3.1 Regelung des Abs. 2

 

Rz. 33

Die Regelung des Abs. 1 setzt ein Vertrauensverhältnis zwischen den Feststellungsbeteiligten voraus. Diese Regelung ist daher nicht anwendbar, wenn dieses Vertrauensverhältnis nicht besteht und der Finanzbehörde dies bekannt ist.

Nach dem Wortlaut des Abs. 2 wäre die gesamte Regelung des Abs. 1 nicht anwendbar. Das ist nicht sachgerecht, soweit ein Empfangsbevollmächtigter von den Feststellungsbeteiligten durch rechtsgeschäftliche Vollmachterteilung bestellt ist. Das Vertrauensverhältnis zu diesem Empfangsbevollmächtigten kann weiterbestehen, auch wenn es zwischen den Feststellungsbeteiligten zerstört ist. Abs. 2 S. 2 enthält daher eine Ausnahme zu der generellen Regelung des Abs. 2 S. 1 und bestimmt , dass eine rechtsgeschäftliche Empfangsvollmacht auch in den Fällen des Abs. 2 S. 1 Nr. 2 grundsätzlich in Kraft bleibt (Rz. 45).

 

Rz. 34

Die Regelung des Abs. 1 ist nicht anwendbar, wenn die Personenvereinigung nicht mehr besteht, rechtsfähig geworden ist oder wenn das Vertrauensverhältnis gestört und dies der Finanzverwaltung bekannt ist.

Bei der Vorschrift sind zwei Fallgruppen zu unterscheiden. In der ersten Fallgruppe besteht die Personenvereinigung nicht mehr oder ist rechtsfähig geworden. In diesem Fall ist die gesamte Regelung des Abs. 1, also auch die Bekanntgabe an einen rechtsgeschäftlich bestellten Empfangsbevollmächtigten, nicht mehr anwendbar. Die zweite Fallgruppe betrifft Fälle, in denen ein Feststellungsbeteiligter aus der Personenvereinigung ausgeschieden ist oder zwischen den Feststellungsbeteiligten ernstliche Meinungsverschiedenheiten bestehen. In diesem Fall ist die Bekanntgabe an einen rechtsgeschäftlich bestellten Empfangsbevollmächtigten weiter möglich.

3.2 Kenntnis der Finanzbehörde

 

Rz. 35

Nach dem Wortlaut des § 183a Abs. 2 S. 1 AO kann die Finanzbehörde an den Empfangsbevollmächtigten nach § 183a Abs. 1 AO bekannt geben, solange sie die Gründe, die dies verbieten, nicht positiv kennt. Erforderlich ist positive Kenntnis; Kennenmüssen reicht nicht aus. Hat die Finanzbehörde positive Kenntnis erlangt, ist es ohne Bedeutung, auf welche Weise diese Kenntnis erlangt wurde. Diese Regelung ist gerechtfertigt, da es jeder Feststellungsbeteiligte in der Hand hat, der Finanzbehörde von dem Eintritt eines der Tatbestände des § 183a Abs. 2 S. 1 oder 2 AO Kenntnis zu geben und dadurch die Bekanntgabe an sich zu erreichen. Die Information der Finanzbehörde ist daher grundsätzlich eine Obliegenheit der Feststellungsbeteiligten. Maßgebend ist die Kenntnis der für die Bekanntgabe des konkreten Verwaltungsakts oder der konkreten Mitteilung zuständigen Stelle, d. h. des Feststellungsfinanzamts. Kenntnis des Wohnsitzfinanzamts ist weder erforderlich noch ausreichend.[1] Maßgebender Zeitpunkt für die Kenntnis ist derjenige Zeitpunkt, zu dem der bekannt zu gebende Verwaltungsakt oder die Mitteilung den Herrschaftsbereich der Finanzbehörde verlässt. Dies ist der letzte Zeitpunkt, zu dem die Finanzbehörde aufgrund ihrer Kenntnis den Bekanntgabevorgang noch beeinflussen kann.

 

Rz. 36

Die Vorschrift bedarf jedoch einer Einschränkung, da sie sonst dem Grundsatz des § 88 AO widersprechen würde. Die Finanzbehörde muss daher in zumutbarem Umfang eigene Ermittlungen anstellen, wenn sie ernste Zweifel an der Zulässigkeit der Bekanntgabe an den Empfangsbevollmächtigten hat, etwa wenn sie Anzeichen von ernsthaften Meinungsverschiedenheiten zwischen den Feststellungsbeteiligten bemerkt.[2] Die gleichen Grundsätze gelten, wenn die Finanzbehörde im Zweifel darüber ist, ob die Meinungsverschiedenheiten "ernstlich" sind. Da bei der Bekanntgabe an einen Bevollmächtigten immer das Risiko besteht, dass ein Feststellungsbeteiligter den Rechtsschutz verliert, ist in Zweifelsfällen an alle Feststellungsbeteiligten bekanntzugeben. Die Rechtsprechung fordert jedoch "positive Kenntnis" der Finanzbehörde, um die Bekanntgabe nach § 183a Abs. 1 AO auszuschließen.[3]

 

Rz. 37

Soweit die Finanzbehörde ohne Verstoß gegen ihre Ermittlungspflicht von einem der in Abs. 2 genannten Tatbestände nichts gewusst hat, und der betroffene Feststellungsbeteiligte unverschuldet nicht in der Lage war, der Behörde das Vorliegen eines der Tatbestände mitzuteilen, kann bei Versäumung einer Frist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, § 110 AO, in Betracht kommen.

[2] Im Ergebnis ebenso Söhn, in HHSp, AO/FGO, § 183 AO Rz. 121; a. A. Brandis in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 183 AO Rz. 22; FG Düsseldorf v. 17.10.1984, VIII/II 163/79 F, EFG 1985, 218.

3.3 Fälle der Einzelbekanntgabe

3.3.1 Einzelbekanntgabe nach § 183a Abs. 2 S. 1 Nr. 1 AO

 

Rz. 38

Eine Bekanntgabe an die Feststellungsbeteiligten selbst, nicht an den gemeinsamen Empfangsbevollmächtigten, hat zu erfolgen, wenn die Personenvereinigung nicht mehr besteht. In diesem Fall kann auch an den rechtsgeschäftlich bestellten Empfangsbevollmächtigten nicht mehr bekannt gegeben werden, da die Ausnahme des § 183a Abs. 2 S. 2 AO für diesen Fall nicht gilt. Durch die Worte "nicht mehr" ist ausgedrückt, dass die Personenvereinigung bestan...

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