Rz. 10

§ 229 Abs. 1 S. 2 Halbs. 1 AO enthält eine Anlaufhemmung für diejenigen Steuern, die durch Steuerbescheid festzusetzen sind. Danach beginnt der Lauf der Zahlungsverjährungsfrist frühestens mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Festsetzung der Steuer, ihre Aufhebung, Änderung oder Berichtigung nach § 129 AO wirksam[1] geworden ist. Gäbe es diese Regelung nicht, würde die bloße Anknüpfung an die Fälligkeit zu erheblichen praktischen Problemen führen. Bei den Veranlagungssteuern[2] sind die Ansprüche auf die Vorauszahlungen und die Abschlusszahlungen entsprechend den jeweiligen einzelgesetzlichen Bestimmungen jeweils zu verschiedenen Zeitpunkten fällig.[3] Dadurch würde auch die Zahlungsverjährungsfrist für die jeweiligen Teilbeträge unterschiedlich zu berechnen sein.[4]

Dann entspräche die Berechnung des Ablaufs der Zahlungsverjährungsfrist den Berechnungsmodalitäten der Vollverzinsung nach § 233a AO hinsichtlich der jeweiligen Fälligkeiten der einzelnen Zahlungsansprüche aus einer Steuerart im gleichen Veranlagungszeitraum, was dort ganz wesentlich zu den bestehenden Anwendungsproblemen beiträgt.

Rz. 11 einstweilen frei

 

Rz. 12

Soweit nach den Einzelsteuergesetzen Fälligkeit eintritt, bevor die Steuer angemeldet oder festgesetzt worden ist, enthält Abs. 1 S. 2 eine Sonderregelung. Diese Sonderregelung ist notwendig, da auch in diesen Fällen erst die Steueranmeldung oder Steuerfestsetzung die Voraussetzungen für die Durchsetzung des Zahlungsanspruchs schafft, also verhindert werden muss, dass die Verjährungsfrist bereits zu laufen beginnt, bevor der Anspruch durchgesetzt werden kann. Betroffen sind die sog. Fälligkeitssteuern; es handelt sich im Wesentlichen um folgende Fälle:

  • LSt[5],
  • KapESt[6],
  • Bauabzugsteuer[7],
  • Abzugsteuer bei beschränkt Stpfl.[8],
  • USt-Vorauszahlung[9]; dies gilt nicht für die Abschlusszahlung, deren Fälligkeit nach § 18 Abs. 4 S. 1, 2 UStG von dem Eingang der Steueranmeldung bzw. der Steuerfestsetzung abhängig ist,
  • Versicherungsteuer[10],
  • Rennwett- und Lotteriesteuer[11],
  • Biersteuer[12],
  • Kaffeesteuer[13],
  • Tabaksteuer[14],
  • Energiesteuer[15],
  • Stromsteuer[16] und
  • Kernbrennstoffsteuer.[17]

Für diese Fälle enthält § 229 Abs. 1 S. 2 Halbs. 2 AO durch Verweisung auf Halbs. 1 eine Anlaufhemmung, wonach der Lauf der Verjährungsfrist frühestens mit Ablauf des Kalenderjahres beginnt, in dem die Festsetzung der Steuer nach § 124 AO wirksam geworden ist. Ist eine Steueranmeldung abzugeben, beginnt die Verjährungsfrist mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steueranmeldung abgegeben wurde, bei Herabsetzung oder Vergütung der Steuer mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem nach § 168 S. 2 AO die Zustimmung des FA erteilt wurde. Die Anlaufhemmung[18] dient dazu, zu vermeiden, dass der Stpfl. durch verzögerte Abgabe der Anmeldung die Frist der Zahlungsverjährung verkürzen kann.[19]

Ist eine Steuerfestsetzung erfolgt oder eine Steueranmeldung abgegeben, tritt Fälligkeit auch hinsichtlich derjenigen Beträge ein, die nicht in der Steuerfestsetzung bzw. Steueranmeldung erfasst sind.[20]

 

Rz. 13

Durch Gesetz v. 21.12.1993[21] ist die Regelung über die Anlaufhemmung bei Festsetzung, Aufhebung oder Änderung des Steuerbescheids auch auf die Berichtigung der Steuerfestsetzung nach § 129 AO ausgedehnt worden. Die Zahlungsverjährung beginnt damit erst mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Berichtigung der Steuerfestsetzung nach § 129 AO durchgeführt wurde, aus der sich der Anspruch ergibt.

 

Rz. 14

Ergeben sich aus der Änderung der Steuerfestsetzung bzw. der Steueranmeldung Erstattungsansprüche, beginnt auch die Frist für die Zahlungsverjährung für den Erstattungsanspruch gegen den Fiskus mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem diese Änderung wirksam geworden ist.[22] Es muss sich jedoch um eine Änderung der Steuerfestsetzung gerade gegen den Stpfl. handeln, die den infrage stehenden Erstattungsanspruch betrifft. Die Regelung gilt nicht bei Änderung der Steuerfestsetzung in einem Parallelverfahren gegen den Stpfl. wegen eines anderen Steuerjahres oder gegen einen Dritten, auch wenn es sich insoweit um einen Musterprozess handelt.[23] In diesen Fällen beginnt also der Lauf der Verjährungsfrist u. U. erhebliche Zeit nach Eintritt der Fälligkeit. Ist der Erstattungsanspruch nicht von dem Erlass, der Aufhebung, Änderung oder Berichtigung einer Steuerfestsetzung abhängig, beginnt die Frist für die Zahlungsverjährung mit Fälligkeit. Eine Anlaufhemmung besteht insoweit nicht.

 

Rz. 15

Wird eine Steuerfestsetzung durch das Gericht aufgehoben oder geändert, so wird diese Entscheidung als Gestaltungsurteil (Anfechtungsurteil) erst mit Eintritt der Rechtskraft wirksam. Ergibt sich aus der Aufhebung oder Änderung der Steuerfestsetzung ein Erstattungsanspruch des Stpfl., so wird dieser Anspruch erst mit Rechtskraft des Urteils fällig, die Zahlungsverjährung beginnt also erst mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem das Urteil rechtskräftig geworden ist.[24]

[2] ESt, KSt, GewSt, USt, GrSt.

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