreckt. Das Erlöschen tritt dabei bei der Annahme von Bargeld bereits mit der Entgegennahme des Bargelds an den Vollziehungsbeamten ein und nicht erst, wenn dieser den Betrag an die Finanzkasse weiterleitet.[2] Das Risiko eines Untergangs oder auch einer Unterschlagung von Bargeld trägt die Finanzverwaltung somit ab dem Zeitpunkt der Entgegennahme des Bargelds, da sie mit der Entgegennahme Eigentum erwirbt.[3]

 

Rz. 7

Bei einer Zahlung mit einem Scheck bestehen einige Besonderheiten, die es zu beachten gilt. So bestehen hinsichtlich der Entgegennahme von Schecks einige Einschränkungen.[4] Insbesondere soll der Vollstreckungsbeamte diese nicht annehmen, wenn zu befürchten steht, dass keine Deckung für eine sofortige Einlösung gegeben ist, etwa weil der Vollstreckungsschuldner bereits zuvor ungedeckte Schecks eingereicht hat. Zudem tritt bei der Entgegennahme eines Schecks ein Erlöschen der Forderung der Finanzverwaltung erst mit der Einlösung des Schecks ein, weil die Hingabe eines Schecks regelmäßig erfüllungs...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Steuer Office Excellence. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge