Rz. 258

Die durch die Außenprüfung verstärkte Bestandskraft kann nach § 173 Abs. 2 AO nur durchbrochen werden, wenn das Verhalten des Stpfl. oder eines Dritten den Straftatbestand der Steuerhinterziehung, § 370 AO, oder den Tatbestand der Ordnungswidrigkeit einer leichtfertigen Steuerverkürzung, § 378 AO, erfüllte.

Die Durchbrechung der verstärkten Bestandskraft nach § 173 Abs. 2 AO wirkt immer zulasten des Stpfl., da es nicht denkbar ist, dass die Finanzverwaltung die Steuer unter Begehung einer Steuerhinterziehung oder leichtfertigen Steuerverkürzung höher festsetzt. Das gilt auch, wenn sich herausstellt, dass die verkürzten Steuern niedriger sind als in dem ursprünglichen Bescheid festgesetzt.[1]

 

Rz. 259

Es muss der volle objektive und subjektive Tatbestand des § 370 AO bzw. § 378 AO vorliegen. Es müssen daher Vorsatz, auch bedingter Vorsatz bei Steuerhinterziehung, § 370 AO, oder Leichtfertigkeit bei leichtfertiger Steuerverkürzung, § 378 AO, gegeben sein.[2] Die Tat kann in mittelbarer Täterschaft begangen sein. Hinsichtlich des Vorsatzes genügt bedingter Vorsatz.

 

Rz. 259a

Ist der volle Tatbestand der Straftat bzw. Ordnungswidrigkeit erfüllt, ist es ohne Bedeutung, ob tatsächlich eine Bestrafung bzw. Ahndung erfolgt oder ob diese aus tatsächlichen oder Rechtsgründen unterbleibt. Selbstanzeige, § 371 AO bzw. § 378 Abs. 3 AO, und Verfolgungsverjährung, § 78 StGB bzw. § 384 AO, schließen das Durchbrechen der verstärkten Bestandskraft daher nicht aus. Bei Schuldunfähigkeit des Täters liegt nicht der volle Tatbestand einschl. Verschulden vor. Eine Durchbrechung der Änderungssperre ist dann nicht zulässig. Bei verminderter Schuldfähigkeit ist dagegen eine Durchbrechung der verstärkten Bestandskraft möglich.

 

Rz. 260

Die Durchbrechung der Änderungssperre tritt auch ein, wenn der Stpfl., der die Steuerhinterziehung oder -verkürzung begangen hat, verstorben ist. Es geht bei der Durchbrechung der Änderungssperre nicht um strafrechtliche Sanktionen gegen einen Verstorbenen (was rechtlich nicht möglich ist), sondern um steuerrechtliche Folgen, die an strafrechtliche Tatbestände anknüpfen. Steuerliche Folgen können aber auch bei Tod des Stpfl. festgesetzt werden. Es ist dann zu prüfen, ob der verstorbene Stpfl. die objektiven und subjektiven Tatbestandsmerkmale der Steuerhinterziehung oder leichtfertigen Steuerverkürzung verwirklicht hat. Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs (für den verstorbenen Stpfl.) wird hierdurch nicht verletzt; rechtliches Gehör wird den am Verfahren Beteiligten (Gesamtrechtsnachfolger) gewährt. Ist für die Feststellung der Steuerhinterziehung bzw. leichtfertigen Steuerverkürzung der persönliche Eindruck vom Täter erforderlich, gehen Zweifel insoweit zulasten der Finanzbehörde, es kann im Zweifel also keine Durchbrechung der verstärkten Bestandskraft erfolgen.[3]

 

Rz. 261

Das Vorliegen der Steuerhinterziehung bzw. leichtfertigen Steuerverkürzung ist nach den Prüfungsmaßstäben nicht der StPO, sondern der AO bzw. FGO festzustellen[4], da es nicht um die Festsetzung einer strafrechtlichen Sanktion, sondern von steuerrechtlichen Folgen geht, die lediglich an strafrechtliche Tatbestände anknüpfen. Das Vorliegen einer Steuerhinterziehung bzw. -verkürzung muss also nach den Regeln der AO bzw. der FGO mit dem Grad der Gewissheit vorliegen, der auch sonst für die Feststellung steuerlicher Tatbestandsmerkmale erforderlich ist, für die die Finanzbehörde die objektive Beweislast trägt.[5] Im Ergebnis führt dies zur Anwendung des Grundsatzes in dubio pro reo“. Das FG muss auf Grund seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung entscheiden. Das FG ist also an die Feststellungen des Strafgerichts wegen der gleichen Tat nicht gebunden, da andere Beweismaßstäbe gelten.[6] Allerdings kann das FG die Feststellungen des Strafgerichts verwerten, wenn die Beteiligten hiergegen keine substantiierten Einwendungen erhoben haben.[7] Dies gilt insbesondere, wenn die strafgerichtliche Verurteilung auf einem Geständnis des Stpfl. beruhte.[8] Eine leichtfertige Steuerverkürzung setzt einen erheblichen Grad an Fahrlässigkeit voraus, der etwa der groben Fahrlässigkeit entspricht. Dabei wird auf die persönlichen Fähigkeiten des Täters abgestellt. Wenn sich die Leichtfertigkeit nicht aus Urkunden, dokumentierten Äußerungen oder sonstigen Indizien eindeutig ergibt, muss das FG den Stpfl. bei Zweifelsfällen persönlich anhören.[9]

 

Rz. 262

Allein die Tatsache, dass die Steuern geschätzt worden sind, reicht dabei nicht aus, eine Steuerhinterziehung oder leichtfertige Steuerverkürzung anzunehmen.[10] Das gilt auch, wenn der Stpfl. seine Mitwirkungspflichten verletzt und gegen § 90 AO, insbesondere § 90 Abs. 2 AO, verstoßen hat. Daraus folgt noch nicht eine Steuerhinterziehung oder leichtfertige Steuerverkürzung.[11]

 

Rz. 263

Die Finanzbehörde trägt die objektive Beweislast (Feststellungslast) für das Vorliegen einer Steuerhinterziehung bzw. leichtfertigen Steuerverkürzung.[12] Es gilt damit der Grundsatz "in du...

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