Rz. 8

§ 175a AO ermöglicht die Umsetzung einer Vorabverständigungsvereinbarung, einer Verständigungsvereinbarung oder eines Schiedsspruchs nach einem Vertrag i. S. d. § 2 Abs. 1 AO. Die Vorschrift bezieht sich damit auf § 89a AO sowie auf Streitbeilegungsverfahren nach DBA und nach der Schiedskonvention. Auch ein Vorabverständigungsverfahren beruht nach § 89a Abs. 1 S. 1 AO auf dem jeweiligen DBA. Die DBA sind unzweifelhaft völkerrechtliche Vereinbarungen i. S. d. § 175a S. 1 AO. Das gilt auch für die Schiedskonvention, die keine Richtlinie, sondern eine Vereinbarung zwischen den EU-Staaten ist. Dagegen gilt § 175a AO unmittelbar nicht für die Streitbeilegungsverfahren nach der EU-Streitbeilegungsrichtlinie und dem EU-DBA-SBG. Weder die Richtlinie noch das EU-DBA-SBG sind völkerrechtliche Verträge i. S. d. § 2 Abs. 1 AO. Jedoch bestimmen § 15 Abs. 3 EU-DBA-SBG für die Einigung in einem Verständigungsverfahren sowie § 18 Abs. 5 EU-DBA-SBG für die Entscheidung aufgrund einer Stellungnahme des beratenden Ausschusses, dass § 175a AO entsprechend anwendbar ist.

 

Rz. 9

§ 175a AO ermöglicht die Umsetzung einer Vorabverständigungsvereinbarung, einer Verständigungsvereinbarung oder eines Schiedsspruchs nach einem Vertrag i. S. d. § 2 AO.

Die Begriffe der Verständigungsvereinbarung oder des Schiedsspruchs sind weder in § 175a AO noch in anderen Gesetzen definiert. Konkretisiert werden diese Begriffe dadurch, dass die Verständigungsvereinbarung oder der Schiedsspruch auf einem Vertrag nach § 2 AO, d. h. einem internationalen Abkommen, beruhen muss. Für die nähere Definition der Verständigungsvereinbarung oder des Schiedsspruchs wird daher auf den jeweiligen internationalen Vertrag bzw. die Streitbeilegungsrichtlinie verwiesen. Der Begriff der "Vorabverständigungsvereinbarung" ist durch den Verweis auf § 89a AO konkretisiert.

 

Rz. 10

Bei DBA ist § 175a AO auf das Verständigungsverfahren i. e. S. einschließlich der Vorabverständigungsverfahren und ggf. das Schiedsverfahren anwendbar, d. h. auf ein Verfahren entsprechend Art. 25 OECD-MA, in dem ein Stpfl. der zuständigen Behörde den Fall zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung unterbreitet. Ebenfalls anwendbar ist die Vorschrift auf das Konsultationsverfahren nach Art. 9 Abs. 2 OECD-MA, also die Verfahren zur Beseitigung der Doppelbesteuerung bei Verrechnungspreisen zwischen verbundenen Unternehmen. Auch in diesem Verfahren wird nur über die Besteuerung eines bestimmten Stpfl. entschieden; es ist daher einem Verständigungsverfahren vergleichbar. § 175a AO ermöglicht also die Änderung von Steuerfestsetzungen sowohl zur Beseitigung der rechtlichen als auch zur Beseitigung der wirtschaftlichen Doppelbesteuerung. Nicht anwendbar ist die Vorschrift dagegen auf das Konsultationsverfahren, in dem die beteiligten Behörden Unklarheiten bei der Auslegung des DBA für eine unbestimmte Vielzahl von Fällen, auch zur Vermeidung von Besteuerungslücken ("weiße Einkünfte"), durch Verwaltungsvereinbarung klären. In diesen Fällen ist eine Durchbrechung der Bestandskraft bzw. Hemmung der Festsetzungsfrist bei dem einzelnen Stpfl. nicht gerechtfertigt, weil sich das jeweilige Verfahren nicht konkret auf seinen Steuerfall bezog und der Geltungsgrund dieser Rechtsfolgen, der Antrag oder das Einverständnis des Stpfl. zur Einleitung eines solchen Verfahrens, nicht vorliegt. Die Konsultationsvereinbarungen werden nach § 2 Abs. 2 AO durch Rechtsverordnung umgesetzt. Soll eine Änderung von Steuerbescheiden erfolgen, müsste diese Rechtsverordnung eine entsprechende Rechtsgrundlage enthalten.[1]

 

Rz. 11

Die Vorschrift ist auf alle Besitz-, Verkehrs- und Realsteuern anwendbar, nicht jedoch auf Verbrauchsteuern und Einfuhr- und Ausfuhrabgaben nach dem ZK. § 172 Abs. 1 Nr. 2 AO bestimmt nur für andere Steuerarten als Verbrauchsteuern und Einfuhr- und Ausfuhrabgaben, dass eine Änderung möglich ist, soweit dies gesetzlich zugelassen ist.[2] Für Einfuhr- und Ausfuhrabgaben enthält der ZK, für Verbrauchsteuern § 172 Abs. 1 Nr. 1 AO eine abschließende Regelung.

Rz. 12 einstweilen frei

 

Rz. 13

Die Frage, ob § 175a AO nur anwendbar ist, wenn bei Einleitung des Verständigungsverfahrens die Festsetzungsfrist noch nicht abgelaufen ist[3], ist umstritten. Nach der einen in der Literatur vertretenen Ansicht enthält S. 2 eine Ablaufhemmung. Eine Ablaufhemmung setzt grundsätzlich voraus, dass bei ihrem Eingreifen die Festsetzungsfrist noch nicht abgelaufen ist; eine bereits abgelaufene Frist kann nicht mehr gehemmt werden. Da nach § 175a S. 2 AO die Ablaufhemmung durch das Verständigungs- oder Schiedsverfahren eintritt, bedeutet dies an sich, dass das Verständigungs- oder Schiedsverfahren vor Ablauf der Festsetzungsfrist eingeleitet sein muss.[4] Allerdings sei zu berücksichtigen, dass der Stpfl. keinen Einfluss darauf hat, wann die zuständigen Behörden der betroffenen Staaten das Verfahren formell einleiten. Es müsse daher genügen, dass der Stpfl. bzw. bei der wirtschaftlichen Doppelbesteuerung der Geschäftspartner die Einleitun...

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