1 Allgemeines

1.1 Inhalt und Bedeutung

 

Rz. 1

§ 270 AO legt den allgemeinen Aufteilungsmaßstab für die rückständige Steuer fest. S. 1 bestimmt, dass die rückständige Steuer nach dem Verhältnis der Beträge aufzuteilen ist, die sich bei einer Einzelveranlagung nach Maßgabe des § 26a EStG und der §§ 271 bis 276 AO ergeben würden. S. 2 ordnet an, dass bei der Ermittlung der fiktiven Einzelsteuerbeträge die tatsächlichen und rechtlichen Feststellungen maßgebend sind, die der Steuerfestsetzung bei der Zusammenveranlagung zugrunde gelegt wurden, soweit nicht die Anwendung der Vorschriften über die Einzelveranlagung zu Abweichungen führt.

1.2 Anwendungsbereich

 

Rz. 2

Die Bezugnahme auf die sich "bei Einzelveranlagung nach Maßgabe des § 26a des Einkommensteuergesetzes" ergebenden Beträge beschränkt den unmittelbaren Anwendungsbereich des § 270 AO auf die ESt. Die sich aus § 270 AO ergebenden Aufteilungsgrundsätze galten aber auch für die Aufteilung der bis 1996 erhobenen VSt, weil § 271 AO keinen davon abweichenden Aufteilungsmaßstab festlegte, sondern nur nähere Bestimmungen darüber traf, wie die nach § 270 AO ins Verhältnis zu setzenden Steuerbeträge für die einzelnen Gesamtschuldner zu ermitteln waren.

Bei einer Zusammenveranlagung von im selben Jahr verstorbenen Ehegatten sind Abschlusszahlungen für das Todesjahr analog § 270 AO aufzuteilen und als Nachlassverbindlichkeiten gem. § 10 Abs. 1 Nr. 5 ErbStG beim jeweiligen Erwerb von Todes wegen abzugsfähig.[1]

Analoge Anwendung findet § 270 AO darüber hinaus, wenn für Unterhaltszwecke das Nettoeinkommen eines der Ehegatten zu ermitteln ist[2] oder eine nach der Trennung fällig gewordene ESt-Schuld und die sich daraus ergebenden Erstattungsansprüche bzw. Nachzahlungspflichten zusammen veranlagter Ehegatten im Innenverhältnis aufzuteilen sind.[3]

1.3 Verhältnis zu anderen Vorschriften

 

Rz. 3

Der in S. 1 festgelegte Aufteilungsmaßstab und die sich aus S. 2 ergebende Bindung an die der Steuerfestsetzung zugrunde gelegten tatsächlichen und rechtlichen Feststellungen gilt auch in den Fällen der §§ 271-273 AO, d. h. für die Aufteilung der VSt sowie von Vorauszahlungen und Steuernachforderungen.

§ 274 AO erlaubt abweichend davon unter bestimmten Voraussetzungen die Aufteilung nach einem von den Gesamtschuldnern gemeinschaftlich vorgeschlagenen Maßstab.

§ 276 AO trifft nähere Regelungen dazu, wie die nach § 270 AO aufzuteilende rückständige Steuer zu ermitteln ist.

2 Aufteilung der rückständigen Steuer (Satz 1)

 

Rz. 4

Nach § 270 S. 1 AO ist die rückständige Steuer im Verhältnis der Beträge aufzuteilen, die sich bei Einzelveranlagung nach Maßgabe des § 26a EStG ergeben würden. Eine Aufteilung nach dem Verhältnis der Besteuerungsgrundlagen (zu versteuerndes Einkommen, Vermögen) hätte bei der – durch einen progressiven Tarifverlauf gekennzeichneten – ESt den Ehegatten mit dem niedrigeren Einkommen benachteiligt.[1]

Bei den fiktiven Einzelveranlagungen sind jedem Ehegatten die Besteuerungsgrundlagen zuzurechnen, die ihm bei der Zusammenveranlagung zugeordnet worden sind. Soweit ausdrückliche Regelungen[2] fehlen, sind die Besteuerungsgrundlagen demjenigen Ehegatten zuzurechnen, in dessen Person der jeweilige Tatbestand verwirklicht worden ist. Ist eine rückständige Steuer aufzuteilen, die nach geschätzten Besteuerungsgrundlagen festgesetzt worden ist, sind die für die Ehegatten geschätzten Beträge auch bei den fiktiven Einzelveranlagungen anzusetzen.[3] Die beiden sich dabei nach dem Grundtarif ergebenden Steuerbeträge bilden das Verhältnis, nach dem die aus der Zusammenveranlagung resultierende rückständige Steuer aufgeteilt wird (vgl. dazu das Bsp. in Rz. 5).

In dem seltenen Ausnahmefall, dass die Einzelveranlagungen Steuerfestsetzungen von jeweils 0 EUR ergeben, die Zusammenveranlagung jedoch zu einer Steuerschuld führt, ist die rückständige Steuer hälftig aufzuteilen.[4]

 

Rz. 5

 
Praxis-Beispiel
 
Ermittlung des Verhältnisses durch fiktive Einzelveranlagungen
Eine Steuerfestsetzung im Weg der Zusammenveranlagung
ergibt nach einem zu versteuernden Einkommen von 102.840 EUR
gemäß Splittingtarif 2023 eine ESt von 23.746 EUR
Hierauf sind durch Vorauszahlungen gezahlt 20.736 EUR
Aufzuteilende rückständige ESt 3.010 EUR
Das zu versteuernde Einkommen des Ehegatten A von 65.726 EUR
ergibt gemäß Grundttarif 2023 eine ESt von 17.631 EUR
und das zu versteuernde Einkommen des Ehegatten B von 37.114 EUR
gemäß Grundtarif 2023 eine ESt von 6.886 EUR
Die Summe der ESt-Beträge aus den fiktiven Einzelveranlagungen beträgt damit 24.517 EUR
   
Die Aufteilung der rückständigen Steuer von 3.010 EUR
ergibt für A einen Anteil von 17.631/24.517 = 2.164,59 EUR
und für B einen Anteil von 6.886/24.517 = 845,41 EUR
[2] Wie z. B. in § 26a Abs. 2 EStG.
[3] Ebenso Schlücking, DStR 1985, 142.
[4] Drüen, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 270 AO Rz. 4; Müller-Eiselt, in HHSp, AO/F...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Steuer Office Excellence. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge