Rz. 37

Nach § 194 Abs. 2 AO können die steuerlichen Verhältnisse von Gesellschaftern und Mitgliedern sowie von Mitgliedern der Überwachungsorgane über die in Abs. 1 geregelten Fälle hinaus in die bei einer Gesellschaft durchzuführende Außenprüfung einbezogen werden, wenn dies im Einzelfall zweckmäßig ist. Bei den in Abs. 1 geregelten Fällen handelt es sich um die nach § 194 Abs. 1 S. 3 AO von der Außenprüfung bei einer Personengesellschaft umfasste Prüfung der steuerlichen Verhältnisse der Gesellschafter, soweit diese für die zu überprüfenden einheitlichen Feststellungen von Bedeutung sind (s. Rz. 25ff). Von diesem Fall unterscheidet sich die in § 194 Abs. 2 AO geregelte sog. Erstreckungsprüfung[1] in zweifacher Hinsicht.

Auf der einen Seite geht der Anwendungsbereich des § 194 Abs. 2 AO unter verschiedenen Gesichtspunkten über denjenigen des § 194 Abs. 1 S. 3 AO hinaus. Während sich § 194 Abs. 1 S. 3 AO nur auf Personengesellschaften bezieht, gilt § 194 Abs. 2 AO für Personenvereinigungen jeder Art.[2] Darüber hinaus betrifft § 194 Abs. 2 AO nicht nur die Gesellschafter und Mitglieder der Personenvereinigung selbst, sondern auch die Mitglieder der Überwachungsorgane. Schließlich erlaubt es § 194 Abs. 2 AO, die steuerlichen Verhältnisse der dort genannten Personen umfassend – nicht wie im Fall des § 194 Abs. 1 S. 3 AO beschränkt auf die für die gesonderten Feststellungen bedeutsamen Verhältnisse – zu prüfen.

Auf der anderen Seite legt § 194 Abs. 2 AO anders als § 194 Abs. 1 S. 3 AO nicht den – gesetzlichen – Umfang der Außenprüfung bei einer Gesellschaft fest, sondern ermöglicht eine in das Ermessen der Finanzbehörde gestellte und von der Zweckmäßigkeit im Einzelfall abhängige Erstreckung dieser Prüfung auf Dritte.

 

Rz. 38

§ 194 Abs. 2 AO setzt eine bei einer "Gesellschaft" durchzuführende Außenprüfung voraus. Gesellschaft im Sinne dieser Vorschrift können sowohl Personengesellschaften (insbesondere Gesellschaften bürgerlichen Rechts, offene Handelsgesellschaften, Kommanditgesellschaften, Partnerschaftsgesellschaften) als auch körperschaftlich verfasste, d. h. vom Wechsel ihrer Mitglieder unabhängige, Personenvereinigungen wie Kapitalgesellschaften (insbesondere Gesellschaften mit beschränkter Haftung, Aktiengesellschaften, Kommanditgesellschaften auf Aktien), Genossenschaften und Vereine sein. Nicht zu den Gesellschaften i. S. des § 194 Abs. 2 AO gehören rechtsfähige Stiftungen i. S. der §§ 80ff. AO, weil es sich dabei nicht um Personenvereinigungen, sondern um rechtlich verselbständigte Zweckvermögen handelt.

Als "Gesellschafter" und "Mitglieder" sind bei Personengesellschaften und Gesellschaften mit beschränkter Haftung deren Gesellschafter, bei Aktiengesellschaften deren Aktionäre, bei Genossenschaften deren Genossen und bei Vereinen deren Mitglieder anzusehen.

Bei den "Überwachungsorganen", auf deren Mitglieder die Prüfung erstreckt werden kann, handelt es sich um diejenigen Organe, die die Geschäftsführung der jeweiligen Personenvereinigung zu kontrollieren haben. Überwachungsorgane sind insbesondere die Aufsichtsräte, die bei der Aktiengesellschaft[3], der Genossenschaft[4] und bei allen der Mitbestimmung der Arbeitnehmer unterliegenden Unternehmen[5] gesetzlich vorgeschrieben sind. Darüber hinaus kommen als Überwachungsorgane aber auch andere Gremien (wie Beiräte, Verwaltungsräte, Aufsichtsräte von Vereinen) in Betracht, wenn sie nach Gesellschaftsvertrag oder Satzung nicht lediglich beratende Funktion haben, sondern dazu berufen sind, die Tätigkeit der geschäftsführenden Organe zu überwachen.[6] Keine Überwachungsorgane i. S. des § 194 Abs. 2 AO sind die zur Geschäftsführung berufenen Organe.

 

Rz. 39

Die Erstreckungsprüfung nach § 194 Abs. 2 AO ist eine eigenständige Außenprüfung, die lediglich aus prüfungsökonomischen Gründen mit der Prüfung der Gesellschaft verbunden werden darf.[7] Sie bedarf daher der Bekanntgabe einer ausdrücklichen Anordnung auch gegenüber den mitzuprüfenden Personen.[8] Soweit das Betriebsstätten-FA nicht zugleich für die Besteuerung der mitzuprüfenden Personen zuständig ist, bedarf es eines entsprechenden Prüfungsauftrags des jeweiligen Wohnsitz-FA nach § 195 S. 2 AO.[9]

§ 194 Abs. 2 AO stellt keine eigenständige Kompetenznorm für die Durchführung einer Außenprüfung bei den in die Prüfung der Gesellschaft einbezogenen Personen dar, sondern setzt voraus, dass diese nach den allgemeinen Vorschriften des § 193 AO zulässig ist.[10] Ist dies der Fall, ist der sachliche und zeitliche Umfang der Erstreckungsprüfung grundsätzlich unbeschränkt. Er kann daher – soweit zweckmäßig – auch über die bei der Gesellschaft geprüften Steuerarten und Besteuerungszeiträume hinausgehen.[11]

 

Rz. 40

Zweckmäßig ist die Erstreckung der Prüfung nach § 194 Abs. 2 AO, wenn ein Zusammenhang zwischen den steuerlichen Verhältnissen der Gesellschaft und denjenigen der in die Prüfung einbezogenen Personen besteht. Dieser kann sich daraus ergeben, dass Leistungsbeziehungen zwischen der Kapitalgesellschaft und ihren Ge...

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