Rz. 12

Die Nachschau besteht in dem Betreten von Grundstücken und Räumen von Personen, die eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbstständig ausüben und denen ein der Steueraufsicht unterliegender Sachverhalt zuzurechnen ist, um potenziell besteuerungsrelevante Prüfungen vorzunehmen oder sonstige Feststellungen zu treffen. Das Nachschaurecht besteht nur während der Geschäfts- und Arbeitszeiten.

Abs. 1 regelt nur die Befugnis zum Betreten, nicht zum Durchsuchen, von Grundstücken und Räumen im oben genannten Sinne. Weitergehend als "Betreten …, um Prüfungen vorzunehmen oder sonst Feststellungen zu treffen", ist unter "Durchsuchung" das ziel- und zweckgerichtete Suchen staatlicher Organe nach Personen oder Sachen oder zur Ermittlung eines Sachverhalts zu verstehen, um etwas aufzuspüren, das der Inhaber der Wohnung von sich aus nicht offenlegen oder herausgeben will.[1] Wird im Rahmen der Nachschau eine derartige Durchsuchung erforderlich, so wird man dafür im Hinblick auf den zu Art. 13 Abs. 2 GG ergangenen Beschluss des BVerfG v. 3.4.1979, BStBl II 1979, 601 – außer bei Gefahr im Verzug – eine richterliche Anordnung verlangen müssen. Das ergibt sich schon aus einer Gegenüberstellung des § 210 Abs. 1 AO mit § 210 Abs. 2 S. 2 AO.

Das Betreten von Räumen fällt unter das in Art. 13 Abs. 1 GG garantierte Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung. Nach der Rspr. des BVerfG rechnen zur Wohnung nicht nur die Wohnung i. e. S., d. h. die privaten Wohnräume, sondern es zählen hierzu auch die Arbeits-, Betriebs- und Geschäftsräume des Bürgers.[2] Bei Geschäftsräumen besteht der Schutz des Art. 13 GG jedoch nicht vor einem Betreten, da Geschäftsräume im Allgemeinen jedermann zugänglich sind, sondern nur vor einem Durchsuchen der Räume. Die Nachschau nach § 210 Abs. 1 AO befugt nur zum Betreten von Geschäftsräumen, das keinen Eingriff in den Schutzbereich des Art. 13 GG darstellt.

 

Rz. 13

Das Nachschaurecht ist, durch die neu eingefügte Beschränkung[3] der Nachschau auf Grundstücke und Räume von Personen, die eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbstständig ausüben, nicht mehr in privaten Wohnräumen gestattet. Dies ergibt sich zwar nicht unzweifelhaft aus der Formulierung der Beschränkung, denn gewählter Anknüpfungspunkt sind die Personen, die eine selbstständige Tätigkeit ausüben und nicht die Grundstücke und Räume, in bzw. auf denen eine selbstständige Tätigkeit ausgeübt wird. Aus der Begründung des Gesetzesentwurfs[4] geht jedoch ausdrücklich hervor, "dass sich das Betretungsrecht des Abs. 1 nicht auf Wohnräume erstreckt". Wohnräume können nur auf der Grundlage des Abs. 2 betreten und durchsucht werden, wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 erfüllt sind. Zweifelhaft ist das Nachschaurecht, wenn Wohnräume zu Geschäftszwecken benutzt werden. Nach Schallmoser, in HHSp, AO/FGO, § 210 AO Rz. 10 sollte die Frage in Anlehnung an eine Entscheidung des BVerfG v. 13.10.1971, BVerfGE 32, 54, 76 nach dem äußeren Erscheinungsbild oder einem Widmungsakt nach außen, z. B. einer Betriebsanmeldung, zu entscheiden sein. Wenn der Betroffene den Raum nach außen öffnet, ist der Raum als Geschäftsraum zu behandeln. Wegen des besonderen verfassungsrechtlichen Schutz des Wohnraums durch Art. 13 GG ist es gerechtfertigt, einen äußerlich erkennbaren Anhaltspunkt für die Nutzung als Geschäftsraum vorauszusetzen.

Die Grundstücke und Räume brauchen nicht im Eigentum der duldungspflichtigen Personen zu stehen; ausreichend ist eine rechtliche bzw. tatsächliche Verfügungsbefugnis über die zu betretende Sache, etwa ihr Besitz. Es dürfen also nicht Grundstücke und Räume beliebiger Personen betreten werden.

 

Rz. 14

§ 210 Abs. 1 AO sieht als Verpflichtete für die Duldung der Nachschau Personen an, die eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbstständig ausüben und denen ein der Steueraufsicht i. S. v. § 209 AO unterliegender Sachverhalt zuzurechnen ist. Die Differenzierung zwischen "gewerblicher" und "beruflicher" Tätigkeit macht das Nachschaurecht unabhängig von einem angemeldeten und genehmigten Gewerbebetrieb; entscheidend ist, dass ein steuerrechtlich relevante Tätigkeit nicht nur vorübergehend und zur Gewinnerzielung ausgeübt wird. Für die Frage, wann ein Sachverhalt einer Person zugerechnet werden kann, sollte nicht die Steuerpflichtigkeit einer Person[5] maßgeblich sein. Die Zurechenbarkeit sollte unabhängig von spezialgesetzlich geregelten Pflichten an bestimmte Personen bereits dann angenommen werden, wenn eine Person einen der Steueraufsicht unterliegenden Sachverhalt veranlasst oder maßgeblich beeinflusst hat. Zur Notwendigkeit der Durchführung einer Nachschau bei einer anderen Person als dem Stpfl. im Fall eines ausgelagerten Produktionsprozesses in einen anderen Betrieb vgl. BFH v. 5.5.2015, VII R 58/13, BFH/NV 2015, 1234, ZfZ 2015, 241ff.

 

Rz. 15

Zuständig für die Durchführung der Nachschau sind die hierzu von der Finanzverwaltung betrauten Amtsträger der Bundeszollverwaltung.[6] Die örtliche Zuständigkeit richtet sich nach § 23 AO...

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