Rz. 46

Die Verlängerung der Festsetzungsfrist tritt bei den Personen ein, die Steuerschuldner derjenigen Steuer sind, hinsichtlich derer Steuerhinterziehung oder leichtfertige Steuerverkürzung begangen wurde. Dabei ist es unbeachtlich, wer die Steuerhinterziehung begangen hat oder ob dem Stpfl. die Steuerhinterziehung bekannt war. Es kommt nur darauf an, dass es sich objektiv um eine hinterzogene oder leichtfertig verkürzte Steuer handelt. Die Eigenschaft, hinterzogen oder leichtfertig verkürzt zu sein, haftet der Steuerschuld an, ohne dass es auf eine Kenntnis des Stpfl. ankommt. Auch die Kenntnis des Stpfl. oder seines Rechtsnachfolgers, dass die Steuer hinterzogen oder verkürzt worden ist, ist nicht erforderlich. Der Stpfl. braucht auch nicht zu wissen, dass sich die Festsetzungsfrist verlängert, weil ein Dritter Steuerhinterziehung zu seinen Gunsten begangen hat. Gegen den Erben läuft die verlängerte Festsetzungsfrist auch dann, wenn der Erblasser Steuerhinterziehung begangen hat.[1] Für Gesamtschuldner ist die Festsetzungsfrist für jeden Gesamtschuldner gesondert zu berechnen. Das gilt auch für zusammen veranlagte Ehegatten. Da es aber nur auf den Charakter der Steuerforderung als hinterzogen oder leichtfertig verkürzt ankommt, wirkt die Steuerhinterziehung oder leichtfertige Steuerverkürzung eines Gesamtschuldners auch gegen den anderen. Daher verlängert sich daher die Festsetzungsfrist gegenüber jedem Gesamtschuldner, da jeder selbst Steuerschuldner ist.[2] Hat ein Gesamtschuldner (einschließlich der von ihm beauftragten Personen) die Steuerhinterziehung oder leichtfertige Steuerverkürzung nicht begangen, kann er sich nach den in Rz. 45 dargestellten Regeln exkulpieren.[3]

 

Rz. 47

Hat bei einer Personengesellschaft bzw. Mitunternehmerschaft die Steuerhinterziehung zu einem Vermögensvorteil geführt, die allen Gesellschaftern nach dem allgemeinen Gewinnverteilungsschlüssel zugerechnet werden, verlängert sich die Festsetzungsfrist gegenüber allen Gesellschaftern. Ist ein Gesellschafter nicht an der Tat beteiligt, besteht für ihn trotzdem keine Exkulpationsmöglichkeit, wenn die Tat von dem geschäftsführenden Gesellschafter begangen worden ist. Dies ist jedem Gesellschafter zuzurechnen. Ist der Vermögensvorteil aus der Steuerhinterziehung oder leichtfertigen Steuerverkürzung nur einem Teil der Gesellschafter zugeflossen, verlängert sich die Festsetzungsfrist gegenüber den nicht begünstigten Gesellschaftern nicht, ohne dass es des Exkulpationsgrunds des nicht erhaltenen Vermögensvorteils bedarf.[4] Steuerlich können die hinterzogenen Gewinne den nicht begünstigten Gesellschaftern nicht zugerechnet werden[5]; der Steueranspruch gegen die nicht begünstigten Gesellschafter beruht also nicht auf einer Steuerhinterziehung, sodass eine Verlängerung der Festsetzungsfrist schon vom Tatbestand her nicht in Betracht kommt.

 

Rz. 48

Erben und sonstige Gesamtrechtsnachfolger treten in die Stellung des Vorgängers ein. Sie müssen daher in der Person des Rechtsvorgängers eingetretene Tatbestände, die zur Verlängerung der Festsetzungsfrist führen, gegen sich gelten lassen. Eine Exkulpationsmöglichkeit (Rz. 45) haben sie nur, wenn auch dem Rechtsvorgänger die Exkulpationsmöglichkeit zustand.[6]

Die Feststellung einer Steuerhinterziehung oder einer leichtfertigen Steuerverkürzung im Rahmen der Verlängerung der Festsetzungsfrist ist daher auch noch möglich, wenn der Erblasser verstorben ist. Darin liegt kein Verstoß gegen höherrangiges Recht, auch nicht gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs, da dieses statt dem Verstorbenen den Verfahrensbeteiligten zu gewähren ist.[7] Die Verlängerung der Festsetzungsfrist gilt außer bei Erbschaft auch bei anderen Fällen der Gesamt- oder Teilrechtsnachfolge, insbesondere also bei Umwandlungen nach §§ 3ff. UmwStG, Verschmelzung nach § 11ff. UmwStG, Spaltung nach § 15 UmwStG sowie bei Einbringung nach § 20 UmwStG, wenn sie durch Gesamtrechtsnachfolge erfolgt.

Hat ein Miterbe die Steuerhinterziehung begangen, tritt ebenfalls eine Verlängerung der Festsetzungsfrist ein, aber nicht wegen einer eigenen Steuerhinterziehung, sondern weil die Steuerhinterziehung des anderen Miterben gegen alle Gesamtschuldner wirkt. Da der Miterbe aber nicht in die Stellung des anderen Gesamtschuldners eintritt, steht dem Miterben die Exkulpationsmöglichkeit offen.[8]

[3] Drüen, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 169 AO Rz. 23; Banniza, in HHSp, AO/FGO, § 169 AO Rz. 65.
[4] Drüen, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 169 AO, Rz. 21; Paetsch, in Gosch, AO/FGO, § 169 AO Rz. 58.
[6] Drüen, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 169 AO Rz. 24; Paetsch, in Gosch, AO/FGO, § 169 AO Rz. 60.
[7] BFH v. 27.8.1991, VIII R 84/89, BStBl II 1992, 9; Drüen, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 169 AO Rz. 25.

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