3.2.3.1 Grundsatz

 

Rz. 19

Wird eine Steuer, eine Steuervergütung oder eine steuerliche Nebenleistung festgesetzt und ergibt die Abrechnung oder, wenn eine solche nicht erforderlich ist (z. B. bei Festsetzung eines Verspätungszuschlags oder Zwangsgelds), die Festsetzung selbst einen Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis, so ist dieser frühestens mit der Bekanntgabe des Verwaltungsakts der Festsetzung fällig. Der Wortlaut des Abs. 2 S. 2 ist dabei nicht eindeutig. Durch Auslegung nach dem Sinn der Vorschrift ist aber unschwer zu erkennen, dass "ergibt sich" nicht mit "entsteht" gleichzusetzen ist. Gemeint ist vielmehr, dass bei Betrachtung der Erhebungssituation im Anschluss an die Festsetzung einer Steuer, Steuervergütung, einer steuerlichen Nebenleistung oder eines Haftungsanspruchs das (Noch-)-Bestehen eines Anspruchs aus dem Steuerschuldverhältnis "sich ergibt", ein solcher Anspruch also sichtbar wird.

3.2.3.2 Anwendungsbereich

 

Rz. 20

Weil der Wortlaut des Abs. 2 S. 2 nicht irreführend ist, darf für die Vorschrift auch nicht ein Inhalt konstruiert werden, für den in ihr oder an anderer Stelle kein Hinweis und keine Andeutung vorhanden sind. Abs. 2 S. 2 kann auf Fälle der Festsetzung ohne Rücksicht darauf anzuwenden sein, ob die Festsetzung im Gesetz angeordnet ist oder nicht.[1] Für die Steuern, die Steuervergütungen und die meisten steuerlichen Nebenleistungen ist eine Festsetzung ebenso gesetzlich vorgeschrieben wie für die Haftung, sofern sie geltend gemacht werden soll. Aber auch im Fall der Festsetzung von Säumniszuschlägen, die nach dem Gesetz nicht erforderlich ist, und in ähnlichen Fällen gilt Abs. 2 S. 2.

 

Rz. 21

Abs. 2 S. 2 gilt für alle Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis. Die nach dem Wortlaut der Vorschrift offene Frage, ob auch die früher dort nicht genannten Haftungsansprüche hierunter fallen, ist durch klarstellende Änderung der Vorschrift im Mißbrauchsbekämpfungs- und SteuerbereinigungsG v. 21.12.1993, BGBl I 1993, 2310 in Übereinstimmung mit der bis dahin bereits h. M.[2] positiv gelöst worden.

[1] A. A. Loose, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 220 AO Rz. 10; Alber, in HHSp, AO/FGO, § 220 AO Rz. 58; Koenig/Klüger, AO, 4. Aufl. 2021, § 220 Rz. 9.

3.2.3.3 Fälligkeit mit Festsetzung

 

Rz. 22

Der Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis wird in den Fällen des Abs. 2 frühestens mit der Bekanntgabe der Steuerfestsetzung fällig. Gibt es eine gesetzliche Fälligkeit, ist allein diese für die Fälligkeit maßgebend und Abs. 2 S. 2 nicht anwendbar. Das gilt z. B. auch in den Fällen des § 36 Abs. 4 S. 2 EStG, in denen sich bei der Abrechnung der ESt-Jahressteuerschuld mit Vorauszahlungen und Steuerabzugsbeträgen ein Überschuss zugunsten des Stpfl. ergibt. Nach – also mit – der Bekanntgabe des Steuerbescheids wird der Erstattungsbetrag gem. § 36 Abs. 4 S. 2 EStG fällig. Das Einzelsteuergesetz geht nach § 220 Abs. 1 AO vor, auch wenn das Ergebnis mit dem des nichtanwendbaren Abs. 2 S. 2 übereinstimmt. Ist in anderen Fällen eine über den Zeitpunkt der Bekanntgabe hinausgehende längere Zahlungsfrist gegeben, so z. B. durch die in der Zahlungsaufforderung genannte Frist, tritt der Bekanntgabezeitpunkt für die Fälligkeit zurück.[1]

 

Rz. 23

Ist keine längere Zahlungsfrist vorhanden, wird der Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis mit Bekanntgabe der Steuerfestsetzung[2] fällig. Das gilt vor allem für Festsetzungen von Steuern, aus deren Abrechnung – außer im Fall der ESt nach § 36 Abs. 4 S. 2 EStG und der KSt über § 31 Abs. 1 KStG – ein Erstattungsanspruch folgt, sowie von Steuervergütungen und Erstattungszinsen.[3] Die Ansprüche auf Erstattung, Vergütung oder Zahlung von Erstattungszinsen sind mit der Bekanntgabe fällig.

 

Rz. 24

Bei Erstattungs- und Vergütungsansprüchen, für die die Festsetzung durch Steueranmeldungen[4] geschieht, ist zu beachten, dass die Festsetzung nach § 168 S. 2 AO erst mit der Zustimmung der Finanzbehörde anzunehmen ist. Eine solche ist nicht bereits mit der verwaltungsinternen Einwilligung, sondern mit ihrem Bekanntwerden beim Stpfl. anzunehmen.[5] Die Abhängigkeit von der bekannt gewordenen Zustimmung gilt vor allem für die USt, bei der sowohl die Voranmeldungen als auch die Jahressteuererklärungen Steueranmeldungen sind.[6] Erst mit dieser – späteren – fiktiven Festsetzung nach § 168 S. 2 AO kann Fälligkeit eintreten.[7]

 

Rz. 25

Als Festsetzung und damit als Anknüpfungspunkt für die Fälligkeit ist auch jede Änderungsfestsetzung oder Aufhebung einer Festsetzung zu verstehen, aus der ein zu zahlender oder zu erstattender Betrag folgt. Ergibt sich ein Erstattungs- oder Vergütungsanspruch aus der Änderung oder Aufhebung einer Festsetzung durch ein FG, so ist mit der Bekanntgabe der Entscheidung des Gerichts die Festsetzung noch nicht wirksam. Sie ist erst mit der Rechtskraft der Gerichtsentscheidung vorhanden.[8]

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