Rz. 11

Das Zollverwaltungsgesetz[1] v. 21.12.1992[2] ergänzt das Gemeinschaftszollrecht und nicht die Vorschriften der §§ 209ff. AO.[3] Der ZK hat den Mitgliedstaaten die Gesetzgebung über die Aufgaben und Befugnisse der jeweiligen Zollbehörden überlassen. Das ZollVG regelt, in Ausfüllung der vom ZK bewusst gehaltenen Lücke, die Aufgaben und Befugnisse der Zollverwaltung. Das ZollVG ist in seiner vollständigen Fassung, zeitgleich mit dem ZK, am 1.1.1994 in Kraft getreten.[4]

 

Rz. 12

§ 1 ZollVG legt die Aufgaben der Zollverwaltung fest. Neben der zollamtlichen Überwachung des Warenverkehrs über die Grenze des Zollgebiets der Gemeinschaft, sowie über die Freizonengrenzen, unterliegt nach § 1 Abs. 2 ZollVG auch der Verkehr mit verbrauchsteuerpflichtigen Waren über die Grenze des deutschen Verbrauchsteuererhebungsgebietes der zollamtlichen Überwachung. Nach Abs. 3 sichert die zollamtliche Überwachung darüber hinaus die Einhaltung der gemeinschaftlichen oder nationalen Vorschriften, die das Verbringen von Waren in den, durch den und aus dem Geltungsbereich des ZollVG verbietet oder beschränkt (Verbote und Beschränkungen).

 

Rz. 13

Das ZollVG dehnt den Gegenstand der zollamtlichen Überwachung weiter aus, als er in § 209 AO gefasst ist. Während § 1 Abs. 1 S. 1 und Abs. 2 ZollVG mit dem Gegenstand der zollamtlichen Überwachung des § 209 AO übereinstimmen, erweitert § 1 Abs. 3 ZollVG die zollamtliche Überwachung auf die Einhaltung der Verbote und Beschränkungen. Aufgrund der unterschiedlichen Regelungen über den Gegenstand der zollamtlichen Überwachung bzw. der Steueraufsicht entfachte in der Literatur ein Streit darüber, in welchem Verhältnis § 1 ZollVG und § 209 AO zueinander stehen.[5]

 

Rz. 14

Die Einbeziehung der Verbote und Beschränkungen in die zollamtliche Überwachung[6] entspricht der in § 1 Abs. 1 S. 2 ZollVG definierten Aufgabe der zollamtlichen Überwachung: die Sicherung der Erhebung von Einfuhr- und Ausfuhrabgaben, sowie die Sicherung der Einhaltung des Zollrechts. Verbote und Beschränkungen finden ihre Rechtsgrundlagen in einzelstaatlichem Recht oder bereits harmonisierten gemeinschaftsrechtlichen Verordnungen.[7] Originär zuständig für die Überwachung der Einhaltung der Verbote und Beschränkungen sind die für den jeweiligen Rechtsgüterschutz (z. B. Gesundheit von Mensch und Tier, Umwelt, öffentliche Ordnung etc.) zuständigen Bundes- bzw. Landesbehörden. Da diese Behörden den grenzüberschreitenden Warenverkehr nicht kontrollieren können, wurden diese dem Inhalt nach "zollfremden" Aufgaben der Zollverwaltung übertragen, die originär für die Überwachung des grenzüberschreitenden Warenverkehrs zuständig ist.[8]

 

Rz. 15

Diese Aufgabenzuweisung entspricht verschiedenen Regelungen im ZK[9], die die Beachtung von Verboten und Beschränkungen regeln und dadurch ihre Überwachung in das Zollrecht einbeziehen.[10] Der ZK geht als gemeinschaftsrechtliche Regelung dem nationalen Recht vor, das ZollVG ergänzt und konkretisiert das gemeinschaftsrechtliche Zollrecht und ist insofern lex specialis gegenüber der AO.

 

Rz. 16

§ 209 AO gilt nicht nur soweit, wie der Anwendungsbereich der AO reicht[11], sondern ist im Lichte des Gemeinschaftsrechts zu sehen, sodass § 209 AO auch für die Überwachung der Verbote und Beschränkungen gilt.[12] Der Wortlaut der §§ 210ff. AO spricht nicht gegen die Einbeziehung der Verbote und Beschränkungen in die der Steueraufsicht unterliegenden Sachverhalte, da der Gesetzeswortlaut nicht nur ausdrücklich die zoll- und verbrauchsteuerpflichtigen Waren nennt[13], sondern der Gesetzeswortlaut auch sonstige der Steueraufsicht unterliegende Sachverhalte nennt.[14] Unter diese "sonstigen Sachverhalte" fällt die verbotene oder beschränkte Ein-, Aus- und Durchfuhr von Waren.

 

Rz. 17

§ 10 ZollVG ermöglicht den Zollbehörden zur Durchführung der in § 1 ZollVG genannten Aufgaben bestimmte Kontrollmaßnahmen (sog. Anhalte- und Durchsuchungsrecht von Personen und Beförderungsmitteln im und außerhalb des grenznahen Raumes) durchzuführen, die teilweise über die in §§ 210ff.AO eingeräumten Befugnisse hinausgehen. Insoweit geht das ZollVG der AO als lex specialis vor. Dem Wortlaut des § 10 Abs. 1 ZollVG nach, gelten diese Kontrollbefugnisse "unbeschadet der §§ 209211 AO", die als Rechtsgrundlage für alle anderen Kontrollmaßnahmen herangezogen werden können.

[1] ZollVG.
[2] BGBl I 1992, 2125.
[3] So aber Dißars/Dißars, ZfZ 1996, 130, 136.
[4] Art. 3 Zollrechtsänderungsgesetz v. 21.12.1992, BGBl I 1992, 2493.
[5] Schallmoser, in HHSp, AO/FGO, Vor § 209 AO Rz. 7f.; Brandis, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 209 AO Rz. 2; Hoyer, in Beermann/Gosch, AO/FGO, Vor § 209 AO Rz. 8ff.
[7] Aufzählung bei Henke, in Witte, ZK, Art. 58 Rz. 50.
[9] Vgl. Art. 58 Abs. 2, 73 Abs. 1, 75a 4. Anstrich, 212 ZK.
[10] Witte/Wöhner, in Birk/Ehlers, Rechtsfragen des europäischen Steuer-, Außenwirtschafts-, und Zollrechts 1995, 127.
[11] So aber Brandis, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 209 AO Rz. 2.
[12] So auch BT-Drs. 12/3432, ...

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