Rz. 2

Nach Art. 25 S. 1 GG sind die allgemeinen Regeln des Völkerrechts Bestandteil des Bundesrechts. Sie haben Vorrang vor den Gesetzen und haben — ohne besondere Überführung ins nationale Recht durch Bundesgesetz — unmittelbare Wirkungen für und gegen die Bewohner des Bundesgebiets.[1] Sie gehen gem. Art. 25 S. 2 GG den (förmlichen) Gesetzen des Bundes und dem gesamten Landesrecht vor und entfalten unmittelbare Wirkungen – also ohne Transformation ins nationale Recht durch Bundesgesetz – innerhalb der deutschen Rechtsordnung. Dem Rang nach stehen die allgemeinen Regeln des Völkerrechts oberhalb des (einfachen) Gesetzes, aber unterhalb der Verfassung.[2] Aufgrund dieser innerstaatlichen Geltung der allgemeinen Regeln des Völkerrechts ist § 2 AO insoweit ohne Bedeutung.

Im internationalen und zwischenstaatlichen Steuerrecht sind jedoch die allgemeinen Regeln des Völkerrechts nur selten relevant, so z. B. für die Befreiung Exterritorialer von staatlichen und kommunalen direkten und persönlichen Steuern[3] oder aufgrund des Grundsatzes der Staatenimmunität.[4] Häufig erfahren diese allgemeinen Regeln eine Konkretisierung durch völkerrechtliche Verträge; nur in diesen Fällen kann der Anwendungsbereich des § 2 AO überhaupt berührt sein.

 

Rz. 3

Grds. nicht zu den allgemeinen Regeln des Völkerrechts i. S. d. Art. 25 GG gehören Bestimmungen in völkerrechtlichen Verträgen (Völkervertragsrecht), zu dem insbesondere die DBA zählen.[5] Eine Ausnahme gilt nur, soweit das Völkervertragsrecht unter Art. 25 GG fallende gewohnheitsrechtliche Regelungen enthält.

Völkerrechtliche Verträge erlangen keine unmittelbaren Rechtswirkungen, sondern bedürfen hierfür (als lex specialis) nach Art. 59 Abs. 2 S. 1 GG eines förmlichen Bundesgesetzes, das je nach der zu regelnden Materie ggf. der Zustimmung des Bundesrats bedarf.[6] Aus Art. 59 Abs. 2 S. 1 GG ergibt sich nicht unmittelbar der Rang des für anwendbar erklärten Völkervertragsrechts. Nach der Rechtsprechung des BVerfG verleiht der Rechtsanwendungsbefehl des Art. 59 Abs. 2 S. 1 GG einem völkerrechtlichen Vertrag keinen Rang über den Gesetzen; innerstaatlich hat die völkerrechtliche Vereinbarung aufgrund des Zustimmungsgesetzes nur den Rang eines einfachen Bundesgesetzes.[7] Aus dem zu den allgemeinen Regeln des Völkerrechts gehörenden Grundsatz "pacta sunt servanda" ergibt sich nicht, dass auch alle Bestimmungen eines völkerrechtlichen Vertrags zu den allgemeinen Regeln des Völkerrechts zählen.[8]

[1] Sachs/Streinz, GG, 8. Aufl. 2018, Art. 25 Rz. 22ff; Drüen, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 2 AO Rz. 1.
[2] BVerfG v. 15.12.2015, 2 BvL 1/12, BVerfGE 144,1 Rz. 43; krit. z. B. Sachs/Streinz, GG, 8. Aufl. 2018, Art. 25 Rz. 88ff.
[3] Drüen, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 2 AO Rz. 7ff.
[4] BVerfG v. 17.3.2014, 2 BvL 1/12, BVerfGE 2017, 1, 44, NJW 2014, 1723, Haufe-Index HI9065283.
[5] Jarass/Pieroth, GG, 17.Aufl. 2022, Art. 25 Rz. 11.
[6] Drüen, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 2 AO Rz. 29.

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