Rz. 3

§ 737 ZPO (Zwangsvollstreckung bei Vermögens- oder Erbschaftsnießbrauch)

(1) Bei dem Nießbrauch an einem Vermögen ist wegen der vor der Bestellung des Nießbrauchs entstandenen Verbindlichkeiten des Bestellers die Zwangsvollstreckung in die dem Nießbrauch unterliegenden Gegenstände ohne Rücksicht auf den Nießbrauch zulässig, wenn der Besteller zu der Leistung und der Nießbraucher zur Duldung der Zwangsvollstreckung verurteilt ist.

(2) Das Gleiche gilt bei dem Nießbrauch an einer Erbschaft für die Nachlassverbindlichkeiten.

Gem. § 1086 S. 1 BGB kann der Gläubiger des Nießbrauchbestellers ohne Rücksicht auf den Nießbrauch an einem Vermögen die Befriedigung aus den dem Nießbrauch unterliegenden Gegenständen verlangen,[1] soweit seine Forderung vor der Bestellung des Nießbrauchs entstanden ist. Als Forderungen kommen die Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis in Betracht. Deren Entstehung richtet sich nach den Einzelsteuergesetzen oder nach § 38 AO. Um den Fiskus mit privaten Gläubigern gleichzustellen, gelten darüber hinaus auch die zu § 1086 S. 1 BGB und § 737 ZPO entwickelten Maßstäbe und somit vergleichbare Grundsätze wie im Insolvenzrecht.[2] Ausreichend ist es daher, wenn der Rechtsgrund für die Entstehung der Steuerforderung vor dem Zeitpunkt der Bestellung des Nießbrauchs zumindest gelegt ist.[3] Aus diesem Grund fallen auch bedingte oder betagte Forderungen in den Anwendungsbereich der Vorschrift.[4] Wird wegen einer nach Bestellung des Nießbrauchs entstandenen Forderung vollstreckt, steht dem Nießbraucher hinsichtlich jedes einzelnen gepfändeten Gegenstands die Widerspruchsklage nach § 262 AO zu.[5] Mit der Beendigung des Nießbrauchs entfällt im Übrigen die Anwendbarkeit des § 264 AO.

 

Rz. 4

Für die Dauer des Nießbrauchs haftet der Nießbrauchsberechtigte neben dem Besteller gesamtschuldnerisch für Zinsen solcher Forderungen gegen den Besteller, die vor Bestellung des Nießbrauchs an dem Vermögen entstanden und verzinslich waren.[6] Diese Haftung ist durch Haftungsbescheid nach §§ 191, 219 AO geltend zu machen[7]

[1] Loose, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 264 AO Rz. 1; Klein/Werth, AO, 16. Aufl. 2022, § 264 Rz. 3.
[2] Klein/Werth, AO, 16. Aufl. 2022, § 264 Rz. 3; Koenig/Klüger, AO, 4. Aufl. 2021, § 264 Rz. 4; Müller-Eiselt, in HHSp, AO/FGO, § 264 AO Rz. 8.
[3] Heßler, in MüKo ZPO, § 737 ZPO Rz. 9.
[4] Koenig/Klüger, AO, 4. Aufl. 2021, § 264 Rz. 4.
[5] Müller-Eiselt, in HHSp, AO/FGO, § 264 AO Rz. 8.
[7] Koenig/Klüger, AO, 4. Aufl. 2021, § 264 Rz. 4; Abschn. 28 Abs. 2 VollstrA.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Steuer Office Excellence. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge