Rz. 17

Zur Anwendung der Vorschrift auf Steuerbescheide und gleichgestellte Bescheide Rz. 12ff. Der Vertrauensschutz greift bei allen Tatbeständen des § 176 AO, und zwar sowohl bei den Tatbeständen des Abs. 1 als auch denen des Abs. 2, nur ein, wenn ein Steuerbescheid aufgehoben oder geändert werden soll. Grund hierfür ist, dass das Vertrauen in den Fortbestand einer konkreten bestandskräftigen Steuerfestsetzung geschützt werden soll.[1] Damit einbegriffen ist, wenn ein Freistellungsbescheid aufgehoben oder geändert werden soll.[2] § 176 AO greift nicht ein beim erstmaligen Erlass eines Steuerbescheids, auch nicht beim Erlass eines Steuerbescheids nach einem nichtigen Vorbescheid.[3] § 176 AO verhindert, dass ein bestandskräftiger Steuerbescheid durch einen Änderungsbescheid aufgehoben oder geändert wird, der auf einem in § 176 AO definierten Ereignis beruht. Die Grundlage des Änderungsbescheids muss also ein Ereignis sein, das nach § 176 AO nicht berücksichtigt werden darf. Der Vertrauensschutz greift damit nicht ein, wenn das maßgebende Ereignis, an das der Vertrauensschutz anknüpft, also etwa die Änderung der Rechtsprechung, in der Zeit zwischen Änderungsbescheid und Einspruchsentscheidung erfolgt, da dann der Änderungsbescheid nicht aufgrund des maßgebenden Ereignisses, also etwa der Änderung der Rechtsprechung ergangen sein kann.[4] Vielmehr muss dieses Ereignis, z. B. die Änderung der Rechtsprechung, zwischen Erlass des ursprünglichen Bescheids und des Änderungsbescheids eingetreten sein.[5]

 

Rz. 18

Der Vertrauensschutz greift bei allen Änderungen nach den Tatbeständen der §§ 172ff. AO ein, also auch bei Änderungen nach § 173 AO und § 174 AO.[6] Bei Änderungen nach § 174 AO greift die Vertrauensschutzregelung bei allen Tatbeständen des § 174 AO ein, also auch bei einer Änderung nach § 174 Abs. 4 AO. Der Stpfl. kann sich gegenüber der Änderung einer Steuerfestsetzung nach § 174 Abs. 4 AO daher selbst dann auf den Vertrauensschutz nach § 176 AO berufen, wenn sich die Entscheidung des obersten Bundesgerichts, mit der es eine Verwaltungsanweisung als mit dem geltenden Recht nicht in Einklang befindlich bezeichnet hat, in einem anderen Jahr zu seinen Gunsten ausgewirkt hat. § 176 AO hat daher Vorrang vor § 174 Abs. 4 AO. Die Regelung des § 176 AO über den Vertrauensschutz gilt nach dem Inhalt der Vorschrift uneingeschränkt gegenüber jeder Änderung, auch bei Änderung einer unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Steuerfestsetzung, sodass für eine einschränkende Interpretation gegenüber § 174 Abs. 4 AO kein Raum ist.[7] § 176 greift auch bei anderen, in Einzelgesetzen enthaltenen Änderungsvorschriften ein.[8] Z.T. ist die entsprechende Anwendung des § 176 AO in diesen Vorschriften ausdrücklich angeordnet.[9] Die Anwendung des § 176 AO bei einer Änderung eines Steuerbescheids kann auch ausdrücklich ausgeschlossen sein. Zu der Regelung des § 27 Abs. 19 S. 1 UStG enthält S. 2 etwa die ausdrückliche Bestimmung, dass die Änderung der Steuerfestsetzung trotz § 176 AO erfolgen kann.

 

Rz. 18a

Auf jeden Fall anzuwenden ist die Vertrauensschutzregelung, wenn die Verwaltung gegenüber der verbösernden BFH-Entscheidung eine allgemeine Übergangsregelung zugunsten der Stpfl. erlassen hat.

 

Rz. 19

§ 176 AO greift nicht ein, wenn ein Bescheid nach § 129 AO berichtigt wird.[10] § 176 AO ist systematisch eine Vorschrift aus dem Bereich der Durchbrechung der Bestandskraft, während § 129 AO außerhalb dieses Regelungsbereichs steht.

Bei einer Fehlerberichtigung nach § 177 AO ist der Vertrauensschutz aber zu beachten, d. h. ein Fehler, der in den Änderungsrahmen des § 177 AO fällt, kann nicht berichtigt werden, soweit ein Tatbestand des § 176 AO vorliegt. § 177 Abs. 4 AO bestimmt ausdrücklich, dass § 176 AO auch im Rahmen des § 177 AO anwendbar ist.[11]

 

Rz. 20

Beim erstmaligen Erlass eines Steuerbescheids wird kein Vertrauensschutz gewährt.[12] In diesem späten Anknüpfungspunkt für den Vertrauensschutz liegt ein wesentlicher Mangel der gesetzlichen Regelung (vgl. Rz. 9).

 

Rz. 21

Der Vertrauensschutz greift auch dann ein, wenn ein Steuerbescheid unter dem Vorbehalt der Nachprüfung, § 164 AO, ergangen ist, und nach § 164 Abs. 2 AO geändert oder aufgehoben werden soll. Gleiches gilt für einen nach § 165 AO vorläufigen Steuerbescheid. Auch insoweit greift der Vertrauensschutz nach § 176 AO ein, wenn der Steuerbescheid nach § 165 Abs. 2 AO aufgehoben oder geändert werden soll. Zu Einzelheiten vgl. Rz. 13.

 

Rz. 22

§ 176 AO ist nicht anwendbar, wenn keine Änderung des Erstbescheids nach §§ 164, 165, 172ff. AO erfolgt, sondern eine Verböserung im Rechtsbehelfsverfahren, nachdem gegen den Erstbescheid Einspruch eingelegt worden ist.[13] Grundsätzlich ist § 176 AO auch anwendbar im Rechtsbehelfsverfahren sowie im finanzgerichtlichen Verfahren, jedoch ist hier zu unterscheiden, ob das Rechtsbehelfsverfahren einen Erstbescheid oder einen geänderten Bescheid betrifft. Handelt es sich um eine Anfechtung des Erstbescheids, ist § 176 AO weder im Rechtsb...

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